3101. Tagung des Rates — Luxemburg, den 20. Juni 2011
Pressemitteilung vom 13.07.2011
Der Rat nahm die folgenden Schlussfolgerungen an:
“1. Den Frieden zu erhalten, das Ausbrechen gewaltsamer Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken, zählt nach dem Vertrag von Lissabon zu den wichtigen Zielen des auswärtigen Handelns der Europäischen Union. Gewaltsame Konflikte kosten Menschenleben, führen zu Menschenrechtsverletzungen, machen Menschen zu Flüchtlingen, zerstören Lebensgrundlagen, bremsen die wirtschaftliche Entwicklung, verschärfen die staatliche Fragilität, schwächen eine verantwortungsvolle Staatsführung und untergraben die nationale und die regionale Sicherheit. Die Verhütung des Ausbrechens und des Wiederaufflammens von Konflikten im Einklang mit dem Völkerrecht ist daher ein vorrangiges Ziel des auswärtigen Handelns der EU, die gemeinsam mit ihren globalen, regionalen, nationalen und lokalen Partnern eine führende Rolle in diesem Bereich übernehmen könnte.
2. Das EU-Programm zur Verhütung gewaltsamer Konflikte – das Göteborger Programm –, das der Rat vor zehn Jahren verabschiedet hat, umfasst ein Bündel von Maßnahmen der Europäischen Union zur Verhütung gewaltsamer Konflikte, menschlichen Leids sowie sozialer und wirtschaftlicher Verwerfungen. Auf der Grundlage der Überlegungen, die unter der gemeinsamen Führung des Europäischen Auswärtigen Dienstes und des ungarischen Vorsitzes über einen gewissen Zeitraum hinweg angestellt wurden, gilt das Göteborger Programm nach wie vor als eine gültige politische Grundlage für das weitere Handeln der Europäischen Union auf dem Gebiet der Konfliktverhütung.
3. Bei der Umsetzung des Göteborger Programms sind erhebliche Fortschritte erzielt worden, und es gibt mittlerweile zahlreiche positive Beispiele erfolgreicher präventiver Maßnahmen. Mit der Europäischen Sicherheitsstrategie und dem Bericht von 2008 über ihre Umsetzung, der Mitteilung der Kommission zur Konfliktprävention und der Entwicklung von Strategien für Dialog und Vermittlung, für die Reform des Sicherheitssektors, für den Zusammenhang zwischen Sicherheit und Entwicklung und für fragile Situationen wurden ferner die Präventionspolitik und die Prioritäten für präventives Handeln festgelegt. Das EU-Instrumentarium für die lang- und kurzfristige Konfliktverhütung wurde verstärkt, vor allem durch den Ausbau der zivilen und militärischen GSVP – einschließlich der Expertenpools für Krisenreaktion und die Reform des Sicherheitssektors – und die Einführung des Stabilitätsinstruments. Die Sonderbeauftragten der EU haben bei der Konfliktverhütung ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt. Auch wurden die Partnerschaften mit wichtigen Akteuren, insbesondere mit den Vereinten Nationen, der Weltbank, der OSZE, der NATO, der Afrikanischen Union, anderen regionalen Organisationen und einzelnen Ländern wie den Vereinigten Staaten ausgebaut. Die Frühwarnfähigkeiten wurden – insbesondere durch das EU-Lagezentrum – verstärkt. Außerdem ist die Union, meist gemeinsam mit ihren Partnern, bei vielen bereits ausgebrochenen und drohenden Konflikten in ihren Nachbarländern und darüber hinaus tätig geworden.
4. Die EU verfügt bereits über Instrumente zur Konfliktverhütung. Damit sie erfolgreich eingesetzt werden können, müssen diese Instrumente verstärkt und wirksamer kombiniert werden. Die EU kann ihre Bemühungen zur Verhütung des Ausbrechens und des Wiederaufflammens gewaltsamer Konflikte durchaus noch intensivieren. Der Vertrag von Lissabon und die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – mit dessen verstärkten und integrierten Ressourcen – bieten die Chance, dem präventiven Handeln der EU neue Impulse zu verleihen. Dazu ist es erforderlich, umfassende Konzepte für die Konfliktverhütung zu erstellen und die Konfliktverhütung sowie zentrale bereichsübergreifende Themen – insbesondere Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Schutz der Zivilbevölkerung, Kinder und bewaffnete Konflikte sowie Schutzverantwortung – stärker in alle Bereiche des kurz- und langfristigen auswärtigen Handelns zu integrieren.
5. Nach Auffassung des Rates muss die Frühwarnung EU-weit ausgebaut werden, wobei es gilt, die bestehenden Frühwarnfähigkeiten und ‑leistungen aller Quellen, auch die der Mitgliedstaaten, besser zu integrieren und die auf direkter Erfahrung beruhenden Informationen der EU-Delegationen und der Akteure der Zivilgesellschaft stärker zu nutzen, damit die Konfliktrisikoanalyse eine solidere Grundlage erhält. Mit einer besseren Frühwarnung kann die EU zudem – was die Schutzverantwortung und den Schutz der Menschenrechte betrifft – wirksamer mit ihren Partnern zusammenarbeiten.
6. Ferner muss mehr Wert auf ein frühzeitiges Eingreifen gelegt werden, um die Gefahr, dass Konflikte ausbrechen oder wiederaufflammen, zu verringern, zum Beispiel durch eine effektive Nutzung der Konfliktrisikoanalyse. Die EU und die Mitgliedstaaten können ihre Fähigkeit, durchführbare, einsatzfähige, kohärente und realistische Optionen für Präventivmaßnahmen zu entwickeln, durchaus noch verbessern. Eine Form des frühzeitigen Eingreifens ist die Vermittlung: Die EU wird auf Grundlage des Konzepts zur Verbesserung der Dialog- und Vermittlungsfähigkeiten der EU (“Concept on Strengthening EU Mediation and Dialogue Capacities”) von 2009 ihre Vermittlungsfähigkeiten verstärken, indem sie Hilfe und Schulungen für die Vermittler und deren Mitarbeiterstäbe bereitstellt und ihren Bereitschaftsgrad erhöht. Der Rat begrüßt, dass das Europäische Parlament ihn in dieser Hinsicht unterstützt. Die EU wird je nach Erfordernis lokale, regionale und internationale Partner, einschlägige nichtstaatliche Organisationen und Einrichtungen zur Konfliktverhütung und ‑beilegung und die Intensivierung der Friedensbemühungen weiter unterstützen.
7. Der Rat unterstreicht überdies, dass die einander verstärkenden, vorteilhaften und dauerhaften Partnerschaften mit wichtigen Partnern wie den Vereinten Nationen, der OSZE, der NATO, der Weltbank, der Afrikanischen Union und anderen internationalen Akteuren sowie einzelnen Ländern wie den Vereinigten Staaten weiter ausgebaut werden müssen, damit die Europäische Union auf dem Gebiet der langfristigen strukturellen Konfliktverhütung zusätzlich zu kurzfristigeren Krisenbewältigungs- und Friedensunterstützungsmissionen erfolgreich agieren kann.
8. Der Rat ersucht die Hohe Vertreterin und die Kommission, die vorstehend genannten Aktionsleitlinien in Absprache mit den Mitgliedstaaten umzusetzen, und beschließt, sich vor Ende des Jahres erneut mit diesem Thema zu befassen.”
Source:
Council of the European Union