Der Trans Sea Lifter — Ein starkes Hilfsschiff für die Marine
Von Hermann J. Janssen
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Bei den Marinen Europas und der Vereinigten Staaten wächst das Interesse an so genannten »dual-use« fähigen Schiffen, also Handelsschiffen, die im Krisenfall für militärische Einsätze verfügbar sind. Derartige Schiffe sollen möglichst Aufgaben übernehmen können, für die die Marinen bisher eigene Hilfsschiffe vorhalten müssen.
Im Folgenden wird ein innovativer Barge Carrier, der Trans Sea Lifter (TSL), als dual-use fähiges Handelsschiff vorgeschlagen. Nach der Vorstellung des TSL, seine Einsatzweise und Wirtschaftlichkeit im Shortsea Verkehr wird seine Eignung für militärische Einsätze umrissen und sein Potenzial als eigens für die Marine gebaute Einheit ausgelotet.
Der TSL: ein Barge Carrier für den Shortsea-Verkehr
Der TSL ist ein 21 Knoten schnelles Seeschiff, das auf Shortsea-Routen mit hohem Güterdurchsatz Ladung in Leichtern transportiert. Der TSL läuft fahrplanmäßig Reeden vor Häfen und Flussmündungen an, wo er in maximal 90 Minuten Leichter mit eingehender Ladung gegen dort wartende Leichter mit ausgehender Ladung austauscht. Anschließend setzt der TSL seine Reise fort, während die abgesetzten Leichter zum Löschen und Laden Zielhäfen an der Küste oder im Binnenland anlaufen (näheres: www.tsltec.com).
Herausragende Eigenschaften des TSL sind der schnelle Austausch von Leichtern und der Transport von Leichtern großer Tragfähigkeit und unbegrenzter Typenvielfalt:
Der TSL schwimmt Leichter mit insgesamt 18.000 t/?1.800 TEU in einem robusten Flo/Flo-Verfahren (Float-on/Float-off) in 90 Minuten jeweils aus und ein, d.h., wesentlich schneller als jeder andere Barge Carrier. Der TSL trägt größere Leichter als jeder andere Barge Carrier, d.h., einzelne Leichter mit bis zu 6.000 t Ladung /? 600 TEU.
Der TSL trägt Leichter aller Art, d.h., sowohl für unterschiedliche Güter wie Container, Fahrzeuge, trockenes/flüssiges/gasförmiges Massengut als auch Leichter unterschiedlicher Bauart, z.B. Schubleichter, motorisierte Leichter, Werkstatt- und Lagerhauspontons usw.
Der TSL stellt minimale Anforderungen an die Hafeninfrastruktur, weil nicht der TSL selbst in den Hafen einläuft, sondern nur die abgesetzten Leichter. Beispielsweise kann ein mit einer Bugrampe ausgerüsteter Leichter wie ein Landungsboot über den Strand gelöscht und beladen werden.
Diese Eigenschaften machen den TSL zu einem außerordentlich wettbewerbsfähigen Schiff für die Shortsea Schifffahrt. Für eine vergleichende Wirtschaftsanalyse dient als Grundlage der Container als einheitliches Transportgut, das es überall im Shortsea- Verkehr gibt. Der Maßstab für den Vergleich von Schiffen in der Containerschifffahrt ist die »Erforderliche Frachtrate« (EFR) je Stellplatz eines 20′ Containers (TEU-Slot). Diese EFR/TEU-Slot ist der schiffsabhängige Mindestpreis, der erzielt werden muss, um das Schiff rentabel betreiben zu können.
Eine Studie der NAVTEC von 2005 bis 2007 vergleicht 400 bis 1.200 TEU Containerschiffe mit dem TSL im Pendelverkehr zwischen 500 Seemeilen entfernten Häfen. In beiden Häfen wird alle eingehende Ladung vollständig gegen ausgehende Ladung ausgetauscht. Ferner wird vorausgesetzt, dass die Ladungen zu 80 Prozent aus 40′ und zu 20 Prozent aus 20′ Containern bestehen, und dass sie in leistungsfähigen Häfen, die konventionelle Containerschiffe sehr schnell abfertigen, umgeschlagen werden. Die Studie zeigt für den TSL eine EFR/TEU-Slot, die durchschnittlich 40 Prozent niedriger ist als die konkurrierender Feeder.
