Stellungnahme Heckler & Koch: Aktuelle Medienberichte zum Gewehr G36

In aktuellen Medi­en­bericht­en (u. a. „Spiegel Online“ vom 01.04.2012) wird der Ein­druck ver­mit­telt, dass das von Heck­ler & Koch entwick­elte und hergestellte Gewehr G36 für den Kampfein­satz, ins­beson­dere für län­gere Feuerge­fechte bzw. im Dauer­feuer, nur bed­ingt oder gar nicht geeignet sei. Weit­er­hin wird die Behaup­tung ver­bre­it­et, dass die Tre­f­fer­streu­ung des G36 bei heißgeschossen­er Waffe unver­hält­nis­mäßig hoch sei. 

Die Heck­ler & Koch GmbH sieht diese jüng­sten medi­alen Pub­lika­tio­nen als Teil ein­er mit­tler­weile über zwei Jahre andauern­den und äußerst vielschichti­gen Kam­pagne gegen das Unternehmen, welche bish­er primär die Instru­men­tal­isierung ver­schieden­er Ermit­tlungs­be­hör­den ins­beson­dere mit Bezug auf wet­tbe­werbs- und exportrechtliche Vor­würfe zum Gegen­stand hatte. 

Nun wird mit der aktuellen Berichter­stat­tung erst­mals auch die tech­nis­che Rep­u­ta­tion und die Qual­ität der Pro­duk­te der Heck­ler & Koch GmbH ange­grif­f­en und sug­geriert, Heck­ler & Koch würde Pro­duk­te vertreiben, welche für den Gefecht­sein­satz nur bed­ingt oder gar nicht tauglich seien. Auch wird insofern von inter­essierten Kreisen offen­sichtlich ganz bewusst ein Zusam­men­hang mit kämpfend­en Trup­pen­teilen der Bun­deswehr in Afghanistan hergestellt. 

In Anbe­tra­cht der Tat­sache, dass sowohl Sol­datin­nen und Sol­dat­en der Bun­deswehr, aber auch die ver­bün­de­ter Natio­nen täglich Leib und Leben in Afghanistan und anderen gefährlichen Orten riskieren, ist eine inhaltlich der­art unsach­liche und in vie­len Details falsche Darstel­lung zynisch und geschmacklos. 

Zur Sache stellt die Heck­ler & Koch GmbH fest: 

1.) Das Gewehr G36 ist das Stan­dard-Stur­mgewehr der Deutschen Bun­deswehr, sowie zahlre­ich­er ver­bün­de­ter Natio­nen. Darüber hin­aus ist es bei über 30 weit­eren Natio­nen einge­führt. Ins­ge­samt wur­den in den ver­gan­genen 15 Jahren alleine für die Deutsche Bun­deswehr rund 180.000 Gewehre G36 unter Auf­sicht der örtlichen Güteprüf­stelle des Bun­de­samtes für Wehrtech­nik und Beschaf­fung (BWB) hergestellt, abgenom­men und an die Bun­deswehr geliefert. 

2.) Die Tech­nis­chen Lieferbe­din­gun­gen (TL) für das Gewehr G36, welche Bestandteil des Liefer­ver­trages zwis­chen der Heck­ler & Koch GmbH und dem BWB sind, sehen einen Präzi­sions­beschuss vor, welchen alle o. g. Waf­fen nach­weis­lich erfüllt haben. Diese TL enthält kein Abnahme-/Prüfkri­teri­um, welch­es eine spez­i­fizierte Tre­f­fleis­tung in extrem heißgeschossen­em Zus­tand (z. B. nach mehren hun­dert Schuss) vor­sieht, so dass das Gewehr G36 auch insofern ver­trags­gemäß geliefert wurde und kein Man­gel im Rechtssinne vor­liegt. Die Auf­stel­lung oder Ver­bre­itung der Behaup­tung, dass das Gewehr G36 hin­sichtlich der Tre­f­fleis­tung einen „Man­gel“ aufweise ist fol­glich rechtswidrig und wird durch die Heck­ler & Koch GmbH ziv­il- und strafrechtlich vor­be­halt­los ver­fol­gt werden. 

