Iran — Iranische Einheiten im Mittelmeer — Diplomatisches Verwirrspiel

Diplo­ma­tis­ches Ver­wirrspiel, aber auch unverblümte Dro­hun­gen begleit­en eine geplante Reise zweier Ein­heit­en der iranis­chen Marine ins Mit­telmeer.
Am 23. Jan­u­ar hat­te der stel­lvertre­tende iranis­che Marinebe­fehlshaber „für die nahe Zukun­ft“ die Entsendung ein­er Ein­satz­gruppe mit einem „Eigen­bau-Zer­stör­er“ ins Rote Meer und weit­er durch den Suezkanal ins Mit­telmeer angekündigt. Man wolle dabei Kadet­ten aus­bilden, Anrain­er­mari­nen besuchen und „aus­giebig regionale Aufk­lärung“ betreiben. Schon zwei Wochen später wurde deut­lich, dass dies offen­bar nicht bloße Pro­pa­gan­da war. Am 7. Feb­ru­ar liefen die Fre­gat­te ALVAND (1.250 ts, im Iran als Zer­stör­er klas­si­fiziert) und der Ver­sorg­er KHARG zu einem offiziellen Besuch im saud­is­chen Dschid­da (Rotes Meer) ein. Bei­de Schiffe bilden die seit Ende Jan­u­ar im Golf von Aden einge­set­zte 12. iranis­che Anti-Pira­terie Ein­satz­gruppe und haben nun einen „Abstech­er“ nach Nor­den begonnen. Mit dem Ein­satz dieser Gruppe ist erst­mals auch ein Aus­bil­dungsvorhaben ver­bun­den; auf den Ein­heit­en sind iranis­che Kadet­ten eingeschifft.

Marineforum - ALVAND (Foto: Michael Nitz)
ALVAND
Bildquelle: Michael Nitz

Am 16. Feb­ru­ar meldete sich Israels Außen­min­is­ter Lieber­mann laut­stark zu Wort. „Noch in dieser Nacht“ woll­ten zwei iranis­che Kriegss­chiffe zu einem Besuch im syrischen Latakia durch den Suezkanal ins Mit­telmeer ver­legen. Dies sei „eine Pro­voka­tion, die Israel nicht ignori­eren“ könne. Für den Nahen-/Mit­tleren Osten übliche, wider­sprüch­liche Mel­dun­gen sorgten zunächst für Ver­wirrung. Das erz-kon­ser­v­a­tive israelis­che Inter­net­por­tal DEBKA meldete unter Beru­fung auf seine „Mil­itär­ex­perten“, die Schiffe hät­ten bere­its den Suezkanal passiert – eine klare Falschmel­dung. Die für den Suezkanal zuständi­ge ägyp­tis­che Behörde erk­lärte sofort, sie habe über­haupt noch keinen Antrag für eine Pas­sage erhal­ten. Einen Tag später meldete die Suezkanal­be­hörde dann tat­säch­lich den Ein­gang ein­er offiziellen Anmel­dung der ALVAND und der KHARG zur Kanal­pas­sage, während „diplo­ma­tis­che Kreise“ im Iran nun wiederum kol­portierten, die geplante Reise sei gestrichen wor­den. Zugle­ich wur­den Gerüchte laut, dass Ägypten die Pas­sage des Suezkanals abgelehnt habe (stich­haltige Gründe dafür wur­den allerd­ings nicht genannt.) 

Am 18. Feb­ru­ar verkün­dete die die ägyp­tis­che Mil­itär­führung die Erteilung der Genehmi­gung zur Suezkanal­pas­sage (wen­ngle­ich die Suezkanal­be­hörde noch einen Tag später weit­er­hin nichts davon wis­sen wollte). Schließlich hieß es, die Pas­sage würde am 21. Feb­ru­ar erfol­gen. ALVAND und KHARG dürften wie jedes andere Kriegss­chiff der Welt natür­lich den Suezkanal befahren. Die Erteilung der Genehmi­gung sei Rou­tine für ein Land, das sich „nicht im Krieg mit Ägypten” befind­et. Einzige Auflage sei, dass die Schiffe kein nuk­lear­es oder gefährlich­es chemis­ches Mate­r­i­al an Bord hät­ten und auch keine Waf­fen zur Liefer­ung an ein anderes Land beförderten. Dies hätte der Iran versichert. 

