Update Piraterie
Der Schwerpunkt der Piratenaktivitäten der abgelaufenen Woche lag aber einmal mehr abseits des Golfes von Aden, teils sehr weit entfernt. In der Nähe der somalischen Küste (vor Eyl) wollen Piraten nach eigenen Angaben am 31. Oktober ein jemenitisches Fischereifahrzeug gekapert haben. Eine Bestätigung dafür steht allerdings noch aus. Fischereifahrzeuge wurden schon des Öfteren entführt, allerdings nicht zur Erpressung von Lösegeld, sondern um — mit ihrer Besatzung als Geisel — sie als Mutterschiffe für weitere Überfälle zu nutzen. Zwischen den Seychellen und der somalischen Küste griffen Piraten am gleichen Tag den französischen Thunfischfänger AVEL VAD an, brachen ihr Vorhaben nach Warnschüssen eingeschiffter französischer Soldaten allerdings schnell ab.
Mutiger waren dagegen mutmaßliche Piraten am 1. November vor der Küste von Puntland. Das Boardingteam der mit dem Geleit von Schiffen des World Food Programms beauftragten norwegische Fregatte FRITJOF NANSEN (EU NavFor) hatte ohne auf Probleme zu stoßen drei Dhaus inspiziert und wollte dies nun auch bei einer vierten tun, als es von dort beschossen wurde.
Norwegische FRITJOF NANSEN Bildquelle: RNoN |
Die norwegischen Soldaten erwiderten das Feuer, zogen sich in sichere Entfernung zurück und kehrten schließlich auf ihr Schiff zurück (Fortsetzung des Geleitauftrages). Eine Verfolgung der mutmaßlichen Piraten gab es (mit Rücksicht auf Territorialgewässer?) nicht. Aus Puntland hieß es später, die Norweger hätten zwei „Fischer“ getötet und weitere vier verletzt. Warum harmlose Fischer allerdings mit automatischen Waffen ihrem Gewerbe nachgehen und plötzlich auf im Anti-Piraterieeinsatz befindliche Soldaten das Feuer eröffnen, wurde nicht näher erläutert.
Weitere Überfälle konzentrierten sich auf die offenen Seegebiete des Indik. 350 sm östlich von Mombasa (Kenia) griffen Piraten in zwei Skiffs am 2. November zunächst den US Frachter HARRIETTE an, konnten aber nicht an Bord gelangen. Wenige Stunden später versuchte die vermutlich gleiche Piratengruppe mit drei Skiffs einen Angriff auf den niederländischen Tanker JO CEDAR, der sich ebenfalls mit Ausweichmanövern retten konnte. Die deutsche Fregatte KARLSRUHE (EU NavFor) wurde sofort in das Gebiet beordert, um die dortige „Piratenbedrohung zu neutralisieren“. Die KARLSRUHE konnte am 3. November auch ein verdächtiges Skiff stoppen, dessen vier Insassen bei Erscheinen des Kriegsschiffes sofort Gegenstände über Bord warfen und dann behaupteten, einfache Fischer zu sein (Netze oder anderes Fischfanggerät fanden sich jedoch nicht). Für Piraterie geeignete Ausrüstung wurde konfisziert, danach die Männer mit ihrem Skiff mangels Beweisen wieder frei gelassen. Sie sind nun für einige Tage aus dem Verkehr gezogen, müssen zur Wiederausrüstung wohl erst zum weit entfernten Heimatstützpunkt zurück kehren (sofern sie nicht von einem Mutterschiff „nachversorgt“ werden).
Erfolgreicher waren Piraten am 5. November. 500 sm südlich von Mogadischu kaperten sie den 53.600 ts großen griechischen (Flagge: Marshall Islands) Bulk Carrier DELVINA samt 21 Mann Besatzung. Das Schiff wird jetzt nach Norden in Richtung somalische Küste gesteuert.
Die EU betrachtet die Entwicklung abseits des Golfes von Aden, wo die Lage durch massive Präsenz von Seestreitkräften inzwischen weitgehend unter Kontrolle scheint, mit zunehmender Sorge. Der Vorsitzende des EU Military Committee sprach am 4. November von der Notwendigkeit, den Marineeinsatz im Somaliabecken deutlich auszuweiten. Zur Zeit habe man hier drei oder vier Fregatten im Einsatz; im kommenden Jahr werden man in den riesigen Seegebieten sicher bis zu zehn Schiffe benötigen.
In Peking hat am 6. November eine zweitägige Konferenz begonnen, auf der praktisch sämtliche am Horn von Afrika im Kampf gegen Piraterie engagierten Staaten und Organisationen – von EU und NATO bis hin zu Russland, Japan, Indien und natürlich China – über Möglichkeiten einer besseren Koordination ihrer Operationen beraten wollen. Nach der Entführung des chinesischen Frachters DE XIN HAI (19 Okt) hatte China bereits vorgeschlagen, den Golf von Aden in Zuständigkeitsgebiete aufzuteilen. Konvois würden dann von Gebiet zu Gebiet übergeben („partitioned escort“) und bräuchten nicht mehr aufwändig durch den gesamten Golf von Aden geleitet werden. Dies würde den Einsatz nicht nur effektiver und kostengünstiger machen, sondern könnte vor allem auch Mittel zu Operationen abseits des Golfes von Aden im offenen Indik frei setzen.
Nicht unerwartet, hat die spanische Regierung dem nach diversen Angriffen und der Entführung der ALAKRANA zunehmenden öffentlichen Druck zu einem besseren Schutz der Thunfischfangflotte nachgegeben. Am 30. Oktober wurde ein Gesetz verabschiedet, das „spanischen Schiffen außerhalb spanischer Gewässer“ die „Einschiffung von Sicherheitspersonal“ (von Soldaten ist – noch –nicht die Rede) gestattet. Erlaubt sei dabei der Einsatz von Waffen, die „effektiv geeignet sind, Angriffe zu verhindern und die Schiffe zu schützen“.
Die deutsche Regierung soll am 2. November entschieden haben, die am 27. Oktober von der Fregatte KARLSRUHE nach einem Angriff auf einen französischen Thunfischfänger festgesetzten sieben mutmaßlichen Piraten zur Strafverfolgung an ein anderes Land auszuliefern. Mögliche Optionen sind Frankreich, Kenia oder die Seychellen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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