Den Weg nach Vorne finden
Die größte Stärke des Konzepts ist die informelle, auf freiwillige Koordinierung beruhende Natur der »Marine aus tausend Schiffen«; diese Eigenart des Konzepts erlaubt es grundsätzlich einer Vielzahl von Nationen mitzumachen, ohne sich einer Bündnisdisziplin oder einer Führungsnation unterzuordnen. Die Beteiligung an TSN könnte für viele Nationen gerade dadurch akzeptabel werden, dass es kein offizielles Bündnis ist und keiner Kommandohierarchie unterliegt.
Ironischerweise ist diese Informalität gleichzeitig die größte Schwäche des Konzepts. Noch hat die US-Navy nicht unmissverständlich dargelegt, inwiefern TSN wirklich einen Fortschritt über die bisherige Praxis der vertraglichen sowie der ad hoc Zusammenarbeit der Seestreitkräfte der verschiedenen Weltregionen darstellt. Unklar bleibt auch, wie Einsätze und Aufgabenverteilung ohne ständige Strukturen koordiniert werden sollen.
Selbst der Architekt des Plans räumt ein, dass das TSN Konzept nicht völlig ausgereift ist. »Das Konzept entwickelt sich noch, wir müssen herausfinden, wie es funktionieren wird«, erklärte Admiral Mullen am 18. April in Neu Delhi. »Wir müssen noch den Weg nach vorne finden.«
Selbst wenn das Konzept nicht die erhoffte Resonanz finden sollte, will Washington seine bi- und multinationalen maritimen Partnerschaften weltweit ausbauen. Die US-Navy implementiert einige organisatorische Reformen, um TSN oder anderen Kooperationsinitiativen außerhalb der bestehenden Bündnisstrukturen gerecht zu werden.
Das Naval Expeditionary Combat Command (NECC) erstellt ein mobiles Ausbildungskommando (Expeditionary Training Command – ETC). Das Ausbildungskommando wird Partnerländer bereisen und feststellen, auf welchen Gebieten Ausbildungs- und Infrastrukturbedarf besteht, erklärte dessen stellvertretender Leiter, Lt. Commander Scott Chafian. »Wir werden dann die erforderlichen Ausbildungsprogramme ausarbeiten [und] entweder selbst die Ausbildung durchführen oder [andere Dienststellen damit beauftragen]«, sagte Chafian. ETC wurde ausdrücklich zur Unterstützung des TSN Konzepts aufgestellt.
In diesem Jahr wird auch die Erprobung des Konzepts der Globalen Flottenstationen (Global Fleet Stations – GFS) eingeleitet. Diese Flottenstationen sollen eine ständige US-Marinepräsenz in strategisch wichtigen Regionen mit mangelnder Sicherheitsinfrastruktur gewährleisten. In erster Linie geht es nicht darum, dort amerikanische Militäreinsätze zu leisten, sondern darum, die einheimischen Seestreitkräfte durch Ausbildungsmaßnahmen und Technologie zu unterstützen und langfristige Partnerschaften aufzubauen. Eine GFS soll allerdings auch als erste Kommandozentrale vor Ort fungieren, falls sich ein amerikanischer oder multinationaler Militäreinsatz oder Antiterroreinsatz in der Region entwickeln sollte. Die ersten beiden GFS werden in diesem Jahr versuchsweise in der Karibik sowie vor Afrika aufgestellt. Am 25. April verließ das Schiff HSV‑2 SWIFT seinen Heimathafen Mayport (Florida), um sechs Monate in der Karibik zu verbringen. An Bord sind das Führungselement der Task Group 40.9 sowie Ausbildungsteams der Navy, der Küstenwache, des Marinekorps sowie des State Departments. Hafenbesuche und Ausbildungsübungen mit den Seestreitkräften und Küstenwachen von sieben Anrainerstaaten gehören zum Programm. Im Herbst wird ein amphibisches Kriegsschiff aus Norfolk für ein Jahr in den Golf von Guinea abgestellt.
Künftige globale Flottenstationen könnten aus mehr als einem Schiff bestehen. Das Kommandoschiff dürfte groß genug sein, um eine Führungsgruppe, wechselnde Ausbildungsteams, Spezialeinsatzkräfte, ein Lazarett und ein Hubschrauber-Detachement zu beherbergen.
»Wann immer und wo immer die Möglichkeit existiert, müssen wir Beziehungen aufbauen und erhalten, die die Fähigkeiten unserer neuen und altbewährten Partner steigern und ihnen dabei helfen, gemeinsame Ziele zu erreichen«, schrieb Admiral Mullen in seinen offiziellen Vorgaben für das Fiskaljahr 2007. »Wir müssen Nationen anregen, ihre eigenen Territorialgewässer zu sichern und offene Nahtstellen zwischen Nachbarländern zu schließen. [Dies kann dadurch erfolgen, dass die Nationen] Hilfe bei der Steigerung der eigenen Fähigkeiten akzeptieren sowie durch Informationsaustausch und durch kollektive Sicherheitsmaßnahmen.«