3.) Heck­ler & Koch liegt bis dato kein­er­lei for­male Rekla­ma­tion der Bun­deswehr in Bezug auf die Tre­f­fleis­tung des G36 in heißgeschossen­em Zus­tand vor, noch hat Heck­ler & Koch Ken­nt­nis davon, dass der Bund dies beab­sichtigt zu tun. 

4.) In über 10 Jahren Kampfein­satz der Bun­deswehr in Afghanistan ist Heck­ler & Koch keine einzige Beschw­erde der kämpfend­en Truppe im Bezug auf die Tre­f­fleis­tung des Gewehres G36 im heißgeschosse­nen Zus­tand bekan­nt gewor­den. Nach Ken­nt­nis von Heck­ler & Koch sind auch inner­halb der Bun­deswehr dies­bzgl. keine Beschw­er­den der kämpfend­en Truppe bekan­nt geworden. 

5.) Dass die o. g. TL kein Abnah­mekri­teri­um vor­sieht, welch­es eine Tre­f­fleis­tung im heißgeschosse­nen Zus­tand vor­sieht, ist in mehrfach­er Hin­sicht schlüs­sig, da es sich um eine waf­fen­tech­nis­che „Bin­sen­weisheit“ han­delt, dass aus physikalis­chen Grün­den – und somit her­stellerun­ab­hängig – bei entsprechend hoher Schusszahl oder extremen Beschusszyklen (extrem hoher Anteil von Dauer­feuer und/oder kurz­er Zeitraum) sich die Tre­f­fleis­tung jed­er Waffe verän­dert, d.h. in der Regel die Streu­ung zunimmt. Insofern ver­wun­dert es auch nicht, dass das ein­schlägige NATO-Regel­w­erk für die Erprobung von Hand­waf­fen AC225/D14 keine Test­proze­dur für die Tre­f­fleis­tung in heißgeschossen­em Zus­tand normiert, geschweige denn, dass das Beste­hen ein­er solchen (nicht exis­ten­ten) Prü­fung Voraus­set­zung für die Ein­führung eines Stur­mgewehres in einem NATO-Mit­gliedsstaat wäre. Darüber hin­aus ist der Heck­ler & Koch GmbH in ihrer über 60-jähri­gen Tätigkeit im behördlichen Hand­waf­fen­bere­ich, ins­beson­dere in der NATO, kein einziger Kunde bekan­nt gewor­den, welch­er ein der­ar­tiges Prüfkri­teri­um je aufgestellt hätte. Es ver­wun­dert vor diesem Hin­ter­grund umso mehr, dass ange­bliche waf­fen­tech­nis­che Experten das o. g., min­destens seit Ende des 19. Jahrhun­derts bekan­nte, Phänomen der Streukreisver­größerung bei extrem heißgeschossen­er Waffe über­haupt thematisieren. 

6.) Sofern sich Medi­en­berichte auf aktuelle Unter­suchun­gen der Bun­deswehr mit dem Gewehr G36 beziehen, ist festzustellen, dass Heck­ler & Koch wed­er die Doku­mente hierzu bish­er vor­liegen, noch bekan­nt ist, auf welch­er inter­nen Rechts­grund­lage die Bun­deswehr diese Unter­suchun­gen durchge­führt hat. Vielmehr muss Heck­ler & Koch auf­grund ver­schieden­er Indizien davon aus­ge­hen, dass der­ar­tige Infor­ma­tio­nen in schriftlich­er und/oder mündlich­er Form rechtswidrig und zumin­d­est unvoll­ständig von Einzelper­so­n­en aus dem Bere­ich der Bun­deswehr an die Medi­en weit­ergegeben wurden. 

