In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Novosti hat Marinebefehlshaber Admiral Vladimir Vysotsky ausführlich zu materiellen Planungen der russischen Marine Stellung genommen.
IVAN GREN (Grafik: Nevskoye) |
Ein bis zum Juni zu erarbeitender “30-Jahre Schiffbauplan” soll alle gegenwärtigen Defizite der Flotte beseitigen, sie zukunftsfähig machen und international konkurrenzfähig auf die Weltmeere zurück bringen. Schon bis 2020 will die Marine mit Investition von insgesamt fast 130 Mrd. Euro neben den vier Hubschrauberträgern der MISTRAL-Klasse 14 neue Fregatten, 35 neue Korvetten, sechs weitere „Artillerieschiffe“ der BUYAN-Klasse und sechs neue große Landungsschiffe der IVAN GREN-Klasse in Dienst stellen. Das Typschiff dieser 5.000 ts großen Schiffe ist seit fast acht Jahren bei der Kaliningrader Yantar-Werft im Bau und offenbar noch immer nicht zu Wasser; es soll in diesem Jahr mit ersten Probefahrten beginnen. Die Absicht, in den kommenden nur acht Jahren gleich weitere sechs dieser Schiffe zur Flotte zu bringen, klingt „sehr ambitiös“. Noch in diesem Jahr sollen die Weichen für den Bau eines neuen Zerstörers gestellt werden. Bis 2014 will man das Basisdesign für einen neuen Flugzeugträger erstellt haben; der Bau könnte dann „nach 2020“ beginnen.
Besonders ausführlich ging der Admiral auf die U‑Boote ein. So sind statt bisher acht nun zehn mit strategischen Flugkörpern Bulava bestückte neue U‑Boote der BOREJ-Klasse geplant. Typboot YURI DOLGORUKIY und das zweite Boot ALEXANDER NEVSKIY sollen noch in diesem Sommer in Dienst gestellt werden, das dritte Boot VLADIMIR MONOMAKH noch in diesem Jahr vom Stapel laufen. Alle derzeit in Dienst befindlichen strategischen U‑Boote der DELTA-IV-Klasse werden auf den neuen Flugkörper „Lijner“ (SS-N-23 Variante) umgerüstet. Die beiden alten U‑Boote SEVERSTAL und ARKHANGELSK der TYPHOON-Klasse sollen noch einige Jahre in Dienst gehalten werden. Man habe für ihre Bestückung noch ausreichend strategische Flugkörper SS-N-20 im Depot. Ganz offenbar ist Russland — mit Blick auf das amerikanische Raketenabwehrprogramm — daran gelegen, die im START-Abkommen festgelegten Obergrenzen für seegestützte nuklear bestückte Flugkörper möglichst voll auszuschöpfen. Das dritte U‑Boot der TYPHOON-Klasse, DMITRIY DONSKOY, soll dagegen weiterhin bei der Erprobung und Weiterentwicklung von Bulava genutzt werden.
Das 1992 auf Kiel gelegte U‑Boot BELGOROD der OSCAR-II-Klasse soll jetzt fertig gebaut werden. Nach der Havarie des Schwesterbootes KURSK (August 2000) war ein Baustopp verfügt worden. Im Gegensatz zu den in Dienst befindlichen anderen OSCAR-II soll die BELGOROD „für eine Vielzahl von Spezialeinsätzen“ ausgerüstet werden. Dahinter könnte die Absicht stehen, das Boot (wie bei der US Navy vier U‑Boote der OHIO-Klasse) zur Plattform für mehr als 100 Marschflugkörper und Special Forces Operations zu konfigurieren. Von den neuen Angriffs-U-Booten der YASEN-Klasse sollen ebenfalls zehn Einheiten beschafft werden.
U‑Boot der OSCAR-II-Klasse (Foto: russ. Marine) |
Bei den konventionell angetriebenen U‑Booten konzentriert sich die Planung auf die moderne Variante 636.3 der bewährten KILO-II-Klasse. Allein die Schwarzmeerflotte soll bis 2017 schon sechs dieser neuen Boote erhalten; die ersten sind in Bau. Für die LADA-Klasse wird es keine Zukunft geben. Die auf dem Typboot ST. PETERBURG installierte “neuartige” Antriebsanlage hat die Erwartungen deutlich verfehlt. Zwei in Bau befindliche weitere Boote dieses Typs sind nicht mehr für den operativen Dienst vorgesehen, könnten aber (ab 2014) als Erprobungsträger für einen derzeit in der Entwicklung befindlichen außenluft-unabhängigen Antrieb genutzt werden.
Vieles der Ankündigungen des Admirals gleicht den vollmundigen — und nie auch nur entfernt zu haltenden — Versprechungen der früheren Sowjetmarine. Einiges klingt auch sehr nach Wahlkampf, zumal immer wieder auch das Engagement von (noch) Ministerpräsident Putin bei der Stärkung der Streitkräfte hervorgehoben wird. In die Kategorie „Wahlkampf“ passt sicher auch die Erklärung des für die Rüstung zuständigen stellvertretenden Verteidigungsministers Rogozin zu den heimischen Werftkapazitäten: der russische Kriegsschiffbau werde zügig zu alter (sowjetischer) Stärke zurück finden, ja diese sogar noch übertreffen; schon in wenigen Jahren würden russische Werften die Flotte mit jährlich sechs neuen U‑Booten und einem Flugzeugträger beliefern können.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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