In einer aktuellen Statistik stellt das International Maritime Bureau (IMB) für das erste Quartal 2010 einen Rückgang von Piratenangriffen um weltweit 34 Prozent fest. Vor allem im von internationalen Seestreitkräften patrouillierten Golf von Aden seien die Angriffe deutlich zurückgegangen (noch 17 gegenüber 41 im Vorjahr). Ein Ende der von somalischen Küsten ausgehenden Piraterie sei allerdings nicht in Sicht. Von den weltweit bisher in 2010 gemeldeten 67 Entführungen gingen noch immer mehr als die Hälfte auf das Konto somalischer Piraten. Das IMB stellt überdies fest, dass die somalischen Piraten ihre „Operationen“ zunehmend anpassen. Immer weiter weichen sie auf nicht permanent zu patrouillierende Seegebiete im Somaliabecken und im offenen Indik aus und beziehen die Küstengebiete vor Oman, Kenia, Tansania, und den Seychellen bis hin nach Madagaskar in ihre Aktionen ein.
VOC DAISY Bildquelle: EU NavFor |
So wurden am 18. April gleich drei thailändische Fischereifahrzeuge mit insgesamt 77 Mann Besatzung fast 1.200 sm von der somalischen Küste entfernt gekapert – weit entfernt von den Einsatzgebieten der Kriegsschiffe. Ebenfalls weitab Somalia – 120 sm südöstlich von Salalah, Oman — kaperten somalische Piraten am 21. April den liberianischen (Flagge: Panama) Frachter VOC DAISY (47.000 dwt Bulk Carrier) mit 21 Filipinos als Besatzung. Das Schiff war auf dem Weg zum Suezkanal und hatte sich bereits für eine gesicherte Konvoipassage durch den Golf von Aden angemeldet, aber schon auf dem Weg zum Treffpunkt — und noch einige hundert Meilen davon entfernt — schlugen die Piraten zu.
Am 22. April meldeten iranische staatliche Medien die erfolgreiche Abwehr eines Piratenangriffes auf einen 300.000 ts Supertanker. „15 Skiffs“ hätten das voll beladene Schiff angegriffen, seien aber von der zu Hilfe gerufenen iranischen Marine zurückgeschlagen worden. Die berichtete Anzahl der Skiffs ist sicher weit überzogen und dürfte – in ortsüblicher Übertreibung – vor allem dazu dienen, heroische Aspekte des Anti-Piraterieeinsatzes der iranischen Marine gegenüber der eigenen Bevölkerung hervorzuheben. Wie bei ähnlichen früheren Erfolgsmeldungen scheinen aber auch diesmal alle Piraten unversehrt entkommen zu sein. Von einer Verfolgung oder Zerstörung von Skiffs oder gar Festnahme von Piraten ist keine Rede.
Auch in der Türkei konzentriert sich Medienberichterstattung vornehmlich auf Erfolgsmeldungen. So fand am 18. April eine Presseerklärung des türkischen Verteidigungsministeriums über das Entdecken und Aufbringen einer mutmaßlichen Piratengruppe durch die türkische Fregatte GELIBOLU (CTF-151) viel Beachtung. Stolz wurde berichtet wie das türkische Schiff im Somaliabecken die Boote entdeckte, stoppte, Ausrüstung beschlagnahmte, zwei Skiffs versenkte und 13 Männer „festnahm“.
GELIBOLU Boardingteam mit Piratenbooten Bildquelle: NATO |
Damit endete die Berichterstattung in den Medien dann aber auch schon. Nicht mehr erwähnt wurde, dass die 13 mutmaßlichen Piraten sofort wieder auf ihr Mutterschiff entlassen wurden und mit diesem die Rückreise an die somalische Küste antreten durften, und dies mit guten Gründen. Es gab keinerlei Beweise für eine bereits begangene Straftat, Strafverfolgung unter türkischem Recht kam nicht in Frage, und ein Auslieferungsabkommen mit regionalen Staaten hat die Türkei ohnehin nicht.