Marineforum - KHARG (Foto: staatl. iranische Medien)
KHARG
Bildquelle: staatl. iranis­che Medien

Die let­zte Mit­telmeer­reise eines iranis­chen Kriegss­chiffes erfol­gte vor der iranis­chen Rev­o­lu­tion (1979). Natür­lich betra­chtet Israel die geplante Fahrt der iranis­chen Kriegss­chiffe als Pro­voka­tion, und sich­er ist sie in Teheran auch als solche gemeint. Ander­er­seits gel­ten für die iranis­che Marine die gle­ichen Rechte zur Befahrung der Hohen See (und Pas­sage des Suezkanals), die auch jede andere Marine für sich in Anspruch nimmt. Immer­hin hat­te auch die israelis­che Marine erst 2009/2010 Korvet­ten und sog­ar min­destens ein U‑Boot durch den Suezkanal in den Golf von Aden (Gerücht­en zufolge sog­ar bis in / an den Per­sis­chen Golf) verlegt. 

Viel wird davon abhän­gen, ob es bei einem bloßen Fre­und­schafts­be­such in Syrien bleibt und die bei­den iranis­chen Schiffe unmit­tel­bar danach wieder Kurs auf den Suezkanal nehmen und ihren Anti-Pira­terie-Ein­satz im Golf von Aden fort­set­zen. Sollen sie länger im Mit­telmeer bleiben, weit­ere Besuche (Libyen?) durch­führen? Sind „pro­voka­tive“ Aktio­nen gegen Israel geplant? Eine Reise nach Syrien dürfte Israel sich­er verärg­ern, aber – ungeachtet aller rhetorischen Empörung des Außen­min­is­ters – kein­er­lei Hand­habe für wie auch immer geart­ete „Gegen­maß­nah­men“ geben. Allerd­ings wollen pro-palästi­nen­sis­che Aktivis­ten im März ange­blich einen weit­eren Ver­such unternehmen, mit ein­er inter­na­tionalen „Free­dom Flotil­la“ (erneut mit Beteili­gung der türkischen Fähre MAVI MARMARA) die israelis­chen Gaza-Block­ade zu durch­brechen. Eine Begleitung dieser Aktion durch iranis­che Kriegss­chiffe hätte dur­chaus hohes Eskalationspotential. 

Noch ein ander­er Aspekt dürfte bei der geplanten Mit­telmeer­reise die Medi­en beschäfti­gen und für poli­tis­chen Zünd­stoff sor­gen. Natür­lich wird es ägyp­tis­chen Behör­den schw­er fall­en, den großen Ver­sorg­er KHARG wirk­lich gründlich nach möglichen Waf­fen­liefer­un­gen zu durch­suchen. Man darf so wohl davon aus­ge­hen, dass mit dem Ein­laufen in Latakia auch (gezielt lancierte) Gerüchte über verdeck­te Waf­fen­liefer­un­gen an die von Iran und Syrien unter­stützte libane­sis­che Ter­ro­ror­gan­i­sa­tion His­bol­lah die Runde machen werden. 

Etwas Kopfzer­brechen bere­it­et noch die mit der Ankündi­gung der iranis­chen Marine vom 23. Jan­u­ar ver­bun­dene Erk­lärung, der Ein­satz werde „ein Jahr“ dauern. Eine solche Ein­satz­dauer ist schon allein unter logis­tis­chen Gesicht­spunk­ten für einen einzi­gen Ver­band sich­er weit über­trieben. Die Ankündi­gung kön­nte aber darauf hin­deuten, dass über 2011 verteilt Fahrten mehrerer Ein­satz­grup­pen unter dem Dach eines das ganze Jahr umfassenden, über­greifend­en Vorhabens geplant sind. Auch die Tat­sache, dass es sich bei der vor 40 Jahren bei der britis­chen Vosper gebaut­en ALVAND ganz sich­er um keinen Eigen­bau han­delt, kön­nte diese These stützen. Dem­nach kön­nte für die 2010 in Dienst gestellte, im Lande gebaute Fre­gat­te JAMARAN später im Jahr eine ähn­liche Reise geplant sein. 

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