Während Piraten am 24. April den im Januar gekaperten jemenitischen Frachter SEA PRINCESS II nach vermutlich Zahlung von Lösegeld frei ließen, sah auch die abgelaufene Woche wieder eine ganze Reihe von Piratenüberfällen.
Zunächst schien es, als ob sie sämtlich scheitern würden. Am 2. Mai erklärten Piraten dann aber, sie hätten ein ukrainisches Schiff mit u.a. Fahrzeugen für die UN in ihrer Gewalt. Eine offizielle Bestätigung bzw. weitere Details gab es bei Redaktionsschluss für diesen Beitrag noch nicht. Bestätigt ist dagegen die Kaperung des britischen (oder griechischen?) Frachters ARIANA. Das Schiff mit 24 Ukrainern als Besatzung und 35.000 t Soja als Ladung fiel etwa 250 sm nordwestlich der Seychellen in die Hände der Piraten und wird jetzt zur somalischen Küste gesteuert. Ein Seefernaufklärungsflugzeug der EU Operation Atalanta verfolgt seinen Kurs und soll vermutlich auch Kriegsschiffe heranführen.
Zuvor konnte am 24. April der türkische Frachter ARIVA 3 vor der jemenitischen Küste einen Enterversuch abwehren. Gleich drei mal konnte sich die italienische JOLLY SMERALDO etwa 300 sm östlich von Mogadishu durch Ausweichmanöver retten. Am 27. April konnte der unter russischer Flagge fahrende Tanker COMMANDER im Osteingang des Golfes von Aden durch Ausweichmanöver und Einsatz von Feuerlöschschläuchen einen Überfall abwehren, und am gleichen Tag verhinderte angeblich die Einsatzgruppe der chinesischen Marine, dass Piraten den gerade erst frei gelassenen philippinischen Tanker STOLT STRENGTH erneut kapern konnten.
Drei Vorfälle belegen — endlich — einen grundsätzlichen Sinneswandel in der internationalen Gemeinschaft, sich bei der Bekämpfung von Piraten nicht mehr mit bloßer Abschreckung zu begnügen, sondern die Verbrecher auch gezielt zu verfolgen und festzusetzen.
Bildquelle: span. Marine |
Nach dem versuchten Überfall auf das italienische Kreuzfahrtschiff MELODY (25. April) übernahm der spanische Flottenversorger MARQUES DE LA ENSENADA das Geleit des Passagierschiffes, während die Fregatte NUMANCIA, das indische OPV NIRDESHAK und eine französische Fregatte sich auf die Suche nach den Piraten machten. Sie konnten nach mehreren Stunden nordwestlich der Seychellen deren Mutterschiff stellen. Neun Piraten wurden festgenommen und den Behörden auf den Seychellen übergeben.
Auf den versuchten Überfall auf den Tanker COMMANDER reagierte der russische Zerstörer ADMIRAL PANTELEYEV und konnte eingreifen, als die Piraten am 28. April versuchten auch noch ein anderes russisches Schiff zu kapern. 15 Meilen vor der somalischen Küste wurde das Mutterschiff gestellt. Als die Piraten nach Warnschüssen den Versuch machten, sich zu wehren, wurde gezielt zurück geschossen; ein Einsatzkommando stürmte das Piratenschiff und nahm 29 Männer fest, deren Schiff schließlich „sank“. Derzeit wird überlegt, was mit den Verbrechern geschehen soll. Da ihr Angriff einem russischen Schiff galt, wird neben Übergabe einen regionalen Staat (im Gegensatz zu EU Operation Atalanta besteht kein Abkommen mit Kenia) auch eine Strafverfolgung in Russland erwogen.
„Pech“ hatten schließlich auch Piraten vor der jemenitischen Küste. Nachdem sie am 26. April den Tanker QANA gekapert hatten, entschloss sich der Jemen zu einer Befreiungsaktion. Am 27. April stürmten Kommandotruppen das Schiff zehn Meilen vor der jemenitischen Küste, töteten drei Piraten und nahmen die anderen elf fest.