7.) Bei der in den Medi­en­bericht­en genan­nten „Gebrauch­san­weisung“, welche ein Abkühlen der Waffe auf Hand­wärme nach 150 Schuss vor­sieht, kann es sich nur um die „Zen­trale Dien­stvorschrift“ der Bun­deswehr zum Gewehr G36 han­deln, welche schon seit rund 15 Jahren existiert. Die Schusszahl von 150 Schuss leit­et sich aus dem Umstand ab, dass zu jedem Gewehr G36 ins­ge­samt fünf Mag­a­zine zu je 30 Schuss (ins­ge­samt also 150 Patro­nen) geliefert wer­den und der Sol­dat auch mit diesen fünf Mag­a­zi­nen aus­gerüstet ist. 

8.) Das G36 ist ein Stur­mgewehr mit den Feuer­wahlmöglichkeit­en Einzel- und Dauer­feuer, wobei das G36 – wie alle Stur­mgewehre weltweit – bes­tim­mungs­gemäß über­wiegend im Einzelfeuer bzw. in kurzen Feuer­stößen zu nutzen ist. Die Anweisung an die Sol­dat­en Dauer­feuer bzw. (län­gere) Feuer­stöße weit­ge­hend zu ver­mei­den, dient nicht der Scho­nung des Gewehres G36, son­dern ist den Tat­sachen geschuldet, dass ein­er­seits — bed­ingt durch den Waf­fen­rück­stoß – im Dauerfeuer/Feuerstoß kein präzis­er Waf­fenein­satz mehr möglich ist und in der Folge tak­tisch nut­zlose Muni­tionsver­schwen­dung ein­tritt. So kamen u. a. im August 2008 in Afghanistan mehrere franzö­sis­che Sol­dat­en ums Leben, weil ihnen nach mehrstündi­gem Feuerge­fecht mit Tal­iban-Kräften ein­fach die Muni­tion aus­ging. Das Haushal­ten mit Muni­tion im Gefecht (Fach­be­griff sog. „Feuerzucht“), konkret die Ver­mei­dung von tak­tisch unnötigem Dauer­feuer, ist somit für unsere Sol­dat­en eine zwin­gende Notwendigkeit zur Erhal­tung der sog. „Durch­hal­te­fähigkeit“ und in vie­len Fällen schlicht eine Frage des Über­lebens. Dies gilt ins­beson­dere dann, wenn unsere Trup­pen länger in Kampfhand­lun­gen ver­wick­elt sind oder sich die Unter­stützung durch schwere Waf­fen verzögert bzw. ganz unterbleibt, etwa um Kol­lat­er­alschä­den durch Bomben oder Artillerie zu vermeiden 

9.) Das Gewehr G36 ist ein Stur­mgewehr und kein Präzi­sion­s­gewehr, weist jedoch für ein Stur­mgewehr eine sehr gute Tre­f­fleis­tung auf. Unab­hängig hier­von erhöht Dauer­feuer das Risiko von Kol­lat­er­alschä­den – ger­ade auf größere Ent­fer­nun­gen ab 100m – unter der Zivil­bevölkerung durch die erhöhte (rück­stoßbe­d­ingte) Waf­fen­streu­ung mas­siv und kann daher für Sol­dat­en entsprechende strafrechtliche Kon­se­quen­zen (z. B. wg. fahrläs­siger Köper­ver­let­zung bzw. Tötung etc.) nach sich ziehen. Für Ein­satzent­fer­nun­gen jen­seits der 300m hat die Bun­deswehr in den ver­gan­genen bei­den Jahren beson­dere Präzi­sion­s­gewehre vom Typ G3ZF-DMR und G28 im leis­tungsstärk­eren Kaliber 7.62mm NATO beschafft. Darüber hin­aus ist es nach Ken­nt­nis der Heck­ler & Koch GmbH inzwis­chen gängige Ein­satzprax­is der Bun­deswehr, Waf­fen in Kaliber 5.56mm NATO (wie das G36) bis max­i­mal 300m Kampfent­fer­nung einzuset­zen. Es ist somit gle­ich in mehrfach­er Hin­sicht sach­lich vol­lkom­men ver­fehlt, die Tre­f­fleis­tung des G36 auf Ent­fer­nun­gen über 300m zu thematisieren. 

