Feuertaufe
Die ersten Flugzeuge der Navy wurden bereits 1911 an beiden US-Küsten auf den Stützpunkten North Island (bei San Diego, California) sowie Annapolis (Maryland) stationiert. Hier erfolgte auch die erste Flugausbildung einer geringen Anzahl von Marineoffizieren.
Im Januar 1914 wurde die Fliegergruppe aus Annapolis nach Pensacola (Florida) verlegt. Die kleine Gruppe – neun Offiziere, 23 Mannschaften und sieben Flugzeuge – sollte dort die zentrale Flugausbildung organisieren und gleichzeitig die fliegerische Einsatzgruppe für die Atlantikflotte stellen. Da es noch keine Flugzeugträger gab, wurden stets zwei Maschinen einem Kreuzer oder Schlachtschiff als Aufklärer zugeteilt. Die Flugzeuge wurden an Bord des mit einem Deckkran ausgestatteten Kriegsschiffes befördert, doch erfolgten Start und Landung vorerst vom Wasser aus. Den ersten Katapultstart von einem Kriegsschiff führte Lt. Commander Henry Mustin am 5. November 1915 vom Deck des Panzerkreuzers USS NORTH CAROLINA durch.
Landung eines Wasserflugzeuges Foto: US Navy |
Bereits im April 1914 starteten vier Navy Flugbesatzungen von Pensacola in den ersten marinefliegerischen Kriegseinsatz der USA. Als Aufklärungskräfte begleiteten sie Kriegsschiffe der US-Atlantikflotte nach Mexiko, um amerikanische Interessen angesichts des dortigen Bürgerkrieges zu schützen. Als die Krise eskalierte, wurden auch die amerikanischen Streitkräfte einbezogen. Am 6. Mai 1914 wurde ein Wasserflugzeug vom Typ AH‑3 durch mexikanische Truppen beschossen und leicht beschädigt – die erste direkte Feindberührung eines amerikanischen Militärflugzeuges. Mechaniker des Schlachtschiffes MISSISSIPPI fertigten unter Verwendung von Torpedosprengköpfen provisorische Fliegerbomben an, die allerdings nie zum Einsatz kamen. Dafür wurden im Verlauf dieses Einsatzes die ersten taktischen Aufklärungsfotos der Navy aus der Luft aufgenommen.
Als die Vereinigten Staaten am 6. April 1917 in den Ersten Weltkrieg eintraten, verfügte die US-Navy über 54 Flugzeuge. Auch die Zahl der Fliegeroffiziere war so übersichtlich, dass sie in den Einsatzberichten vor 1917 noch unter Angabe ihrer Flugausbildungsnummer identifiziert wurden. (»Lt. Y, Fliegeroffizier Nr. XX, unternahm heute einen Aufklärungsflug …«) Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden fünfzehn neue Flugausbildungsstaffeln aufgestellt. Sechs dieser Staffeln waren auf fortgeschrittene Ausbildungsgänge einschließlich Bombereinsatz ausgerichtet. Den wichtigsten Kriegsbeitrag leisteten Navy Aufklärungsflugzeuge bei der Konvoisicherung und der U‑Boot-Bekämpfung. Auch als Jagdflieger über Europa kamen die Piloten der Navy und des Marine Corps zum Einsatz. Bis Kriegsende verfügte die US-Navy über rund 2.100 Flugzeuge (einschließlich Luftschiffe).
Marinerüstungsabkommen als Katalysator
Das erste Jahrzehnt der amerikanischen Marinefliegerei, inklusive Kriegseinsatz, stellte im Grunde genommen eine Lehrzeit dar. Im Verlauf der 1920er Jahre wurden Technologien und Taktiken entwickelt, die einen Reifeprozess darstellten. Bis Anfang der 1930er Jahre waren die Weichen gestellt, die bis in die heutige Zeit die US-Marinefliegerei – und damit die US-Navy insgesamt – definieren.
Eine wichtige Schlussfolgerung aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges war der Bedarf für eine wesentliche Reichweitensteigerung für Flugzeuge sowie die Notwendigkeit, Schiffe und U‑Boote wirksam aus der Luft bekämpfen zu können. Größere und leistungsstärkere Flugzeuge mit einer schwereren Nutzlastkapazität wurden entwickelt. Spezialisierte Jagdflugzeuge, Aufklärer und Torpedobomber wurden im Laufe der 1920er Jahre eingeführt. Die erste Luftbetankung fand 1923 statt.
Als Sternstunde der US-Marinefliegerei muss die Indienststellung des ersten amerikanischen Flugzeugträgers, USS LANGLEY (CV 1), im März 1922 gelten (auch wenn Amerika in puncto Flugzeugträgerentwicklung noch einige Schritte hinter England und Japan stand). Die LANGLEY entstand durch den Umbau des Kohlentenders JUPITER. Das Schiff konnte ursprünglich zwölf (später 42) Flugzeuge aufnehmen und diente primär als Versuchsplattform für die Erprobung des Trägerkonzepts.
LANGLEY, ursprünglich ein Kohletender Foto: US Navy |
Die nächsten beiden Flugzeugträger – USS LEXINGTON (CV 2) und USS SARATOGA (CV 3) – wurden 1927 in Dienst gestellt; sie entstanden durch Designänderungen an zwei halb fertigen Schlachtkreuzern. Die mit zwei Aufzügen ausgestatteten Schiffe konnten je 91 Flugzeuge führen, hatten 10.000 sm Reichweite und waren mit 35 kn die schnellsten Kriegsschiffe der Flotte. Mit USS RANGER (CV 4) wurde 1934 das erste vom Kiel auf als Flugzeugträger konzipierte US-Kriegsschiff in Dienst gestellt.
Der wohl wesentlichste Katalysator für die Entwicklung der Flugzeugträger sowie der Marinefliegerei insgesamt war das Washingtoner Flottenabkommen von 1922, das u.a. den Bau von kapitalen Schiffen für zehn Jahre untersagte. Das Abkommen setzte den USA eine Flottengesamtobergrenze von 525.000 Tonnen; ein Viertel dieser Tonnage stand für den Erwerb von Flugzeugträgern zur Verfügung. Die US-Navy verfolgte also gezielt den Bau von Flugzeugträgern und den Ausbau der offensiven Kapazität der Marinefliegerei, um den Kampfkraftverlust aus dem Schlachtschiffmoratorium auszugleichen und die Schlagkraft der Navy zu maximieren.