Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Von Sidney E. Dean
(Sidney E. Dean berichtet im MarineForum zu Ereignissen und Entwicklungen bei der US Navy)
Die gegenwärtig eingesetzten trägergestützten E‑2C Hawkeye AWACS Flugzeuge der US-Navy wurden 1973 in Dienst gestellt; ein Teil der Flotte wurde im Jahr 2000 modernisiert (Hawkeye 2000).Ab 2011 soll die nächste Generation des E‑2 Flugzeuges – unter der Bezeichnung E‑2D Advanced Hawkeye – den Flottendienst aufnehmen. Obwohl das neue Flugzeug äußerlich seinem Vorgänger fast vollständig gleicht, ist die elektronische Ausstattung um zwei Entwicklungsgenerationen moderner.
E‑2 Flugzeuge haben zwei wesentliche Aufgaben. Einerseits Aufklärung und Überwachung, andererseits Einsatzführung.
Der Einsatz als fliegendes Frühwarnsystem zum Schutz amerikanischer Flottenverbände war von Anfang an die Primäraufgabe der E‑2 Flugzeuge. In der Aufklärungsrolle (gleichzeitige Luftraum- und Oberflächenüberwachung) wird die E‑2D wesentlich mehr leisten können als die E‑2C. Die (als vertraulich eingestufte) Radarreichweite der neuen Variante wird allgemein auf ungefähr 350 Seemeilen geschätzt. Damit könnte das neue Flugzeug rund 385.000 Quadratmeilen Meeresoberfläche absuchen – mehr als doppelt so viel wie die Hawkeye 2000 Variante. Nach Aussage des E‑2D Programmmanagers, Captain Shane Gahagan, soll der vom Radar des Advanced Hawkeye erfasste Luftraum (in Kubikmeilen), im Vergleich zum Erfassungsgebiet der gegenwärtig verwendeten Ausführung, sogar das dreifache Volumen haben.
E2‑D Advanced Hawkeye Bildquelle: US Navy |
Das neue System soll auch kleinere und schwer zu erfassende Ziele orten. Die bisherigen E‑2 Maschinen wurden für den Überwachungseinsatz über Wasser konzipiert. Sie können Luftziele inklusive tief fliegende Luftziele über Wasser sowie Überwasserziele erfassen. Tieffliegende Ziele über Land konnten die bisherigen Hawkeye allerdings nur sehr begrenzt auffassen. Das Advanced Hawkeye Flugzeug wurde hingegen ausdrücklich entwickelt, um auch Ziele zu erfassen, die über objektreichem Terrain, einschließlich Städte, fliegen. Am wichtigsten ist hierbei die Fähigkeit, moderne – teilweise mit Tarnkappentechnologie ausgestattete – Marschflugkörper zu erfassen, die eine wachsende Bedrohung für Kriegsschiffe darstellen.
Der Zentralrechner an Bord der E‑2D kann bis zu 2.000 Radarkontakte gleichzeitig verfolgen. Die leistungsfähigeren Aufklärungssysteme des Advanced Hawkeye sind daher auch geeignet, Schwarmangriffe (durch Flugzeuge und UAV, Raketen, Marschflugkörper oder Schnellboote) gegen Schiffsverbände frühzeitig zu erkennen und deren Abwehr zu koordinieren.
Schließlich muss die Navy im Rahmen der Litoralkriegsführung sowie der TSK-gemeinsamen Unterstützung von Bodentruppen künftig imstande sein, auch Aufklärung über Land durchzuführen. Die weitreichenden und leistungsstarken Sensoren der E‑2D erlauben es, Gebiete mehrerer Hundert Kilometer Tiefe zu überwachen, ohne Land zu überfliegen. Da die E‑2D im Gegensatz zu der Vorgängerausführung künftig für die Luftbetankung ausgestattet werden soll, können aber auch längere Aufklärungseinsätze über Land geflogen werden.
