Am 20. Mai hat die internationale Kommission zur Untersuchung des Untergangs der Fregatte CHEON AN (26. März) ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Nachdem einigen Medien schon vorab Informationen zugespielt worden waren, brachte die vom Verteidigungsminister persönlich durchgeführte offizielle Pressekonferenz keine wirkliche Überraschung mehr. Analyse von Metallteilen und Sprengstoffspuren lasse „keinen Zweifel“, dass die Fregatte durch einen nordkoreanischen Torpedo versenkt worden sei, so der Minister. Zum Beweis präsentierte er ein größeres Teil eines nur 40m von der Untergangsstelle entfernt geborgenen Torpedos mit Motor und Doppel-Propeller sowie eine dazu gehörende Steuerungseinheit. Beide Teile seien eindeutig einem nordkoreanischen schweren Torpedo (Typ CHT-02D) zuzuordnen; an den Teilen gefundene handschriftliche Markierungen stützten diese Einschätzungen noch.
Pressekonferenz Bildquelle: koreaherald |
Kurz nach der Pressekonferenz gelangten aus Kreisen des südkoreanischen Geheimdienstes weitere Informationen an die Medien. Demnach habe man zwei bis drei Tage vor dem Angriff auf die CHEON AN das Auslaufen einiger kleinerer U‑Boote sowie eines Mutterschiffes aus einem nordkoreanischen Marinestützpunkt an der Westküste „erkannt“. Für die Herausgabe einer besonderen Warnung habe es damals jedoch keinen Grund gegeben. Der Torpedo sei wahrscheinlich von einem 130-ts Klein-U-Boot geschossen worden, das zwei oder drei Tage nach der Aktion wieder zum Stützpunkt zurück gekehrt sei.
YUGO Bildquelle: china-defense.com |
Die Größenangabe deutet auf ein U‑Boot der YUGO-Klasse. Nordkorea hat fast 40 dieser von nur zwei Mann Besatzung gesteuerten Klein-U-Boote (20 m) im Bestand. Sie werden vornehmlich für Kommandounternehmen genutzt und können dann etwa sechs Kampfschwimmer an Bord nehmen, verfügen aber auch über zwei 53,3‑cm Torpedorohre.
Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Südkorea kündigte eine „angemessene Antwort“ an. Die US-Regierung bezeichnete die Versenkung der CHEON AN als “kriegerischen Akt, der nicht unbeantwortet bleiben und internationale Konsequenzen haben wird”. Am 22. Mai hat der UN Sicherheitsrat mit Beratungen zum Vorfall begonnen, und erste Anzeichen sprechen für die einmütige Verabschiedung einer scharfen Resolution; auch China soll „die Geduld mit seinem Verbündeten verloren haben“. Nordkorea wiederum weist jede Anschuldigung entrüstet von sich. Dies sei ein „gemeinsam von Südkorea und den USA inszeniertes Schauspiel“. Man werde auf jede neue Sanktion reagieren – bis hin zum „all out war“ (im nordkoreanischen Sprachgebrauch Atomwaffeneinsatz). Jeder noch so kleine Zwischenfall werde jetzt als weitere Provokation betrachtet und „gnadenlos“ vergolten. Im Übrigen wolle man die Beweisstücke auch durch ein eigenes Expertenteam in Augenschein nehmen und als plumpe Fälschung entlarven.
Über im Einzelnen zu treffende Vergeltungsmaßnahmen wird in Südkorea noch beraten. Sie sollen am 24. Mai bekannt gegeben werden. Allgemein werden vor allem wirtschaftliche und politische Sanktionen erwartet, mit denen die kommunistische Diktatur sowohl in bilateralen Beziehungen als auch international weiter isoliert werden soll. Sicher wird es auch militärische Aktionen geben, allerdings kaum in Form direkter Vergeltung. Möglich sind demonstrative gemeinsame Manöver der südkoreanischen und US-amerikanischen Streitkräfte (im Gelben Meer vor der Westküste). Der permanent in Japan stationierte US Flugzeugträger GEORGE WASHINGTON ist am 18. Mai gemeinsam mit zwei Kreuzern aus Yokosuka ausgelaufen. Offiziell soll sich das Schiff (u.a. mit Carrier Qualifications für Piloten von Kampfflugzeugen) auf einen länger geplanten, routinemäßigen Einsatz vorbereiten. Dies spricht jedoch nicht gegen eine kurzfristige Verlegung vor die koreanische Küste. Zugleich sind die USA aber auch bemüht, die Angelegenheit nicht unnötig zu eskalieren. So wurde eine eigentlich für den 20.–24. Mai geplante Übung zur Evakuierung von US-Bürgern aus Südkorea (Exercise Courageous Channel) kurzfristig abgesagt.
Bilde von einem früheren Zwischenfall Bildquelle: offz. |
Am 21. Mai wurde aus Seoul bekannt, dass Südkorea und die USA überlegen, den Bereitschaftsstatus ihrer Streitkräfte auf die zweithöchste Stufe (Watchcon‑2 “indications of a vital threat“, derzeit Watchcon‑3) anzuheben. Höchste Einsatzbereitschaft besteht bereits für alle im Gelben Meer nahe der umstrittenen Seegrenze zu Nordkorea (Northern Limit Line) operierenden Marineeinheiten.
Hier rechnet man jederzeit mit neuen Zwischenfällen, die vor allem auch aus der im Juni beginnenden jährlichen Krabbenfangsaison resultieren können. Hunderte Kutter (darunter vor allem auch viele Chinesen) sind dann im umstrittenen Gebiet unterwegs, und Schutz eigener Fischer sowie Vertreibung über die Grenzen hinaus fischender fremder Boote führt in jedem Jahr zu Reibereien bis hin zu Kollisionen zwischen süd- und nordkoreanischen Marineeinheiten, die sich schon des Öfteren auch in regelrechten Seegefechten entladen haben. Einen Vorgeschmack gab es bereits am 15. Mai, als zwei nordkoreanische Wachboote in Begleitung von Fischern die Seegrenze überfuhren und erst nach Warnschüssen einer südkoreanischen Einheit wieder in eigene Gewässer zurück kehrten. Vor dem Hintergrund der CHEON AN Affäre muss befürchtet werden, dass die üblichen „Crab Season Incidents“ in diesem Jahr über das gewohnte Maß hinaus eskalieren.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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