Das an dieser Stelle in der letzten WOCHENSCHAU dargestellte Manöver „Velayat 90“ der iranischen Marine wurde in dieser Woche fortgesetzt und abgeschlossen.
Start der Mehrab (Foto: staatl. iranische Medien) |
Am 31. Dezember begann die abschließende dritte Übungsphase, die in einem kriegsähnlichen Szenario die iranische Marine „auf den Krieg mit dem Feind“ vorbereiten sollte. Wie erwartet und auch bei früheren Manövern üblich, gehörten demonstrative Schießabschnitte zum Übungsinhalt. So nahmen Kriegsschiffe und Küstenartilleriestellungen zu Beginn der Phase 3 in einem simulierten Gefecht den „Feind“ mit Geschützen unter Beschuss; Klein-U-Boote GHADIR schossen Torpedos auf Seeziele.
Höhepunkt am 1. Januar war der Schuss eines Flugabwehr-FK von einem FK-Schnellboot der KAMAN-Klasse (Boote dieses französischen Typs COMBATTANTE-II werden im Iran als FK-Fregatten bezeichnet). Stolz verkündete man, bei der geschossenen „Mehrab“ handele es sich um einen selbst entwickelten Flugabwehr-FK, der von feindlichem Radar nicht zu entdecken sei und Ziele in großer Entfernung bekämpfen könne.
Der in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriff „long-range“ wurde von internationalen Medien sofort aufgegriffen, und in nicht wenigen Pressemeldungen wurde aus dem bloßen Flugabwehr-FK sehr schnell eine Langstreckenrakete, die sogar Israel erreichen könnte. Dies ist natürlich völlig abwegig – und leider einmal mehr Ausdruck eines auf bloße Sensation setzenden und zu eigener Recherche und Verifizierung von Informationen unwilligen oder auch unfähigen Journalismus’.
Tatsächlich handelt es sich bei „Mehrab“ offensichtlich um einen Flugabwehr-FK auf der Basis der von den USA in den 1970-er Jahren (noch zu Schahzeiten) an den Iran gelieferten Standard Missile SM‑1. Mit Reichweite um etwa 50 km zählt dieser Flugkörper in der Kategorie der Flugabwehr-FK zu denen mittlerer bis größerer Reichweite, ist aber beileibe keine „Langstreckenrakete“. SM‑1 wurden in den letzten Jahren auf einigen iranischen Kriegsschiffen bisher ausschließlich zur Seezielbekämpfung (Direktschuss auf kurze Entfernung) mitgeführt. Nun hat man sich wohl der eigentlichen Funktion erinnert und in „Eigenentwicklung“ aus der SM‑1 die „Mehrab“ geschaffen. Bei „Velayat-90“ wurde mit „Mehrab“ übrigens offenbar nur ein Funktionsschießen (ohne Ziel) als bloße Demonstration für Politiker, Marineführung und iranische Öffentlichkeit durchgeführt.
Mit einem abschließenden Schießen von Seeziel-FK demonstrierte die iranische Marine dann am 2. Januar ihre „Fähigkeit zu effektiven Kontrolle der Straße von Hormuz“. Von Schiffen und aus mobilen FK-Batterien an der Küste des Golfs von Oman (nicht in der Straße von Hormuz selbst) wurden Seeziel-Flugkörper „Nasr“, „Nour“ und „Ghader“ gestartet. Einer der Flugkörper traf ein vor der Küste ausgebrachtes Seeziel, wobei die Schussentfernung unklar bleibt. Andere FK wurden offenbar ebenfalls nur in einem demonstrativen Funktionsschließen gestartet, nach nur kurzer Flugdauer dann aber gesprengt (einige Medien spekulieren auch über Fehlfunktionen).
