Die Entwicklung im und um das Südchinesische Meer ist nicht geeignet, die Gemüter zu beruhigen — und die Töne aus China werden sogar noch deutlich schärfer.
Chinesischer amphibischer Verband (Foto: PLAN) |
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Der „Stand-off“ bei den Scarborough Shoals dauert nicht nur an, sondern verschärft sich offenbar noch weiter. Das 120 sm westlich der philippinischen Hauptinsel Luzon gelegene Atoll (siehe Karte unten rechts) wird als „traditionelles Fischfanggebiet“ sowohl von den Philippinen als auch von China beansprucht – wobei China sogar von „Territorialgewässern“ spricht (Philippinen: Erweiterte Wirtschaftszone). Am 8. Mai berichteten philippinische Medien, die Anzahl der im Atoll anwesenden chinesischen Fischerboote habe sich von 14 auf nunmehr 33 erhöht. Gleichzeitig blockierten mehrere Schiffe der paramilitärischen chinesischen China Marine Surveillance und des chinesischen Fischereischutzes den Eingang zur Lagune und hinderten philippinische Fischer am Einfahren. Die Philippinen zeigen (noch) Zurückhaltung, beschränken ihre Präsenz beim Atoll weiterhin auf das Küstenwachboot EDSA-II und ein kleineres SAR-Boot.
Einheiten der regulären Marinen beider Kontrahenten sind nicht vor Ort eingesetzt, aber von der chinesischen Marine in benachbarten Seegebieten durchgeführte Übungen lassen aufmerken. So hat ein größerer amphibischer Verband der Südflotte „kürzlich“ im Südchinesischen Meer eine Übung im Flottillenrahmen durchgeführt, bei der „mehrdimensional“ von See und aus der Luft „amphibische Landungen gegen eine verteidigte Küste/Insel“ geübt wurden. Im nördlichen Südchinesischen Meer (zwischen Taiwan und den Philippinen) führen derzeit vier der modernsten Kampfschiffe und das Docklandungsschiff KUNLUN SHAN der chinesischen Marine gemeinsame Übungen durch.
Territoriale Ansprüche (Karte: middelburg.edu) |
Verbal werden die Töne aus China zusehends schärfer. Der stellvertretende chinesische Außenminister erklärte, man sei „vorbereitet, auf jede philippinische Eskalation zu reagieren“. Noch deutlicher wurde die offizielle Armeezeitung PLA Daily, die am 10. Mai unverblümt erklärte, die „Streitkräfte würden niemandem erlauben, Chinas Hoheit über die Inselgruppe zu ignorieren“. Eine Moderatorin des staatlichen chinesischen Fernsehens verstieg sich sogar zur Äußerung, die gesamten Philippinen seien ebenfalls „historisches chinesisches Hoheitsgebiet“. Das mag ein Versprecher gewesen sein – eine offizielle Korrektur scheint es aber nicht gegeben zu haben. Im Zuge zunehmender Spannungen fanden am 10. Mai in Manila anti-chinesische Demonstrationen statt. Zuvor hatte China Importbeschränkungen für philippinisches Obst verhängt und seine Bürger vor Reisen auf die Philippinen gewarnt; chinesische Reisebüros stornierten Buchungen.
Angesichts kaum verhohlener Drohungen verwiesen die Philippinen auf eine jüngste Erklärung der US-Regierung, im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch zu helfen. Sicher auch nicht ganz zufällig, kündigte die US Navy am 10. Mai an, im Rahmen eines jüngst mit Singapur geschlossenen bilateralen Abkommens im kommenden Frühjahr das Littoral Combat Ship FREEDOM (LCS‑1) nach Südostasien zu verlegen und für zehn Monate in Singapur zu stationieren.
Wie sich die Lage weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Die sehr harsche Wortwahl, vor allem aber die wiederholte Bekräftigung territorialer Ansprüche machen eine Deeskalation schwierig, denn für China wäre nun jeder Kompromiss de facto mit einem „Hoheitsverzicht“ verbunden. China hat denn auch bereits erklärt, es werde weder bilateral noch auf internationaler Ebene (z.B. bei den Vereinten Nationen) „über seine ureigene Souveränität verhandeln“. Offenbar hat die Führung in Peking die Entscheidung getroffen, mit einer Einschüchterungspolitik zunächst einmal den Druck auf die Nachbarn weiter zu erhöhen. Meldungen regionaler Medien, die chinesischen Streitkräfte hätten Befehl, sich auf eine bewaffnete Auseinandersetzung vorzubereiten, werden allerdings scharf dementiert.
Eine gesichtswahrende Lösung ist unter den aktuellen Bedingungen nicht erkennbar, und die derzeitige Situation könnte so durchaus in einen längeren politischen Konflikt (mit sich noch intensivierenden, auch militärischen Drohungen) münden. Im Übrigen geht es hier auch nicht um bloße Fischfangrechte oder divergierende territoriale Forderungen. Für China erhält die uneingeschränkte Kontrolle über das Südchinesische Meer mit seinen strategischen Seeverkehrswegen und Rohstoffreserven zunehmend zentrale wirtschaftspolitische Bedeutung.
Dazu passt auch eine Meldung vom 9. Mai, nach der im nördlichen Südchinesischen Meer, etwa 170 sm südöstlich von Hong Kong, eine halb-tauchende Bohrinsel der staatlichen China National Offshore Oil Corporation erstmals mit Tiefsseebohrungen zur Erschließung eines regionalen Ölvorkommens begonnen hat.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen.