Fortschreibung (Informationsstand 19. März)
In Japan dauern die Bemühungen um Hilfeleistung nach Erdbeben und Tsunami und um Eindämmung der drohenden nuklearen Katastrophe an.
Viel internationale Hilfe kommt auf dem Luftwege im Lande an, aber auch die See spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Neben natürlich der landeseigenen japanischen Marine, die mit allen verfügbaren Schiffen im Einsatz ist, steht hier die US Navy an vorderster Front. Sie operiert inzwischen mit insgesamt 14 Schiffen vor der japanischen Küste. Zu ihnen gehört der Flugzeugträger RONALD REAGAN, der im Rahmen der „Operation Tomodachi“ (Freundschaft) seit dem 13. März vor dem Verwaltungsbezirk Miyagi bei der Verteilung von Hilfsgütern die Funktion eines schwimmenden Flugplatzes erfüllt.
Hilfsgüterumschlag auf der REAGAN Bildquelle: US Navy |
Das Schiff hat sich dabei zur Vermeidung der aus den Kernkraftanlagen bei Fukushima austretenden radioaktiven Wolke etwas nach Norden abgesetzt; seine Hubschrauber und trägergestützten Transportflugzeuge C‑2 Greyhound sind aber von dort aus unverändert im Dauereinsatz. Ebenfalls im Einsatz sind die Kreuzer und Zerstörer der RONALD REAGAN Carrier Strike Group sowie auch der in Yokosuka bei Tokio stationierten GEORGE WASHINGTON Carrier Strike Group; dieser Flugzeugträger ist vermutlich wegen Wartungsarbeiten im Hafen derzeit offenbar (noch) nicht einsatzklar.
Vor der Insel Honshu ist inzwischen auch die amphibische Einsatzgruppe um den amphibischen Träger ESSEX eingetroffen. ESSEX sowie die Docklandungsschiffe HARPERS FERRY und GERMANTOWN haben sich zur Vermeidung radioaktiver Belastung allerdings westlich der japanischen Hauptinsel positioniert. Von dort sind seit dem 18. März Hubschrauber im Dauereinsatz, nicht zuletzt auch um Transportwege für zu entladendes schweres Räum- und Bergegerät zu erkunden. Das Docklandungsschiff TORTUGA hat sich der ESSEX Einsatzgruppe angeschlossen. An Bord sind zwei schwere Minenabwehrhubschrauber MH-53 Sea Dragon, die natürlich auch im Transport von Hilfsgütern eingesetzt werden können. Zuvor hatte die TORTUGA am 15. März im Hafen von Tomokomai (Hokkaido) zahlreiche Fahrzeuge der japanischen Armee eingeschifft und nach Ominato (Honshu) transportiert. Seefernaufklärer P‑3C Orion führen kontinuierlich Aufklärungsflüge über dem Katastrophengebiet durch und suchen auch den Seeraum nach möglicherweise ins Meer gerissenen Opfern ab. Das US Marine Corps hat schon am 12. März ein Geschwader schwere Transporthubschrauber CH-46E Sea Knight von Okinawa nach Honshu verlegt.
Die US Navy hilft personell und materiell auch bei der Vermeidung einer möglichen nuklearen Katastrophe in Fukushima. Dabei kommt die Erfahrung mit nuklearen Antriebsanlagen auf Flugzeugträgern und in Jahrzehnten erarbeitete Verfahren zum Umgang mit (im Gefecht) beschädigten Reaktoren zugute. Am 16. März lieferte das Bergungsschiff SAFEGUARD fünf Hochdruck-Pumpsysteme zur Reaktorkühlung. Das US Naval Sea Systems Command stellte darüber hinaus Spezial-Schutzanzüge zur Verfügung.
In den kommenden Tagen wird die erste Phase der Nothilfe abgeschlossen. Suche nach überlebenden Opfern und deren Rettung und Bergung (Search & Rescue) rückt zunehmend in den Hintergrund, und Kampfschiffe wie Zerstörer und Kreuzer können mit ihren einzelnen Bordhubschraubern nur noch eine nachgeordnete Rolle spielen. Stattdessen erhalten nun Versorgung der Bevölkerung sowie Wiederherstellung von Infrastruktur Priorität – und hier werden vor allem große amphibische Schiffe sowie „schwimmende Flughäfen und Krankenhäuser“ (Flugzeugträger, Hospitalschiffe) gefragt sein. Zahlreiche Häfen in der Region sind durch Erdbeben und Tsunami schwer getroffen. Hachinohe, Sendai, Ishinomaki und Onahama dürften “für Monate” ausfallen, Kashima and Hitachinaka für „mindestens einige Wochen“. In einigen kleineren Häfen sind Pieranlagen und Verladeeinrichtungen notdürftig so weit hergestellt, dass einzelne kleinere Schiffe entladen werden können. Die Ölterminals in Chiba sind „teilweise nutzbar“.
WESTPAC EXPRESS Bildquelle: US Navy |
Das schnelle Transportschiff WESTPAC EXPRESS der US Army (eine Katamaranfähre) hat am 14. März in Okinawa eine Einheit der III Marine Expeditionary Force an Bord genommen und nach Honshu transportiert. Die Spezialisten des US Marine Corps sollen im Katastrophengebiet die Einrichtung eines Forward Arming and Refueling Point (mit Schwimmpier) vorbereiten. Das dazu notwendige Material (Pontons, Schlauchleitungen etc.) wird auf großen Spezialschiffen des US Military Sealift Command folgen. Die japanischen Behörden und Streitkräfte werden ihre Bemühungen vor allem auf die Wiederherstellung von Landverbindungswegen konzentrieren, um so die Hilfsbedürftigen besser versorgen, ggf. auch in andere Landesteile evakuieren zu können.
Andere Marinen sind bisher kaum an der Katastrophenhilfe beteiligt; dies mag sich aber in den kommenden Tagen und Wochen noch ändern. Während die russische und südkoreanische Nachbarmarinen sich noch betont zurück halten (die russische Küstenwache misst lediglich die Radioaktivität vor den eigenen Küsten), ist ausgerechnet das „verfeindete“ China vor Ort. Nur zwei Tage nach der Katastrophe wurde am 13. März das Küstenwachschiff „21“ in Marsch gesetzt, um vor der japanischen Küste bei der Suche und Bergung von Überlebenden zu helfen.
Chinesisches Küstenwachschiff 21 Bildquelle: china-defense forum |
Am 17. März meldeten chinesische Medien, auch das Hospitalschiff DAISHANDAO werde für einen Einsatz vorbereitet. Die spontane chinesische Hilfe ist ein ganz besonderes politisches Signal humanitärer Nothilfe ungeachtet aller unverändert bestehenden politischen Differenzen. Am 15. März erklärte der indische Ministerpräsident, Schiffe der indischen Marine stünden bereit für eine Verlegung nach Japan. Offenbar wartet man aber noch auf ein formelles Hilfeersuchen der japanischen Regierung
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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