10.) Das Gewehr G36 kann im Not­fall sog­ar als leicht­es Maschi­nengewehr mit Mag­a­z­inzu­fuhr einge­set­zt wer­den und war bis zur Ein­führung des MG4 mit Gurtzuführung in der Bun­deswehr unter der Beze­ich­nung MG36 sog­ar als solch­es einge­set­zt. In min­destens einem Fall hat das G36 in einem Gefecht in Afghanistan ein durch Fein­dein­wirkung aus­ge­fal­l­enes MG4 erset­zt und diese Rolle bis zum Ende dieses Gefechts voll erfüllt. Heute wird das G36 in der Bun­deswehr auss­chließlich als Stur­mgewehr einge­set­zt, da es eine Mag­a­z­inzu­fuhr aufweist, während reine Maschi­nengewehre wie das MG3 und das MG4 über eine Gurtzuführung/höheren Muni­tionsvor­rat ver­fü­gen und daher die tak­tis­che Rolle der „reinen Dauer­feuer­waf­fen“ in der Infan­teriegruppe auss­chließlich besetzen. 

11.) Sofern die Tre­f­fleis­tung des G36 auf Kampfent­fer­nun­gen bis 300m the­ma­tisiert wird, sind Aus­sagen oder ein­satz­tak­tis­che Wun­schvorstel­lun­gen aus physikalisch bzw. waf­fen­tech­nisch zwin­gen­den Grün­den immer in Abhängigkeit von den Para­me­tern Muni­tion­styp, Schusszahl und Beschusszyk­lus zu for­mulieren. Ins­beson­dere ist die Angabe ein­er bloßen Schusszahl ohne die gle­ichzeit­ige Nen­nung des Beschusszyk­lus (Verteilung von Einzel- und Dauer­feuer in Abhängigkeit von einem definierten Zeitraum, in welchem die Schüsse abgegeben wer­den) tech­nisch ver­fehlt und somit let­ztlich auch ein­satz­tak­tisch nut­z­los, weil jegliche tech­nis­che Ver­gle­ich­barkeit fehlt. 

12.) Unab­hängig hier­von ist die The­ma­tisierung der Tre­f­fleis­tung eines Stur­mgewehres nach Abgabe mehrerer hun­dert Schuss in kürzester Zeit (wenige Minuten) schon deshalb sinn­los, weil der Sol­dat dann in der Regel alle Muni­tion ver­braucht hat bzw. das Hitze­flim­mern (sog. „Eigen­mi­rage“), des Waf­fen­rohres so stark ist dass ihm die Ziel­er­fas­sung schon rein optisch mas­siv erschw­ert bis unmöglich ist. 

13.) Es ist eine Tat­sache, dass zahlre­iche deutsche und alli­ierte Sol­dat­en dem Gewehr G36 und vie­len anderen einge­set­zten Hand­waf­fen­sys­te­men aus dem Hause Heck­ler & Koch ihr Leben ver­danken und all­ge­mein bei der Truppe ein sehr großes Ver­trauen in die Zuver­läs­sigkeit und Präzi­sion von Heck­ler & Koch-Pro­duk­ten auch unter widrig­sten Bedin­gun­gen besteht. 

Die Heck­ler & Koch GmbH ist Bestandteil der west­lichen Sicher­heitsin­fra­struk­tur, ins­beson­dere der NATO- und NATO-alli­ierten Natio­nen. Täglich ver­richt­en bei Heck­ler & Koch mehr als 700 Frauen und Män­ner ihre Arbeit, um Men­schen, die täglich ihr Leben Heck­ler & Koch–Waffen anver­trauen, Pro­duk­te zur Ver­fü­gung zu stellen, die im Rah­men des tech­nisch Mach­baren unter allen Gefechts­feldbe­din­gun­gen max­i­male Zuver­läs­sigkeit und Präzi­sion gewährleisten. 

Source:
Heck­ler & Koch 

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