Die zweite wesentliche Aufgabe der E‑2 Flugzeuge als taktische Einsatzleitzentrale erhält seit dem Irakkrieg mehr Bedeutung. Während der Invasion 2003 rückten die Bodenverbände derart schnell vor, dass sie den Funkkontakt zu den bodengestützen Flugleitkompanien verloren, die ihre Luftunterstützung koordinieren sollten. E‑2C Hawkeye Flugzeuge wurden herangezogen, um diese Kommunikationslücke zu füllen, wechselten jedoch schnell vollständig in die Rolle als Einsatzzentrale für Jagdbomber aller TSK. Ohne diese flexible Koordinierung der Luftunterstützung hätte es wesentlich mehr Verluste unter den Bodentruppen gegeben, stellte das Militär nach dem Krieg fest. Daher wird die E‑2D von vorneherein auch als »hauptamtliche« taktische Einsatzzentrale konzipiert. Das Einsatzkonzept der E‑2D sieht sogar vor, dass eine Maschine einem Jagdbomberpulk voraus fliegt, um Luftaufklärung zu betreiben und um Flugabwehrstellungen zu entdecken.
Schließlich gilt das Flugzeug als integraler Bestandteil des neuen integrierten Flugabwehrfeuerleitsystems der Navy (Navy Integrated Fire Control – Counter Air – NIFCCA). Advanced Hawkeye wird die Zielkoordinaten anfliegender Bedrohungen an F/A‑18 Jäger, an die schiffseigenen Aegis-Führungssysteme sowie direkt an die Standard Missile Flugabwehrraketen der Navy- Schiffe weiterleiten, um den Abschuss von Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und Flugzeugen weit im Vorfeld des schwimmenden Verbandes zu gewährleisten. Die E‑2D soll es zum ersten Mal ermöglichen, dass Aegis-Schiffe anfliegende Ziele bereits in der maximalen Reichweite ihrer Abfangraketen bekämpfen können. Dies ermöglicht den Flugabwehrkräften einen größeren Spielraum, optimale Abfangszenarien zu errechnen und gegebenenfalls wiederholte Abfangversuche vorzunehmen.
Das Advanced Hawkeye System soll im Kontext von NIFC-CA vor allem eine Zentralrolle bei der Koordinierung der Raketenabwehr übernehmen. Erst durch die zuverlässige Möglichkeit, auch von Land gestartete feindliche Raketen und Marschflugkörper frühzeitig zu erkennen und mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit im Vorfeld des eigenen Verbandes zu bekämpfen, können Seestreitkräfte erfolgreich in Litoralgewässern operieren. Die E‑2D steht auch im Datenverbund mit den Patriot-Flugabwehrbatterien der Bodenstreitkräfte, um Flug- und Raketenabwehr auch über Land zu koordinieren. Durch Früherkennung vor allem von Gefechtsfeld- , Kurzstreckenraketen und Marschflugkörpern sowie durch die aktive Zielsteuerung von Flugabwehrraketen trägt die E‑2D zu einem gesteigerten Kräfteschutz sowohl fahrender Verbände – insbesondere in den Litoralgewässern – wie von Bodentruppen bei. Das neue Flugzeug ist von vornherein im Rahmen des Cooperative Engagement Capability (CEC) auch für den TSK-gemeinsamen Einsatz und den Datenverbund mit Army, Marines und Air Force Flugabwehrsystemen und Flugzeugen konzipiert.
Die E‑2D ist äußerlich fast nicht von der E‑2C zu unterscheiden. Die neue Ausstattung ist allerdings wesentlich. Dies fängt bereits mit dem Rumpf an. Durch zusätzliche Nutzlast wird die E‑2D rund 2.000 Kilo schwerer als das Vorgängermodell. Das aus leichtem Aluminium und widerstandsfähigen Verbundstoffen gefertigte Flugzeuggerüst wird verstärkt, um die größere Belastung auszugleichen.