Wieder einmal gab es im Südchinesischen Meer eine Konfrontation um unterschiedliche Territorialansprüche.
Karte: googlemaps |
Schauplatz des Geschehens waren die Scarborough Shoals, ein etwa 120 sm westlich von Manila (Philippinen) gelegenes Atoll, um das sich gleiche mehrere Anrainer des Südchinesischen Meeres streiten.
Sowohl die Volksrepublik China als auch Taiwan sehen hier historische (seit 1279) chinesische Fischgründe. Neuere chinesische Karten vereinnahmen das gesamte Südchinesische Meer – bis an die 12-Meilen-Zonen der anderen Anrainer – als Hoheitsgebiet; den anderen Anrainern wird nicht einmal eine Wirtschaftszone zugestanden.
Die Philippinen betrachten die Scarborough Shoals seit der spanischen Kolonisation als ihr Eigentum, hissten hier 1965 noch einmal ihre Flagge und bauten auch einen Leuchtturm. 2009 wurden die Ansprüche noch einmal formell auch vor der International Maritime Organization erneuert. Das Atoll liege ohne jeden Zweifel innerhalb der durch „Baselines“ definierten philippinischen Wirtschaftszone.
Am 8. April stellte das derzeitige Flaggschiff der philippinischen Marine, die vor einigen Monaten von der US Coast Guard übernommene GREGORIO DEL PILAR (ex- HAMILTON) in der Lagune des Atolls acht chinesische Fischerboote bei „illegalem Fischfang“. Bevor sie beschlagnahmt und in einen philippinischen Hafen gebracht werden konnten, erschienen die Wachschiffe ZHONG GUO HAI JIAN 75 und ZHONG GUO HAI JIAN 84 des paramilitärischen China Marine Surveillance (CMS) am Ort des Geschehens. Sie blockierten die Zufahrt in das ringförmige Atoll und verhinderten so den Zugriff der GREGORIO DE PILAR auf die acht Fischerboote. Zugleich forderten sie das philippinische Kriegsschiff nachdrücklich zum „sofortigen Verlassen der chinesischen Hoheitsgewässer“ auf.
CMS 75 (Foto: china-defense.com) |
Der „Stand-Off“ dauerte mehrere Tage, aber die Lage vor Ort blieb relativ ruhig, auch als ein chinesisches Aufklärungsflugzeug das Atoll überflog. Über offizielle Protestnoten der Außenministerien beider Kontrahenten fand der Konflikt schließlich auch den Weg in die jeweiligen Hauptstädte. Klar wurde allmählich, dass keine Seite ein Interesse an einer Eskalation hatte, aber zugleich auch nicht klein beigeben wollte. Die Chinesen setzten sogar noch ein drittes CMS-Schiff in Marsch.
Ein erstes Entspannungszeichen kam schließlich von den Philippinen. Am 12. April wurde die GREGORIO DEL PILAR durch ein 56‑m SAR-Boot (SAN JUAN-Klasse) der philippinischen Küstenwache ersetzt und lief ab — offiziell zur „Nachversorgung mit Kraftstoff“. Nun kann man davon ausgehen, dass das größte Schiff der philippinischen Marine (operative Reichweite mehr als 9.000 sm) sicher noch ein paar Tage länger ohne nachzutanken vor Ort hätte aushalten können. Der Ersatz des Kriegsschiffes durch ein Boot der Küstenwache hatte den Konflikt aber de facto erst einmal „de-militarisiert“. Nun standen sich nur noch paramilitärische Einheiten gegenüber.
Bei der Suche nach einem Kompromiss zogen wenig später beide Außenministerien ihre zuvor eingelegten offiziellen Proteste zurück, und während die philippinische Küstenwache noch von der Verlegung eines zweiten Bootes sprach, lief eines der drei chinesischen Schiffe ab. Am 13. April fand der Konflikt dann ein doch relativ schnelles Ende. Zunächst durften drei der chinesischen Fischereifahrzeuge unbehelligt die Lagune verlassen und Kurs auf die Heimat nehmen. Am späten Nachmittag konnten ihnen dann, begleitet von den zwei Schiffen des CMS auch die anderen fünf Boote folgen. Die philippinische Küstenwache durfte zuvor deren Fang beschlagnahmen und Beweise für den international verbotenen Fang auch geschützter Arten (Muscheln, Haie) sammeln. Auf deren Basis wollen die chinesischen Behörden eine Anklageerhebung in der Heimat prüfen – wohlgemerkt: wegen Fischens international verbotener Spezies. Die Territorialfrage ist damit in einem typisch fernöstlichen, gesichtswahrenden Kompromiss ausgeklammert, auch wenn der Territorialstreit natürlich bei Weitem nicht gelöst ist. Der nächste derartige Zwischenfall dürfte vorprogrammiert sein.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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