Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Die Bundeswehr befindet sich seit Sommer 2010 in der wohl umfangreichsten Neustruktur und Umgestaltung seit ihrem Entstehen. Im Bericht der Strukturkommission kommt deren Leiter Ende Oktober 2010 zu dem Schluss: »Es geht um nicht weniger als die tief greifenden und notwendigen Veränderungen einer der großen Institutionen unseres Gemeinwesens.« Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ab Sommer 2011 und der Reduzierung des Gesamtumfanges der Bundeswehr sehen sich zumindest die Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche vielfältigen Herausforderungen gegenüber, gleichzeitig bieten sich aber auch Chancen für einen Neuanfang. Der Grundsatz lautet dabei für alle aktuellen Reformaktivitäten: Vom Einsatz her denken!
Nachdem Mitte Dezember 2010 der Generalinspekteur der Bundeswehr für die Marine einen Organisationsumfang von 13.400 Dienstposten als Planungsgrundlage festgelegt hat, galt es, konkrete Gedanken zur künftigen Organisation der Marine anzustellen. Als Vorgabe formulierte der Inspekteur der Marine daraufhin Leitlinien, um die Marine auch künftig als ein wirkungsvolles Instrument der politischen Führung zur Verfügung stellen zu können. Demnach sind alle Strukturen, Prozesse und Verfahren noch konsequenter auf den Einsatz und die damit verbundenen Erfordernisse auszurichten – dies umfasst die operationelle, personelle, materielle und organisatorische Dimension der Marine.
So soll das bestehende breite Fähigkeitsspektrum der Deutschen Marine erhalten bleiben, gleichzeitig sind jedoch auch die Grundlagen für Entwicklung und Integration neuer Fähigkeiten zu schaffen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Bestimmend für die Ausgestaltung der Streitkräfte ist die Vorgabe des Verteidigungsministers, künftig für Stabilisierungsoperationen durchhaltefähig ein streitkräftegemeinsames Kräftedispositiv von mindestens 10.000 Soldatinnen und Soldaten verfügbar zu haben. Aus diesem Anspruchsniveau ergibt sich im Verhältnis zu den durch die anderen TSK zu stellenden Kontingenten für die Deutsche Marine die kontinuierliche Abstellung von mindestens 1.000 Seemännern und ‑frauen für laufende und wahrscheinliche Einsatzverpflichtungen der Bundeswehr. Darüber hinaus ist weiteres Personal für die maritimen Fähigkeiten zum Schutz der Sicherheit unseres Landes und seiner Bürger sowie im Rahmen einer weiterhin substanziellen Beteiligung an der maritimen Sicherheitsvorsorge im Rahmen von NATO, EU und Vereinten Nationen bereitzustellen.
Weitere Eckpunkte wurden durch den Generalinspekteur in seiner Rede anlässlich der Kommandeurtagung in Dresden im November 2010 gesetzt: So muss es zum einen darum gehen, auf heute kaum definierte künftige Herausforderungen mit größtmöglicher Flexibilität zu antworten, zum anderen muss die Deutsche Marine auch künftig in der Lage sein, einen breiten Mix an unterschiedlichen Fähigkeiten und Plattformen vorzuhalten. Daraus folgt, dass modulare und interoperable Fähigkeitspakete zu verbessern und zu erweitern sind, um ein möglichst breites Spektrum an politischen Handlungsoptionen bieten zu können.
Last, but not least, war ebenfalls weitere Vorgabe für eine neue Organisation der Marine, dass die künftige Aufbau- und Ablauforganisation in der Lage sein soll, sehr viel flexibler und effizienter – vergleichbar mit dem heute bei IT-Geräten gängigen Prinzip »Plug & Play« – an neue Herausforderungen und neue Schiffsklassen angepasst zu werden, um nicht bei künftigen Veränderungen der Streitkräfte wieder eine neue Organisationsform finden zu müssen.
Was wird sich ändern?
Damit stellt sich die Frage, wie also die künftige Struktur der Marine denn nun konkret aussehen könnte? Vor Beantwortung dieser Frage ist jedoch anzumerken, dass seitens der politischen Leitung bislang weder zu Umfang noch zur künftigen Struktur der Streitkräfte belastbare Entscheidungen vorliegen. Aus diesem Grund stellen die folgenden Gedanken zum aktuellen Zeitpunkt Vorschläge dar – gleichwohl zeichnet sich der Wechsel ab. Nach den demnächst zu erwartenden Entscheidungen des Verteidigungsministers sind dann – beginnend beim Ministerium – die ersten Eckpfeiler der Reform der Bundeswehr gesetzt. In der Folge werden die Auswirkungen sehr schnell auch in der Marine zu spüren sein. Zum Begleiten dieses Prozesses wird die Marineführung die betroffenen Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeiter durch eine umfassende Kommunikation der anstehenden Schritte mitnehmen, um Verunsicherungen zu verhindern und Verständnis für die Veränderungen zu schaffen.
Als erster Schritt der Reform wird wohl der Vorschlag zur künftigen Ausgestaltung des BMVg zeitnah umgesetzt werden. Das bedeutet für die Marine, dass der Führungsstab des Inspekteurs der Marine im BMVg aufgelöst und der Inspekteur im nachgeordneten Bereich tätig wird. Um Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung zusammenführen zu können, sind neue, straffe Linien notwendig. Damit geht einher, die Hierarchie noch weiter zu verschlanken und die Führung der Marine funktionell in nur einem Kommando zu bündeln, dem künftigen Marinekommando. Da der Inspekteur der Marine auch weiterhin der Berater des BMVg in allen Belangen der maritimen Domäne bleibt, ist die Organisation des zu schaffenden Marinekommandos in unmittelbarer Abhängigkeit von – und in Ergänzung zu – der Struktur des künftigen BMVg zu sehen, wobei es dessen Vorgaben aufnimmt und diese mit den beiden nachgeordneten Elementen »Einsatz« und »Basis« umsetzt.