Russland — Zwischenfall eines nukleargetriebenen U‑Bootes

Noch nie hat es einen Zwis­chen­fall mit einem sow­jetis­chen / rus­sis­chen nuk­lear­getriebe­nen U‑Boot gegeben, bei dem die rus­sis­che Marine von Beginn an alle Fak­ten auf den Tisch gelegt hat.

Immer wur­den Infor­ma­tio­nen nur mit erhe­blich­er Verzögerung „preis­gegeben“, schlechte Nachricht­en ver­schwiegen oder geschönt, bisweilen sog­ar ver­sucht, durch hem­mungslose Lügen zu beschwichti­gen. So kann denn auch nicht ver­wun­dern, dass Medi­en jede offizielle Berichter­stat­tung zu solchen Zwis­chen­fällen kri­tisch hin­ter­fra­gen und sich immer auch sofort Gerüchte über das Inter­net verbreiten. 

Marineforum - Feuer auf YEKATERINBURG (Foto: offz)
Feuer auf YEKATERINBURG (Foto: offz)

Einen neuer­lichen Zwis­chen­fall hat es kurz vor dem Jahreswech­sel gegeben. Am 29. Dezem­ber brach im Trock­endock PD-50 des Marine­in­stand­set­zungs­be­triebes in Roslyako­vo (bei Mur­man­sk) ein Feuer aus. In diesem Dock lagen nebeneinan­der zu dieser Zeit der FK-Zer­stör­er ADMIRAL KULAKOV und das strate­gis­che U‑Boot YEKATERINBURG der DELTA-IV-Klasse. Das U‑Boot hat­te am 8. Dezem­ber eine rou­tinemäßige „kleine Instand­set­zung“ begonnen – nach plan­mäßiger Wartung (nach Seefahrt) die niedrig­ste der drei Instand­set­zungsstufen, wobei die „kleine Instand­set­zung“ von der Marine selb­st (Arse­nal­be­trieb), gele­gentlich auch mit Werf­tun­ter­stützung durchge­führt wird, „mit­tlere“ und „große“ Instand­set­zung dann bei der Bauw­erft (für DELTA-IV in der Regel bei Zvez­dochka in Severod­vin­sk) erfolgen. 

Marineforum - Loch in der YEKATERINBURG (Foto: Blogger51)
Loch in der YEKATERINBURG (Foto: Blogger51) 

Durch „Ver­stoß gegen Sicher­heits­bes­tim­mungen“ (unsachgemäßes Schweißen) geri­et das um die YEKATERINBURG errichtete Holzgerüst in Brand. Die Flam­men grif­f­en schnell auf die gum­mi­ar­tige Anti-Sonar Beschich­tung des U‑Bootrumpfes über. Die Brand­bekämp­fung gestal­tete sich außeror­dentlich schwierig; offen­bar fraßen sich die Flam­men (wie bei einem Moor­brand) unter der Gum­mis­chicht immer weit­er fort. Zwis­chen­zeitlich wurde sog­ar erwogen, das Dock zu fluten, um das U‑Boot teil­weise unter Wass­er zu set­zen und so den Brand zu erstick­en. Ob diese (angesichts des im gle­ichen Dock direkt neben dem U‑Boot liegen­den Zer­stör­er sich­er schwierige) Maß­nahme dann tat­säch­lich ergrif­f­en wurde, ist unklar. Auf keinem der veröf­fentlicht­en Fotos ist dies zu erken­nen, und auch in den Pressemel­dun­gen der rus­sis­chen Marine find­et sich kein Hinweis. 

Am Mor­gen des 30. Dezem­ber war der Brand unter Kon­trolle; einige Stun­den später gelöscht. Neun bei der Brand­ab­wehr einge­set­zte Per­so­n­en erlit­ten Rauch­gasvergif­tun­gen; Radioak­tiv­ität wurde nicht frei geset­zt. Die achtern im U‑Boot und weit vom Brand­herd ent­fer­nt liegen­den zwei Reak­toren waren vor dem Ein­dock­en herunter gefahren wor­den. Muni­tion (Raketen, Tor­pe­dos) waren – so die rus­sis­che Marine – rou­tinemäßig vor dem Ein­dock­en von Bord genom­men wor­den. Eben­falls nach Angaben der rus­sis­chen Marine war „das Innere der YEKATERINBURG zu kein­er Zeit gefährdet”; das Feuer habe sich auf die Beschich­tung der Außen­hülle beschränkt. Es habe nicht ein­mal die Notwendigkeit bestanden, alle Besatzungsmit­glieder zu evakuieren. Zum Schaden­sum­fang hieß es, etwa 150 qm der Gum­mibeschich­tung seien zer­stört sowie vielle­icht auch hydroakustis­che Anla­gen im Bug­bere­ich in Mitlei­den­schaft gezo­gen. Soll­ten let­ztere erset­zt wer­den müssen, könne die Reparatur bis zu ein Jahr dauern. 

Dies alles mag dur­chaus der Wahrheit entsprechen, aber es klang so sehr nach den üblichen Beschwich­ti­gun­gen, dass erste Gerüchte nicht lange auf sich warten ließen. Schon am 30. Jan­u­ar machte die erste “Sto­ry” die Runde: in den Tor­pe­dorohren am Bug hät­ten sich noch vier Tor­pe­dos befun­den; drei habe man rechtzeit­ig bergen kön­nen, die vierte habe sich allerd­ings verkeilt und hätte während des gesamten Zwis­chen­falls zu explodieren gedro­ht. Nun wer­den rou­tinemäßig bei allen Mari­nen (und nach diversen Zwis­chen­fällen sich­er auch bei der rus­sis­chen Marine) Waf­fen und Muni­tion vor einem Ein­dock­en von Bord gegeben. Man kann davon aus­ge­hen, dass diese Geschichte frei erfun­den ist. Sie wurde denn auch nicht weit­er verbreitet. 

Am 3. Jan­u­ar fol­gte dann das näch­ste Gerücht. Ein rus­sis­ch­er Inter­net-Blog­ger behauptete, das Feuer sein nicht außer­halb, son­dern inner­halb der YEKATERINBURG ent­standen. Ein von ihm veröf­fentlicht­es Foto zeigt den Back­bord-Bug­bere­ich des U‑Bootes mit einem mehrere Meter durchmessenden, in den Rumpf geschnit­te­nen Loch. Die den Arse­nal­be­trieb bei der Instand­set­zung der YEKATERINBURG unter­stützende Werft Zvez­dochka erk­lärte, man habe eine im Bug­bere­ich — unter der Rumpfverklei­dung aber außer­halb des Druck­kör­pers – instal­lierte Sonaran­lage zur Reparatur teil­weise aus­ge­baut, wider­sprach aber der Behaup­tung, der Brand habe hier seinen Aus­gang genom­men. Ob nun Zvez­dochka und die rus­sis­che Marine, oder der rus­sis­che Inter­net-Blog­ger Recht haben, lässt sich nicht über­prüfen. Auch die „Bewe­is­fo­tos“ geben hier keinen Auf­schluss. Den­noch über­nah­men mehrere Inter­net­foren sofort die Geschichte, die sich dann auch schnell in die inter­na­tionalen Presse ver­bre­it­ete und schließlich sog­ar aufgeregte Anfra­gen nord-nor­wegis­ch­er Behör­den an die rus­sis­che Marine generierte. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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