Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
von Markus Krause-Traudes
Mit der Feststellung: »The best protection against threats is not defence, but friends« begrüßte Admiral Gary Roughead, Chief of Naval Operations der US Navy am 07. Oktober 2009 über 100 Chiefs of Navy und Commandants of Coastguard zum 19. Internationalen Seapower Symposium am Naval War College in Newport, Rhode Island. Den besonderen Status dieses bislang weltweit größten Zusammentreffens maritimer Oberbefehlshaber wurde ebenfalls durch die Begrüßung der Symposiumsteilnehmer durch Außenministerin Hillary Clinton per Videobotschaft sowie durch den amtierenden Secretary of the Navy, The Honorable Ray Mabus in persona unterstrichen. Insgesamt waren der Einladung der US-Navy neben den maritimen Oberbefehlshabern rund 300 weitere Flagg- und hochrangige Stabsoffiziere gefolgt.
Ziel des seit 1969 mit zwei Ausnahmen alle zwei Jahre stattfindenden Symposiums ist, ein gemeinsames Verständnis zwischen den Oberbefehlshabern der Marinen und Küstenwachen dieser Welt zu fördern. In seinem Eingangsstatement stellte Admiral Roughead mit Blick auf die zahlreichen Initiativen zur Verbesserung der maritimen Sicherheit ebenfalls fest, dass aus seiner Sicht die letzten zwei Jahre offensichtlich mehr für die Zusammenarbeit aller Marinen weltweit gebracht hätten, als die 38 Jahre davor.
Er berichtete von seinen zahlreichen Reisen innerhalb der letzten zwei Jahre und von den ebenso zahlreichen Gesprächen, die er mit seinen Amtskollegen geführt hatte, und aus denen er viel gelernt habe. Besonders erwähnte er dabei die Tatsache, dass dieses Jahr auch einige Chiefs of Navies von Ländern am Symposium teilnahmen, die vor nicht allzu langer Zeit noch im Krieg miteinander waren: Irak und Kuwait, Pakistan und Indien, Vietnam und Kambodscha, Russland und Georgien. Zur Erklärung dieser Tatsache zitierte er den Oberbefehlshaber der Marine von Bangladesh mit der Bemerkung: »It is the sea, that unites«. Ebenfalls steht für Admiral Roughead fest, dass die zahlreichen Aktivitäten der verschiedenen maritimen Kräfte auf den Weltmeeren auch weiterhin erforderlich sind, um deren Freiheit und damit den Fortschritt der Globalisierung zu sichern. Er sei sich deshalb mit dem Inspekteur der Deutschen Marine völlig einig »… that the 21st century is truly going to be a maritime century!«.
Admiral Roughead begrüßt die TeilnehmerTeilnehmer |
Das Zusammentreffen im vierzigsten Jahr des Seapower Symposiums stand ganz im Zeichen der im Oktober 2007 durch die Oberbefehlshaber von US Marines, US Coast Guard und US Navy erlassenen »Cooperative Strategy for the 21st Century Seapower« (siehe hierzu MF 12/07 S. 9). Mit diesem strategischen Papier begann Anfang 2008 der grundsätzliche Wandel in der Sicherheitspolitik der USA, hin zu einem neuen Multilateralismus und verstärkter internationaler Zusammenarbeit – beides Aspekte, die sich in der »National Defense Strategy« vom Sommer 2008 fortsetzten. Das für Herbst 2008 angekündigte Folgedokument, das US Naval Operational Concept (NOC), lag bis Symposiumsbeginn jedoch nicht vor, sodass eine Diskussion über neue, konkrete konzeptionelle Planungen der US Navy und der sich daraus ergebenden neuen Kooperationsmöglichkeiten nur im Ansatz geführt werden konnte.
Gleichwohl gab es genug Diskussionsmöglichkeiten zu den Themenbereichen (I) einer globalen Verknüpfung verschiedener regionaler Maritimer Partnerschaften, (II) einer Unterstützung zielgerichteter Zusammenarbeit (Collaboration) verschiedener Marinen im Bereich der Maritime Domain Awareness und zu der Frage, (III) wie die Zusammenarbeit auf dem Feld der Maritimen Sicherheit künftig effektiver gestaltet werden kann. Angesichts der aktuellen Bedrohungen gegen die globalen Wirtschafts- und Sicherheitssysteme konnten anlässlich des Symposiums zumindest deren maritimen Aspekte in Breite und Tiefe betrachtet werden.
