Fortschreibung (Informationsstand 20. März, 08:00 Uhr)
Nachdem Diktator Gaddhafi auch nach der unzweideutigen Resolution des UN Sicherheitsrates jedes Einlenken ablehnt, haben militärische Aktionen zur Einrichtung und Durchsetzung einer Flugverbotszone begonnen.
Schon am 19. März führten französische Kampfflugzeuge Aufklärungsflüge über libyschem Gebiet durch. In der Nacht zum 20. März feuerten dann US-Kriegsschiffe (u.a. die Zerstörer STOUT und BARRY sowie das U‑Boot PROVIDENCE) und ein britisches U‑Boot der TRAFALGAR-Klasse insgesamt 112 Marschflugkörper ab. Die Anfangsoperationen von „Operation Odyssey Dawn“ konzentrierten sich auf die Ausschaltung libyscher Flugabwehr, Luftraumüberwachung und Führungsfähigkeit. Ziele waren dementsprechend etwa 20 Flugabwehrstellungen (primär SA‑5 Flugabwehr-FK Batterien) sowie Radar- und Führungs-/Fernmeldeanlagen an der libyschen Küste, u.a. bei Misarata und in der Hauptstadt Tripolis. Mit Tagesanbruch sollen Drohnen Global Hawk zur Zielwirkungsaufklärung eingesetzt werden. In dann sicher folgenden weiteren Angriffen wird „nachgebessert“; zusätzliche Ziele dürften dann auch Flugplätze der libyschen Streitkräfte werden (Neutralisierung von Kampfflugzeugen am Boden).
US Zerstörer BARRY startet Tomahawk Bildquelle: US Navy |
Ob und in welchem Umfang Seestreitkräfte nach der Schaffung der Voraussetzungen für die möglichst risikoarme Durchsetzung einer Flugverbotszone in weitere Operationen eingebunden sein werden, bleibt vorerst offen. Vom im zentralen Mittelmeer stehenden Flaggschiff der 6. US-Flotte, MOUNT WHITNEY, werden wesentliche Elemente von „Operation Odyssey Dawn“ geführt. Sicher werden weitere US-Kriegsschiffe und U‑Boote und auch das britische U‑Boot in der Region bleiben, um bei Bedarf weitere Marschflugkörper gegen Ziele in Libyen zu schießen. Auch die KEARSARGE Amphibious Ready Group der US Navy wird vor Ort bleiben, auch wenn derzeit keine Operationen an Land geplant sind.
Zur Durchsetzung einer Flugverbotszone eingesetzte Flugzeuge werden aber überwiegend von Flugplätzen in Italien und auf Korsika operieren. Ein Einsatz von Flugzeugträgern ist nicht zwingend notwendig — und derzeit gibt es dafür auch (noch) keine verifizierbaren Hinweise. Eine Verlegung der französischen CHARLES DE GAULLE (offenbar noch in Toulon) und/oder der amerikanischen ENTERPRISE (im Roten Meer/Arabischen Meer) wäre demnach vornehmlich politisches Signal. Man darf aber auch nicht übersehen, dass Flugzeugträger die Durchführung von Einsätzen abseits öffentlicher Medien ermöglichen; der Jugoslawien-Konflikt hat gezeigt, dass Flugzeugstarts auf europäischen Landflugplätzen sofort öffentlich bekannt werden.
Unklar ist, ob bzw. in welcher Form die im Mittelmeer operierenden NATO-Verbände in Operationen einbezogen werden. Die NATO hat zwar schon am 11. März die SNMG‑1 und die SNMCMG‑1 ins zentrale Mittelmeer beordert, aber nicht alle in diesen Verbänden mit Schiffen oder Booten vertretenen Nationen wollen sich an militärischen Operationen gegen Libyen beteiligen. So darf man als sicher annehmen, dass Deutschland die Fregatte LUEBECK aus der SNMG‑1 und ein Minenjagdboot aus der SNMCMG‑1 zurück ziehen wird.
BATAAN Bildquelle: US Navy |
Die belgische Marine hat dagegen bereits die Entsendung einer Fregatte zur Unterstützung der UN-Resolution angekündigt. Die französische Marine hat die zwei für Flugabwehr und Luftraumverteidigung optimierten Zerstörer FORBIN und JEAN BART im zentralen Mittelmeer positioniert. Beide Schiffe können mit ihren Radaranlagen und Führungssystemen zur Erstellung eines Luftlagebildes beitragen; beide gehören grundsätzlich aber auch zur Einsatzgruppe um den Flugzeugträger CHARLES DE GAULLE, so dass dieser in den kommenden Tagen durchaus noch verlegen könnte (s.o.). Russland hat am 15. März noch einmal nachdrücklich betont, man werde keine Kräfte der Schwarzmeerflotte ins Mittelmeer verlegen; trotz aller Dementis halten sich aber hartnäckig Gerüchte über die bevorstehende Inmarschsetzung eines Flottenverbandes.
Die US Navy geht offenbar nicht davon einer schnellen Beilegung der Krise aus. Am 23. März soll sich bei Norfolk eine Einsatzgruppe mit dem amphibischen Träger BATAAN und den Docklandungsschiffen MESA VERDE und WHIDBEY ISLAND auf den Weg ins Mittelmeer machen. Die BATAAN Amphibious Ready Group soll dort die Einsatzgruppe um den amphibischen Träger KEARSARGE ablösen.
Die Ablösung der bereits im August 2010 zu einem Einsatz in die Golfregion verlegten KEARSARGE durch die BATAAN ist im Rahmen routinemäßiger Rotation schon länger geplant, sollte eigentlich aber erst in einigen Wochen erfolgen. Sie wurde nun kurzfristig vorgezogen — und bietet so ganz nebenbei auch die Option, vor Libyen zumindest vorübergehend zwei amphibische Einsatzgruppen (mit ihren eingeschifften Kampfhubschraubern und Jagdbombern Harrier) gleichzeitig einsetzen zu können.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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