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Der TSL als Handelsschiff für militärische Einsätze
Aktueller Beweggrund für den Einsatz von Handelsschiffen für militärische Zwecke ist die Stationierung von Seestreitkräften in internationalen Gewässern vor der Küste konfliktbedrohter Staaten, z.B. entsprechend dem in den USA konzipierten Sea-Basing. Eine Sea-Basing-Kampfgruppe muss im Konfliktfall schnelle Eingreiftruppen landen und logistisch unterstützen, einem Brückenkopf Feuerschutz bieten und Angriffe aus der Luft und von See abwehren können.
Die o.g. herausragenden Eigenschaften des TSL sind auch für logistische Aufgaben nutzbar. Um das gesamte Potenzial des TSL als dual-use-Schiff zu erfassen, sind jedoch weitere Besonderheiten des TSL darzulegen:
Der TSL ist ein Katamaran in der Sonderform des SWATH (Small Waterplane Area Twin Hull), eines Schiffstyps, der Seegang besonders ruhig durchfährt.
Der TSL kann schwimmende Einheiten voraussichtlich bis zu Seegang der Stärke 5 auf der NATO-Skala (Windsee entsprechend Beaufort 6) aufnehmen und absetzen.
Der TSL trägt Ladung nicht im Rumpf, sondern an Deck. Ohne Beeinträchtigung des Ladungsbereiches können die Rümpfe des TSL durch Querschotte eng unterteilt werden, so dass seine Sinksicherheit und Leckstabilität höher sind als die konventioneller Schiffe.
Die Summe seiner innovativen Eigenschaften macht den TSL zu einem optimalen dualuse-Schiff, wie folgende Beispiele am Denkmodell des Sea-Basing veranschaulichen:
Versorger für die Sea-Basing Kampfgruppe mittels Leichtern, die vom TSL abgesetzt werden und bei einzelnen Einheiten längsseits gehen.
Transporter von Minensuchern und kleinen Küstenkampfschiffen wie bemannten oder ferngesteuerten Über- und Unterwasserfahrzeugen, auch Wasserflugzeugen, usw. zum Einsatzgebiet. Dort nimmt er diese bei extremen Seebedingungen an Deck.
Landungsschiff, das z.B. 20 mit je einem Panzer beladene Luftkissen-Landungsboote (LCAC) nahe der Küste absetzt; Nachschub können LCAC von einem TSL übernehmen, indem sie auf dessen Ladeplattform längsseits von beladenen Leichtern trocken gestellt werden, von denen Güter per Kran oder rollend auf die LCACs umgeladen werden.
Trägerschiff für Einsatz-spezifische (mission specific) Flo/Flo-Module wie Feldlazarette, Werkstätten für Hubschrauber oder Kettenfahrzeuge usw., Module mit Waffensystemen zum Schutz des TSL selbst oder der Sea-Basing Kampfgruppe, z.B. auch Flo/Flo-Module mit Leitsystem und Landeplatz für Hubschrauber, Drohnen usw.
Hilfsschiff bei Naturkatastrophen; z.B. kann ein TSL bei einem Tsunami sechs Leichter von je 3.000 t Tragfähigkeit mit Lazarett, Kommunikationszentrum, Vorräten, Schlauchbooten, Lkw usw. an verschiedenen Stellen der betroffenen Küste absetzen. Wegen seines geringen Tiefgangs kann der Leichter im flachen Bereich nahe der Küste oder direkt am Ufer liegen, so dass der Verkehr mit dem Festland schneller und einfacher ist als von einem Seeschiff aus, das im tiefen Wasser in größerer Entfernung von der Küste ankern muss.
Das TSL-System vereinfacht die Anlieferung von Nachschub auch in den Ursprungsländern, indem Leichter in mehreren Seehäfen beladen und von einem für den dual-use Einsatz requirierten TSL zur Sea-Basing Kampfgruppe transportiert werden. Dadurch werden diese zusätzlichen Güterströme auf mehrere Häfen verteilt, so dass ohnehin hoch belastete Häfen nicht verstopft werden, und die militärischen Güter unverzüglich abgefertigt werden können.