Abschuss eines Küsten-FK (Foto: staatl. iranische Medien) Bildquelle: |
„Nasr“ hat nur kürzere Reichweite (30–50 km), „Nour“ sollen über etwa 120 km einsetzbar sein; beides sind Varianten chinesischer Seeziel-FK. „Ghader“ wurde von der iranischen Marine als selbst entwickelte „long-range cruise missile“ präsentiert – und wie nicht anders zu erwarten griffen zahlreiche internationale Medien diese Angaben erneut sofort auf. Allerdings hat auch „Ghader“ nichts mit Langstreckenraketen oder gar amerikanischen Cruise Missile (Tomahawk) gemeinsam. „Ghader“ ist ein reiner Seeziel-FK zur ausschließlichen Bekämpfung von Schiffen. Wie bei „Nasr“ und „Nour“ gehen Fachleute auch bei „Ghader“ von einer Designvariante eines chinesischen Seeziel-FK aus, der mit einer Reichweite von bis zu etwa 250km zwar den gesamten Seeraum des Persischen Golfes abdeckt und des Golfs von Oman abdeckt, aber nicht landzielfähig ist.
Schlussparade zu Velayat-90 (Foto: staal. iranische Medien): |
Mit den bei „Velayat-90“ präsentierten Seeziel-FK kann der Iran problemlos Schiffe in der Straße von Hormuz und weiten Teilen des Persischen Golfes bekämpfen und die Meerenge sicher auch vorübergehend sperren. Zu letzterem reicht offenbar schon die bloße Drohung. Iranische Medien hatten das FK-Schießen schon für den 31. Dezember angekündigt – und für fast fünf Stunden wagte an diesem Tag kein einziges Handelsschiff die Passage der Straße von Hormuz. Unklar ist, ob es sich bei der medialen Ankündigung der Raketentests um einen Bluff handelte (der dann auch das gewünschte Ergebnis brachte), oder das Schießen tatsächlich schon für diesen Tag geplant war und dann aus nicht genannten Gründen kurzfristig verschoben wurde.
Ob und vor allem wie lange der Iran in einem bewaffneten Konflikt mit (dann sicher nicht nur) den USA die Meerenge tatsächlich effektiv sperren kann, bleibt abzuwarten. Zwar geben sich iranische Politiker und Militärs derzeit sehr kriegerisch. Das Parlament will sogar ein Gesetz beschließen, das ausländischen (USA) Kriegsschiffen grundsätzlich die Einfahrt in den Golf ohne Erlaubnis der iranischen Marine verbietet. Dies wäre allerdings nicht nur ein klarer Verstoß gegen internationales Seerecht, sondern das gewaltsame Hindern eines US-Kriegsschiffes an der Durchfahrt der Straße von Hormuz wäre zugleich auch eine direkte „Kriegserklärung“ an die USA – mit den entsprechenden Konsequenzen. So wird man in ortsüblichem Verhalten (und gegenüber der eigenen Bevölkerung) weiterhin lautstark tönen, im realen Tagesgeschäft aber Mittel und Wege finden, die Drohungen nicht auch umsetzen zu müssen.
„Velayat-90“ wurde am 3. Januar mit einer großen Parade der iranischen Marine beendet. Alle Übungsteilnehmer, darunter zwei U‑Boote der KILO-Klasse, sieben Klein-U-Boote GHADIR, vier Fregatten sowie weitere Einheiten und zahlreiche Flugzeuge und Hubschrauber präsentierten sich in einem eindrucksvollen Spektakel vor der politischen und militärischen Führung.
„Nach der Übung“ ist nun auch schon wieder „vor der Übung“. Am 6. Januar kündigten die paramilitärischen Revolutionsgarden (IRGC — Islamic Revolution Guards Corps) an, „in einigen Wochen“ (Februar?) vor der iranischen Südküste ebenfalls Seemanöver durchführen zu wollen. Die 7. Auflage der Übungsserie „Heiliger Prophet“ werde sich in Umfang und Inhalt „deutlich von früheren Übungen unterscheiden“. Das IRGC verfügt mit den Pasdaran-See über eine eigene Marine, die neben einigen Schnellbooten vor allem hunderte kleine und kleinste Boote für den küstennahen Einsatz im Bestand hat, aber auch über Raketeneinheiten verfügt.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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