China gehört zu den Unterzeichnerstaaten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS, deutsch: SRÜ), hat aber offensichtlich völlig eigene Vorstellungen zu dessen Umsetzung.
Natürlich nehmen die chinesische Volksbefreiungsmarine und andere staatliche Schiffe in außerheimischen Gewässern sämtliche ihnen durch UNCLOS zugestandenen Rechte gern in vollem Umfang in Anspruch. Das reicht von der Durchfahrt („Innocent Passage“) zwischen japanischen Inseln und dem Recht zur Ausbeutung ozeanischer Bodenschätze im Indik und vor Hawaii bis hin zum weltweiten Einsatz militärischer und paramilitärischer Forschungs- und Vermessungsschiffe unmittelbar vor den Küsten fremder Länder.
Vor der eigenen Haustür räumt man dem Abkommen aber offenbar keine Gültigkeit ein. Vor allem im Südchinesischen Meer, das China ungeachtet der berechtigten und teils auch verbrieften Ansprüche der anderen Anlieger zur Gänze nicht nur als seine Wirtschaftszone, sondern sogar als „Territorialgewässer“ betrachtet, gibt sich die asiatische Großmacht zunehmend rüpelhaft. Fremden Marinen wird hier rigoros und in krassem Gegensatz zu den UNCLOS Bestimmungen jedes Recht auch nur der Anwesenheit abgesprochen. Ins Visier geraten hier vor allem Schiffe der indischen Marine und der US Navy, die sich vom chinesischen Gehabe allerdings wenig beeindrucken lassen.
In der vergangenen Woche berichteten Medien von einem typischen Zwischenfall. Das indische Landungsschiff AIRAVAT hatte einen Besuch in einem vietnamesischen Hafen durchgeführt. Kurz nach dem Auslaufen, 44 sm vor der Küste, eindeutig in internationalen Gewässern und überdies innerhalb der vietnamesischen Wirtschaftszone, sei das indische Kriegsschiff plötzlich über Funk angerufen worden. Ein (nicht erkanntes) chinesisches Kriegsschiff habe in rüder Form die AIRAVAT aufgefordert, sich sofort zu identifizieren und ihre Anwesenheit „im chinesischen Hoheitsgebiet“ zu erklären. Der indische Kommandant ignorierte die Funksprüche, und die AIRAVAT konnte ihre Fahrt auch ungehindert fortsetzen. Nur wenig später fing die indische Marine im südlichen Golf von Bengalen, direkt vor der zu Indien gehörenden Inselgruppe der Andamanen, ein Vermessungsschiff (Medien berichten von einem „Spionageschiff“) der chinesischen Marine ab. Das Schiff ermittelte dort offenbar hydrographische (bathymetrische) Daten, wie sie z.B. für U‑Bootoperationen benötigt werden. Natürlich wurden indische Vorwürfe unter Verweis auf UNCLOS entrüstet zurück gewiesen; man habe jedes Recht, dort zur See zu fahren und auch Forschung zu betreiben.
Auch das Verhältnis zu den südostasiatischen Nachbarn bleibt gespannt. So lief am 2. September das Fischereischutzschiff 306 aus Guangzhou aus, um bei den von Vietnam beanspruchten Paracel-Inseln „chinesische Souveränität und Fischereirechte effektiv zu sichern“. Zwischenfälle scheinen hier vorprogrammiert.
Fischereischutzschiff 306 läuft aus (Foto: china-defense.com) |
Bei politischen Treffen gibt man sich regelmäßig konziliant, sichert so wie in der letzten Woche dem philippinischen Präsidenten bei seinem Staatsbesuch in Peking die Beilegung aller Konflikte auf friedlichem, diplomatischem Wege zu. Da die Praxis völlig anders aussieht, darf man wohl davon ausgehen, dass Peking unter „friedlicher Beilegung“ weniger einen diplomatischen Kompromiss (mit Zugeständnissen) sondern vielmehr die bloße Akzeptanz der chinesischen Position versteht.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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