Im Vergleich zu den Ergebnissen des Symposiums von 2007 war deutlich zu erkennen, welchen Fortschritt die Marinen und Coast Guards der Welt bei der Zusammenarbeit national und regional gemacht haben. So wurde die 2007 ins Leben gerufene Idee einer »1000-Ship-Navy« zwischenzeitlich ersetzt durch das Konzept der globalen maritimen Partnerschaft, das bei der Bekämpfung der Piraterie in den Gewässern am Horn von Afrika ja bereits zur Anwendung kommt. Im Verlauf der zahlreichen Präsentationen und Diskussionsrunden wurde sehr schnell klar, welche Vielzahl an Problemen noch zu lösen sind. Deren Spannweite reicht dabei von der Inkompatibilität regionaler Informationssysteme auf globaler Basis, bis hin zu den administrativen und bürokratischen Hindernissen bei der Weitergabe von Informationen bzw. sensitiver Daten über nationale Landesgrenzen hinweg.
Deutlich waren im Verlauf der Diskussionen während des Symposiums die Bemühungen aller für Marinen und Küstenwachen dieser Welt verantwortlichen Offiziere zu erkennen, trotz aller aktuell anzutreffenden Widrigkeiten auf dem Gebiet der Maritimen Sicherheit gemeinsam weiter voranzukommen und die Initiative des Handelns zu behalten, trotz der überall zu spürenden Auswirkungen der Finanzkrise. Hierzu dürften auch zahlreiche Vieraugengespräche gedient haben, für die seitens des Veranstalters viel Zeit und Gelegenheit zur Verfügung gestellt worden war.
Adm Roughead und Marineminister Ray Mabus |
Natürlich standen die Themen Kampf gegen internationalen Waffenschmuggel, globaler Fischereischutz, Umweltverschmutzung, illegaler Handel mit Narkotika über die Weltmeere, die Unterstützung über See bei Umweltkatastrophen und die globale Erwärmung und ihre Folgen auf der Agenda – selbstverständlich alles Themen, die man gerne auch mit Vertretern der Marine Chinas diskutiert hätte, die, obwohl eingeladen, nicht zum Symposium angereist waren.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nahezu alle Marinen und Coast Guards der Welt nahezu die gleichen Probleme auf See und zu Hause zu bewältigen haben. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit auf See zwischen den Schiffen und Flugzeugen der verschiedenen Marinen auf pragmatische Art und Weise und ohne größere Komplikationen. Das Vertrauen in das eigene Können, in die Seemannschaft und das Können des Partners sowie die Gewissheit, dass heute kein Land in der Lage ist, die globalen Herausforderungen alleine zu lösen, schafft eine gemeinsame Basis, auf der ein Auftrag gemeinsam durchgeführt werden kann. Unisono beschäftigt jedoch alle maritimen Oberbefehlshaber die in allen Ländern der Welt im zunehmenden Maße zu beobachtende »Seablindness« der Bevölkerungen und Politiker, die dazu führt, dass Belange der Maritimen Sicherheit nicht in dem Maße und der Bestimmtheit vorangetrieben werden, wie es aufgrund der Entwicklung des internationalen Handels eigentlich erforderlich wäre.
Inwieweit auf diesem Gebiet eine Weiterentwicklung des »Comprehensive Approach« durch einen nationalen »Whole-of Government-« bzw. multinationalen »Whole-of-Institutions- Approach« notwendig ist, wurde während des Seapower Symposiums am Beispiel Kanadas deutlich – nur aufgrund dieses Paradigmenwechsels und des sich daraus ergebenden politischen Nachdrucks war man dort in der Lage, im Laufe der letzten Jahre ganz neue Wege zu beschreiten.
Ebenso stellte sich allen Teilnehmern wiederholt die Frage nach der künftigen Rolle und Funktion der Vereinten Nationen, wie zum Beispiel bei der Lösung bestehender zwischenstaatlicher Dispute auf See oder bei der Erweiterung der Küstenmeere auf künftig 350 Seemeilen. Da es hier um bindende Festlegungen für alle Weltmeere – die ja bekanntlich mehr als 70 Prozent der Weltoberfläche bedecken – und ihre Anrainer geht, stellt sich dem interessierten Betrachter die Frage, inwieweit von einer Institution, deren Mitarbeiter zu deutlich mehr als 70 Prozent über keinerlei maritimes Know-how verfügen, die Entwicklung einer Strategie für die friedliche und gemeinsame Nutzung der Weltmeere erwartet werden kann. Hier existieren für die 126 Oberbefehlshaber der weltweit vorhandenen Marinen sowie der 12 Länder, die ausschließlich über eine Küstenwache verfügen, in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Betätigungsfelder.