Am 30. April stieß die französische Fregatte NIVOSE auf ein Mutterfahrzeug von Piraten, in dem drei Männer offenbar auf die Rückkehr ihrer zu einem Raubzug ausgezogenen Kumpane warteten. Sie wurden festgenommen. Obwohl im Boot Gegenstände eines im März gekaperten (und inzwischen wieder frei gelassenen) Schiffes gefunden wurden, konnten die Männer aus Mangel an Beweisen nicht festgehalten werden. Sie wurden sogar mit Wasser und Lebensmitteln versorgt und wieder auf ihr Fahrzeug gelassen. Nicht so viel Glück hatten dagegen die am 18. April von der niederländischen Fregatte DE ZEVEN PROVENCIEN festgenommenen neun Piraten. Auch sie mussten (nach niederländischem Recht) zwar wieder frei gelassen werden, aber die Fregatte setzte sie an der Küste von Somaliland ab, wo sie sofort von lokalen Behörden ergriffen wurden. Schon am 24. April wurden sie von einem örtlichen Gericht zu Haftstrafen zwischen 15 und 20 Jahren verurteilt.
Problem war vor allem, dass die niederländische Fregatte als Teil des NATO-Einsatzverbandes SNMG‑1 operierte, und für sie damit nicht die für EU Operation Atalanta vereinbarten Rules of Engagement (incl. Auslieferungsabkommen mit Kenia) galten. Bei der NATO stößt die offensichtliche Lücke in den Rules of Engagement inzwischen auf deutlichen Unwillen; nicht zuletzt beschert sie dem Einsatz der SNMG‑1 ein negatives Medienecho. Die politische Leitung in Brüssel hat denn auch die an den Anti-Piraterieoperationen beteiligten Nationen am 29. April aufgefordert, vor allem bezüglich der Verfahren mit festgesetzten Piraten möglichst schnell deutlich robustere Rules of Engagement zu beschließen.
Bildquelle: US Navy |
Da dies allerdings dauern dürfte, musste am 1. Mai die ebenfalls zur SNMG‑1 gehörende portugiesische Fregatte CORTE REAL erst einmal wieder frustrierende Erfahrungen machen. Sie konnte zwar einen Überfall auf den norwegischen (Flagge: Bahamas) Tanker KITION vereiteln und die in ihren Skiffs flüchtenden Piraten sogar zu ihrem Mutterschiff verfolgen. Die von einem Boardingteam dann insgesamt 19 festgenommen Piraten mussten „nach Rücksprache mit portugiesischen Behörden“ allerdings unverzüglich wieder frei gelassen werden. Sie dürften sich inzwischen bereits nach neuen Opfern umsehen.
Auch in ihren Abstützpunkten an der somalischen Küste weht den Piraten nun ein kräftigerer Wind entgegen. In zwei Küstendörfern an der Küste Puntland haben lokale “Bürgerwehren” am 30. April zwölf Piraten festgenommen und ihre Boote beschlagnahmt. In den unabhängigen, aber international nicht anerkannten Provinzen Somaliland und Puntland scheinen die Clanführer die „Piratenplage“ zunehmend als willkommene Gelegenheit zu begreifen, sich als akzeptierte autonome Staaten zu etablieren. Die somalische Zentralregierung sieht dies mit Missfallen. Ihr Außenministerium hat am 30. April die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sämtliche vor der somalischen Küste festgenommenen Piraten zur strafrechtlichen Verfolgung den Behörden in Mogadishu zu übergeben. Rechtlich bedenklich ist hier vor allem, dass die meisten Piratenüberfälle weit entfernt vom Zuständigkeitsgebiet der Zentralregierung erfolgen, und auch die Rückzugsgebiete der Piraten sich meist im von Mogadishu nicht kontrollierten Puntland und Somaliland befinden.
Für die kommenden Wochen scheint sich übrigens eine Entspannung der Lage am Horn von Afrika abzuzeichnen. Experten gehen davon aus, dass mit Beginn der Monsunsaison die Wetterverhältnisse (raue See) den üblichen Piratenüberfällen mit kleinen, offenen Skiffs deutlich Grenzen setzen werden.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die neue Einsatzgruppe der russischen Pazifikflotte mit dem Zerstörer ADMIRAL PANTELEYEV (UDALOY-Klasse), den Tankern IRKUT und IZHORA sowie einem Bergeschlepper ist am 27. April in der Region eingetroffen und auch sofort (s.o.) aktive geworden. Die Einheiten des NATO-Einsatzverbandes SNMG‑1 sind nach kurzer Unterbrechung zwecks Besuchen in Pakistan und Indien wieder an das Horn von Afrika zurück gekehrt. Sie sollen ihren Anti-Piraterieeinsatz bis etwa 6. Juni fortsetzen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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