»So viel ich weiß, liegt auch die Streichung von Flugzeugträgergruppen auf dem Tisch«, erklärte Todd Harrison vom Pentagon-nahen Forschungsinstitut Center for Strategic and Budgetary Assessments in Washington. »Von einer Entscheidung darüber ist man noch weit entfernt, aber man könnte von elf auf zehn oder sogar neun Trägergruppen abbauen. Es kommt ganz darauf an, wie tief greifend die Etatkürzungen sind.« Am 13. Juli räumte der damalige Stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Generalstabschefs, General James Cartwright, ein, dass das Pentagon – als eine Option unter vielen – erwägt, die neue GERALD R. FORD Flugzeugträgerklasse zu streichen, um Geld zu sparen.
Die Navy-Führung setzt sich allerdings geschlossen für den Erhalt der neuen Trägerklasse ein. »Im Rahmen des Libyenkonflikts hat die Navy wieder einmal nachgewiesen, wie flexibel und global unsere Flotte ist«, erklärte Navy Minister Ray Mabus vor Reportern. »Wir bieten dem Präsidenten Optionen für die Anwendung militärischer Gewalt.« Eine permanente Reduzierung auf zehn oder gar neun Flugzeugträger lehnt Mabus strikt ab.
Modernisierung streichen?
LCS‑2 INDEPENDENCE (Foto: US Navy/GD/Austal) |
Noch bedeutender als der Erhalt der gegenwärtigen Flotte ist aber die Flotte von Morgen. »Besonders wichtig ist meines Erachtens, dass es keine Störungen bei der Einführung neuer Schiffe und Flugzeuge gibt«, betonte Admiral Roughead am 4. August. Die gegenwärtige Kriegsflotte besteht zu einem großen Prozentsatz aus Einheiten, die in den 1980er Jahren eingeführt wurden. Anfang des kommenden Jahrzehnts müssen sie abgelöst werden. Bereits bei früheren Anlässen betonte Roughead die Notwendigkeit der Einführung neuer Technologien, um der Bedrohung durch die globale Proliferation von fortgeschrittenen Waffensystemen und elektronischen Systemen entgegenzuwirken. »Dahin fließt ein Großteil unserer Investitionen«, erklärte er am 16. Juni vor dem Forschungsinstitut Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Falls erhebliche zusätzliche Kürzungen durchgesetzt werden, wäre die Modernisierung der Flotte aber Makulatur, warnt der Marinespezialist Loren Thompson vom Lexington Institute. »Damit streichen sie die nächste Waffengeneration«, erklärte Thompson.
Damit ginge eine steigende Verwundbarkeit einher, die es infrage stellt, ob die Navy – oder das US-Militär allgemein – den strategischen Zielen und den internationalen Verpflichtungen der USA nachkommen kann. Anlässlich seiner Asienreise im Juni versicherte der damalige Verteidigungsminister Robert Gates beispielsweise den regionalen Partnerstaaten, dass die USA eine »robuste« Kräftepräsenz im Westpazifik aufrecht erhalten würden. Diese US-Kräfte sollten unter anderem über neue Hightech Waffensysteme verfügen, um Alliierte und Seewege zu schützen, erklärte Gates. Diese neue Technologie sei notwendig, um der Waffenentwicklung durch andere Länder entgegenzuwirken, die versuchen sollten, amerikanischen Kräften den Zugang zur Region und zu strategischen Seewegen zu versperren. »Amerikas Modernisierungsprogramme werden gewährleisten, dass wir weiterhin unsere Verpflichtungen als asiatisch- pazifische Macht des 21. Jahrhunderts erfüllen«, erklärte Gates. Dieses Bekenntnis zur asiatisch-pazifischen Präsenz bestätigte Außenministerin Hillary Clinton zwar am 16. August, doch wird zwischenzeitlich infrage gestellt, über welche Mittel die US-Flotte in zehn Jahren verfügen wird.
F‑35 (Foto: US Navy)US |
Admiral Mike Mullen erklärte am 15. August, kurz vor seiner Pensionierung, dass Beschaffungsprogramme, die wesentlich über ihrem vorgesehenen Etat liegen, »sehr gefährdet« seien. Mullen nannte keine Namen. Senator John McCain zeigt sich weniger zurückhaltend. »Falls die Leistung der Navy im Rahmen des Entwurfs und der Beschaffung ihrer Waffensysteme nicht besser wird, befürchte ich, dass sie die Unterstützung durch das amerikanische Volk und durch den Kongress verliert«, erklärte er. Er greift seit Längerem vor allem die Beschaffungsprogramme um den TSK-gemeinsamen Jagdbomber F‑35 und um die Littoral Combat Ship Klasse aufgrund erheblicher Verzögerungen und massiver Kostensteigerungen an. Hinzu kommen nun auch verschiedene technische Mängel bei den ersten ausgelieferten Einheiten. »Die Fakten bezüglich des F‑35 Programms sind wahrlich beunruhigend«, erklärte McCain bereits im Mai. »Kein Programm sollte davon ausgehen, angesichts einer derartigen Leistungsbilanz weitergeführt zu werden, vor allem nicht bei der aktuellen Fiskallage.«
Die Navy-Führung steht allerdings zu sämtlichen Beschaffungsprogrammen. Ob F‑35, LCS oder die Flugzeugträger der FORD-Klasse, sie erbringen alle eine Leistungssteigerung oder eine Ausweitung des Fähigkeitsspektrums der Flotte, betonen Minister und Admiräle. Angesichts technologischer Entwicklungen bei potenziellen Gegnern braucht die USN die neuen Waffensysteme. »Irgendwann müssen wir einfach unsere Fähigkeiten voranbringen«, erklärte der neue CNO, Admiral Jonathan Greenert, auf die Kritik John McCains.