Noch einige weitere Angriffe wurden in der abgelaufenen Woche gemeldet, die aber sämtlich fehlschlugen. Meist konnten die angegriffenen Schiffe durch Fahrterhöhung, Ausweichmanöver und andere Abwehrmaßnahmen die Kaperung vermeiden.
SOMME Bildquelle: franz. Marine |
In einem Fall haben sich Piraten aber auch mal wieder gehörig „vertan“. Am 19. April hielten sie 400 sm vor der somalischen Küste den französischen Marine-Versorger SOMME für lukrative (zivile) Beute und griffen beherzt an. Erst als ihr Beschuss erwidert wurde, bemerkten sie ihren Fehler, versuchten noch zu entkommen, wurden aber gestellt. Ihr Mutterschiff wurde zerstört, ein Skiff und Piratenausrüstung an Bord der SOMME genommen und die insgesamt sechs Piraten interniert. Ihnen droht wie in ähnlichen früheren Fällen die Übergabe an die Behörden der semiautonomen Region Puntland und die dortige schnelle Aburteilung. Im Oktober 2009 hatten somalische Piraten schon einmal die SOMME für lohnende Beute gehalten; auch sie waren damals festgenommen und anschließend in Puntland übergeben worden.
Die zehn von der niederländischen Fregatte TROMP beim Überfall auf das deutsche Containerschiff TAIPAN festgenommenen und anschließend in die Niederlande geflogenen Piraten warten auf ihre Auslieferung nach Deutschland, wo sie in Hamburg vor Gericht gestellt werden sollen. Das Auslieferungsverfahren könnte sich allerdings einige Monate hinziehen. Die Strafverteidiger der mutmaßlichen Piraten haben offiziell Widerspruch gegen die Auslieferung eingelegt. Elf nach versehentlichen Angriffen auf US Kriegsschiffe (Fregatte NICHOLAS, Docklandungsschiff ASHLAND) wurden am 22. April in die USA geflogen. Sie werden in Norfolk, Virginia (Standort der angegriffenen Schiffe) vor Gericht gestellt.
In den kommenden Tagen sind weitere Piratenüberfälle zu erwarten. Das Wetter ist nach wie vor gut, die See auch im Somaliabecken ruhig. Die bevorstehende Vollmondphase dürfte bei klarer Sicht zusätzlich noch zu Nachtangriffen ermuntern.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die niederländische Fregatte TROMP hat am 17. April ihren Einsatz bei der EU NavFor beendet und den Rückmarsch in die Heimat angetreten. Sie wurde vom Docklandungsschiff JOHAN DE WITT abgelöst. Zur EU NavFor ist auch die griechische Fregatte ELLI gestoßen. Die spanische Fregatte NAVARRA hat ihren Anti-Piraterieeinsatz bei der EU NavFor am 21. April mit dem Einlaufen im Heimathafen Rota beendet.
Ein portugiesischer Seefernaufklärer P‑3P Orion ist auf den Seychellen eingetroffen. Gemeinsam mit Flugzeugen aus Schweden und Luxemburg soll das Flugzeug in den kommenden vier Monaten abgestützt auf den Flugplatz der Seychellen-Hauptstadt Victoria die Möglichkeiten der EU NavFor zur weiträumigen Seeraumüberwachung (Identifizierung und vorbeugende Neutralisierung von Piratengruppen) erweitern.
GANG GAM CHAN neues CTF-151 Flaggschiff Bildquelle: Michael Nitz |
In einer Kommandoübergabefeier an Bord des südkoreanischen Zerstörers GANG-GAM CHAN (Typ KDX-II) hat der südkoreanische RAdm Lee Beom-rim am 21. April für die kommenden drei Monate die Führung der multinationalen Combined Task Force 151 vom singapurschen RAdm Bernard Miranda übernommen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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