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Der TSL speziell als Marinefahrzeug
Der TSL ist das erste SWATH dieser Größe. Bisher waren SWATH kleine Einheiten für zivile und militärische Einsätze. In den meisten Fällen wurde diese Schiffsform gewählt, weil sie auch bei kleinen Schiffen eine im Seegang sehr stabile Plattform ergibt.
Die Innovation des TSL ist das schnelle Flo/Flo-Verfahren für das Aufnehmen und Absetzen schwimmender Einheiten mit bis zu 6.600 t Wasserverdrängung. Es ist zu überlegen, ob ein SWATH dieser Größe und mit allen o.g. Eigenschaften auch speziell als Marinefahrzeug in Frage kommt. Die Antwort hängt davon ab, welche Anforderungen die Marinen Europas und der USA zukünftig erwarten. Neue zukünftige Anforderungen ergeben sich u.a. aus der asymmetrischen Seekriegsführung, d.h., dass eine Kampfgruppe konventioneller Marineschiffe überfallartigen Angriffen von bemannten oder ferngelenkten Kleinkampfschiffen aus dem gegnerischen Küstenbereich heraus begegnen muss. Dafür ist auch ein TSL als dual-use fähiges Schiff durch Einschwimmen verschiedener Module mit Einsatz-spezifischen Waffensystemen geeignet.
Ein Marine-eigener TSL kann an Marine-typische Anforderungen angepasst werden. Beispielsweise kann seine Standfestigkeit gegen Waffeneinwirkung durch noch enger stehende Schotte erhöht werden. Außerdem kann seine Infrarotabstrahlung für Flugkörper dadurch unkenntlich gemacht werden, dass die Abgase der Antriebsanlage nicht durch die Schornsteine, sondern durch eine zweite Abgasleitung unter die Poop abgeleitet und mit einem Wasservorhang dahinter gekühlt werden. Eine technisch elegante Lösung wäre ein Marine-eigener TSL als »all-electric ship« mit Brennstoffzellen zur Stromerzeugung, wie die oben stehende Tabelle veranschaulicht. Dieser Antrieb wird von manchen Marinen aus logistischen Gründen und für Spezialschiffe angestrebt, für ein Handelsschiff ist er jedoch auf absehbare Zeit sehr wahrscheinlich zu teuer.
Die bedeutendste Neuerung des TSL als Marineschiff ist jedoch, dass Flo/Flo-Module mit Waffen- und Leitsystemen unabhängig vom TSL gebaut und getestet werden können. Durch die Installation bzw. den Austausch neu-für-alt solcher vorgefertigten Module während einer kurzen Werftliegezeit wird die Verfügbarkeit dieses Typs von Marineschiffen deutlich erhöht.
Bei Ausnutzung aller Möglichkeiten der Flo/Flo-Module des TSL werden Marineschiffe auch kostengünstiger. Ohne Einschränkung der Funktionsweise als Modulträger kann der TSL ohne weiteres als Handelsschiff nach den Regeln einer Klassifikationsgesellschaft gebaut werden, während das komplexe Regelwerk der Marine nur für die Integration der Waffenmodule gilt. Die Flo/Flo-Module selbst können aus zugelieferten Systemen in solchen Betrieben konfektioniert werden, die auf Systemintegration spezialisiert sind.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese Überlegungen verdeutlichen sollen, dass der TSL im Einsatz für die Marine sowohl als dual-use fähiges Hilfsschiff als auch als Marine- eigenes Schiff zur Lösung aktueller Probleme wesentlich mehr beitragen kann als konventionelle Frachter. Bei Nutzung aller Möglichkeiten, die der TSL bietet, kann dieser neuartige Schiffstyp in ausgewählten Aufgabenbereichen der Marine voraussichtlich ebenso durchschlagende Paradigmenwechsel herbeiführen wie als Barge Carrier in der Shortsea Schifffahrt.