Überlastung und Wartungsmängel – bereits heute
Bereits jetzt steht die US-Navy unter extremer Belastung, erklärt Mackenzie Eaglen von der konservativen Stiftung Heritage Foundation. Die Flotte ist rund 15 Prozent kleiner als noch 1998, doch sind heute genauso viele Schiffe ständig auf See wie damals. Um dieses Einsatztempo von rund 100 ständig dislozierten Schiffen aufrecht zu erhalten, müssen die einzelnen Schiffe länger draußen bleiben. Infolge der höheren Belastung nehmen die Verschleißerscheinungen zu. Zum Beispiel weisen die Aufbauten aller 22 Kreuzer der Navy Risse auf, erklärten Vice Admiral William Burke (zuständig für sämtliche Navy Wartungsprogramme) und Vice Admiral Kevin McCoy (Kommandeur des Naval Sea Systems Command) am 12. Juli vor dem Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses.
Mehr als ein Drittel der im Einsatz befindlichen Kriegsschiffe und die Hälfte der im Heimathafen befindlichen Schiffe der Navy weisen technische Mängel bei mindestens einem wesentlichen Einsatzsystem auf. Die volle Einsatzbereitschaft dieser Schiffe ist beeinträchtigt, räumten die Admiräle ein. Mehr als 40 Prozent der Navy-Flugzeuge sind wegen Ersatzteilmangel und aufgeschobener Wartung ebenfalls nicht voll einsatzbereit.
Schuld an diesem Zustand ist nicht nur das hohe Einsatztempo, das zur Verschiebung von Wartungsmaßnahmen führt. Der Navy fehlt auch das Geld für die ordentliche Instandhaltung. Im Fiskaljahr 2011 – also vor Einführung der Etatkürzungen – wies das Materialerhaltungskonto der Navy ein Minus von 367 Millionen Dollar auf; der Posten Flugzeugwartung und ‑logistik stand mit 100 Millionen im Minus.
Bereits im Juli warnte Mackenzie Eaglen, dass eine weitere Reduzierung des Navy-Wartungsetats zur Folge haben könnte, dass die Navy nur noch imstande wäre, 50 bis 60 Schiffe gleichzeitig in See zu halten.
Prioritäten setzen – aber welche?
Letztendlich wird die Navy – wie Amerika insgesamt – Prioritäten setzen müssen.
»Meine Priorität wird es sein, die Einsatzbereitschaft zu wahren, um den Herausforderungen von Heute zu begegnen und gleichzeitig eine relevante und fähige Streitmacht von Morgen aufzubauen», erklärte Admiral Greenert während seiner Bestätigungsanhörung am 28. Juli. Um sämtliche Gewässer zu sichern und für die Schifffahrt der Welt offen zu halten, muss die Navy in Übersee präsent sein, Verbündete unterstützen und eine »militärische Offshore-Option« für die USA wahren, sagte er. Es wird schwierig sein, diese Prioritäten angesichts des aktuellen Etatklimas zu verwirklichen, räumte Greenert ein. »Wir müssen geradeheraus erklären, was wir künftig leisten können und was nicht.«
Pentagonsprecher Geoff Morrell formulierte ähnlich: »Nach Ansicht des Verteidigungsministers muss Risikomanagement bezüglich künftiger Bedrohungen und Herausforderungen betrieben werden; es müssen militärische Aufgaben identifiziert werden, auf die unsere Nation bereit ist, zu verzichten.«
Zu erwarten ist auf jeden Fall der Ruf nach einer größeren Lastenteilung durch die Verbündeten, vor allem die NATO.
Bis Weihnachten sollte feststehen, wie stark die Gesamtkürzungen am Pentagonhaushalt ausfallen. Es wird erwartet, dass die Streitkräfte im Verlauf des Frühjahrs 2012 darüber entscheiden, wie die Kürzungen umgesetzt werden. »Die Entscheidungen, die wir in den kommenden acht bis zehn Monaten treffen, werden Auswirkungen auf die nächsten Jahrzehnte haben«, erklärte Robert Work, Stellvertretender Marineminister, am 16. August.