Die Brasilianische Marine hat überraschend die eigentlich mit hoher Priorität betriebene Beschaffung von neuen Ocean Patrol Vessel (OPV) erst einmal auf Eis gelegt.
Nachdem in den letzten Jahren in den Wirtschaftszonen vor der brasilianischen Küste reiche Öl- und Gasvorkommen entdeckt wurden und weitere Vorkommen im ebenfalls von Brasilien beanspruchten, vorgelagerten Kontinentalschelf vermutet werden, sollten im Zuge eines „Flottenerneuerungsprogramms“ die Fähigkeiten zu regionaler Präsenz deutlich erweitert werden. Neben kleineren Patrouillenfahrzeugen (NPa 500) wollte man im Rahmen des Projektes NPa 1800 (früher NPO — Navio Patrulha Oceanico) mit hoher Priorität 1,800-ts große OPV beschaffen. Noch in 2010 war die Auftragsvergabe für ein erstes Los von drei bis fünf Schiffen erwartet worden; langfristig (bis 2030) ist von 12, bisweilen sogar von 15–20 Schiffen die Rede.
Acht ausländische Hersteller (darunter auch die deutsche TKMS mit ihrem Design GUARDIAN und die ebenfalls deutsche Fassmer) bemühten sich um den lukrativen Auftrag. In den letzten Wochen sprach einiges dafür, dass Fassmer — in Zusammenarbeit mit lokalen Werften – das Rennen machen würde. Fassmer hat bereits das Design für bei der chilenischen Asmar für die dortige Marine gebaute 1800-ts OPV (PILOTO PARDO-Klasse) geliefert, soll wohl den Bau eines weiteren solchen Schiff für Kolumbien federführend begleiten, und auch Argentinien hat offenbar großes Interesse an dem Design.
Chilenische PILOTO PARDO Bildquelle: Asmar |
Nun wurde die Ausschreibung überraschend abgebrochen und das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Ein Marinesprecher erklärte dazu, dass im Rahmen der 2008 beschlossenen Nationalen Verteidigungsstrategie sämtliche Projekte neu bewertet würden. Die Regierung habe vorgegeben, mit Priorität nach Möglichkeiten zu suchen, Vorhaben nicht einzeln für sich, sondern gebündelt im Rahmen „Strategischer Partnerschaften“ zu realisieren. Diese seien noch in der Entstehung. Nach Abschluss dieses Prozesses würde das Vorhaben reaktiviert, und man werde dann über einen bevorzugten Anbieter entscheiden.
Beobachter argwöhnen, dass Frankreichs sehr aggressiv die nationalen Rüstungs- und Rüstungsexportinteressen vertretender Präsident Sarkozy dem brasilianischen Präsidenten Lula eine solche „strategische Partnerschaft“ nahe gelegt hat, und dieser nun auf das Angebot reagiert. Frankreich soll für die brasilianische Marine ja bereits U‑Boote SCORPENE bauen, beim Bau des nukleargetriebenen U‑Bootes RIACHUELO helfen und bewirbt sich überdies gegen starke internationale Konkurrenz auch um den Auftrag zum Bau neuer Fregatten (Ausschreibung soll mit einem „Request for Information“ noch in diesem Jahr anlaufen). Auch die derzeit bei Inace in Brasilien gebauten kleineren Patrouillenfahrzeuge NPa 500 basieren auf einem französischen Design (von CMN entworfener Typ VIGILANTE 400). Die Bündelung all dieser (und vielleicht auch noch weiterer) Vorhaben unter einem gemeinsamen Dach könnte beiden Seiten durchaus Vorteile bieten, auch wenn bei Fassmer natürlich erst einmal Enttäuschung überwiegen dürfte.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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