Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “Marineforum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Vor 40 Jahren:
Der USS PUEBLO Zwischenfall
(Der Autor, ein früherer Marineoffizier, lebt und reist seit 15 Jahren überwiegend in Ostasien)
Im Januar 1968 kam es vor der Ostküste Nordkoreas zu einem Zwischenfall, dessen Qualität potenziell geeignet war, einen neuen Korea-Krieg auszulösen, dessen Bewertung bis heute umstritten ist und der die USS PUEBLO noch heute zu einer Attraktion macht.
Die PUEBLO lief am 16.04.1944 als leichter Frachter bei Kewaunee Shipbuilding vom Stapel, wurde am 05.07.1944 für die US-Army mit der Kennung FP-344 (später FS-344) in Dienst gestellt und auf den Philippinen eingesetzt.
1954 der Reserveflotte zugeteilt, kam sie am 12.04.1966 – nun für die US-Navy – erneut in Dienst und wurde in der Puget Sound Naval Shipyard zu einem Aufklärungsschiff umgebaut. Sie erhielt ihren Namen PUEBLO und – als Forschungsschiff deklariert – am 02.05.1967 die Kennung AGER‑2. AGER stand dabei für Auxiliary General Environmental Research, einem gemeinsam von der US-Navy und der National Security Agency betriebenen Aufklärungsprogramm.
Der Zwischenfall
Die Ops-Order P 161006Z DEC 67 von COMNAVFORJAPAN nannte an Aufträgen:
Bestimmung von Art und Umfang der Flottenaktivitäten in den Gewässern vor Nordkorea, insbes. den Häfen Chongjin, Songjin, Mayang Do und Wonsan
Aufklärung elektronischer Einrichtung, vor allem Radarinstallationen
Aufklärung sowjetischer Flotteneinheiten in der Tsushima-Straße …
Die Ops-Order legte die Operationsgebiete Pluto, Venus und Mars fest (vgl. Karte), jeweils 13 bis 60 sm von der Küstenlinie entfernt. Die Einschätzung des Risikos lautete unter para. B. der Ops-Order: Minimal, da PUEBLO während des gesamten Einsatzes in internationalen Gewässern operiert.
Zu den Rules of Engagement wurde auf CINCPACFLTINST 003120.24A mit besonderer Betonung der Verletzbarkeit der PUEBLO verwiesen. Gegenüber nordkoreanischen und/ oder sowjetischen Einheiten sollte ein CPA von 500 yards nicht unterschritten werden – höchstens kurzfristig bis auf 200 yards. Das Schiff sollte nicht in Übungen von fremden Einheiten hineindampfen, wohl aber ggf. an deren Peripherie operieren.
Die Sailing Orders P 050512Z JAN 68 von CTF NINE SIX gaben PUEBLO Befehl, nach Versorgung um den 08.01.1968 herum Sasebo Japan auszulaufen.
EMCON: Funkstille erst nach Herstellung laufenden Kontakts zu sowjetischen Einheiten zu brechen, dann täglicher SITREP.
Das Schiff ging am 11.01.1968 in See. Am 21.01. kam es zu einer Begegnung mit einer U‑Jagd Einheit der sowjetischen SO‑1 (mod) Klasse. Die Einheit passierte in ca. 1.600 yards Abstand mit 25 kn ohne erkennbare Abstrahlungen. Funkstille wurde deswegen beibehalten.
Der 22.01. brachte bei sehr klarem Wetter auch erstes elektronisches Aufkommen. Die PUEBLO hatte inzwischen die Op-Area Mars vor Wonsan erreicht. Dass es ebenfalls am 22.01. zu einem schwerwiegenden Zwischenfall an Land kam, der zu einer deutlichen Erhöhung der Gefahr eines Zwischenfalls führte, wurde dem Kommandanten der PUEBLO nicht bekannt: Bei einem Attentatsversuch in Südkorea, der auf dortiges Führungspersonal zielte, wurde eine offensichtlich nordkoreanische Kommandoeinheit praktisch völlig aufgerieben.
Am frühen Nachmittag des 22. kamen zwei nordkoreanische Trawler der sowjetischen LENTRA-Klasse in Sicht. Sie näherten sich zunächst auf 500, dann bis auf 25 yards. Hierauf versuchte PUEBLO den SITREP No.1 zu senden, konnte jedoch keine Verbindung herstellen (das Absetzen gelang erst am 23. um 10.00 Uhr OZ). In Unkenntnis der Lage wurde der Aufklärungsauftrag weiter ausgeführt.
Am 23. 01., als PUEBLO von einer nächtlichen Position 25 sm von Land auf eine Aufklärungsposition 15 sm ab von der Küste der Insel Yo Do lief, näherte sich erneut eine nordkoreanische U‑Jagd Einheit und forderte PUEBLO auf, sich zu erkennen zu geben. Die Nordkoreaner waren auf Gefechtsstation. Die Amerikaner setzten Flagge und versuchten, trotz Aufforderung zum Stoppen abzulaufen. Weitere nordkoreanische Einheiten sowie zwei MiG-21 erschienen am Ort des Geschehens. Eine erneute Überprüfung des Schiffsortes ergab Abstand 15,8 sm zum nächsten Land. Erste Enterversuche wehrte die PUEBLO durch Ausweichmanöver ab (ihre Maschinengewehre waren weder gefechtsbereit noch wurden sie bemannt). Schließlich erfolgte Feuereröffnung durch die nordkoreanischen Einheiten; sowohl Einschläge aus 5,5‑cm-Geschützen als auch massiertes MG-Feuer führten dazu, dass die PUEBLO beidrehte.
Zu diesem Zeitpunkt war CINCPACFLT über den Vorfall unterrichtet. Es stellte der PUEBLO Unterstützung in Aussicht, zu der es jedoch nicht kam. Ein Gegenangriff auf die nordkoreanischen Einheiten hätte angesichts der ohnehin gespannten Lage Weiterungen bringen können, zu deren Verantwortung dem Oberbefehlshaber zu melden war. Als Präsident Johnson jedoch geweckt wurde, war der Vorfall bereits in seine nächste Phase getreten.
Während die PUEBLO von den nordkoreanischen Einheiten zum Hafen Wonsan geleitete wurde, stoppte sie vor Erreichen der Hoheitsgewässer erneut auf. Sie wurde daraufhin wieder unter Beschuss genommen, wobei ein Seemann den Tod fand. Das Schiff wurde geentert, die Besatzung festgesetzt.