Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Die US-Navy feiert dieses Jahr das hundertste Jubiläum der amerikanischen Marinefliegerei. Als »Geburtstag« gilt der 8. Mai 1911. An diesem Tag unterzeichnete Captain Washington Irving Chambers offiziell den Beschaffungsauftrag für die ersten beiden Flugzeuge der Navy.
Chambers, ein früher Verfechter der Einbindung der neuen Flugzeugtechnologie bei der Navy, hatte hart arbeiten müssen, um diesen Anfang zu ermöglichen. Viele Traditionalisten in der Marineführung erkannten – ebenso wie der damalige US-Präsident William Taft und Marineminister George von Lengerke Meyer – keine praktische Anwendung für Flugzeuge bei der Flotte und lehnten »unnütze Experimente« ab. Chambers umging – unter Gefährdung der eigenen Karriere – den Befehlsweg und suchte Unterstützung bei Kongressabgeordneten und einflussreichen Verlegern.
So gelang es ihm schließlich im September 1910, offiziell zum Luftfahrtreferenten der Navy ernannt zu werden, mit dem Auftrag, die Entwicklung der Flugzeugtechnologie mit Blick auf militärische Anwendungen zu verfolgen. Dem Offizier war bewusst, dass es nur eine Möglichkeit gäbe, die Relevanz der Fliegerei für die Marine zu beweisen. Chambers nahm folglich Kontakt zu dem Flugzeughersteller Glenn Curtiss auf. Er fragte Curtiss, ob er sich zutraue, ein Flugzeug auf einem Schiff landen zu lassen. Der Hersteller sagte sofort zu.
Irving Chambers Foto: US Navy |
Erster Start Foto: US Navy |
Erste Landung Foto: US Navy |
Am Nachmittag des 14. November 1910 war es soweit. Über dem Vorderdeck des vor Norfolk, Virginia liegenden leichten Kreuzers USS BIRMINGHAM war eine 25 Meter lange Holzplattform als provisorische Rollbahn errichtet worden. Am hinteren Ende der Plattform befand sich ein Doppeldecker vom Typ Curtiss Model D. Auf dem Pilotensitz saß der Rennfahrer und Testpilot Eugene Ely, ein Mitarbeiter von Glenn Curtiss. Um genau sechszehn Minuten nach Drei-Uhr schnellte das Flugzeug vor, flog über das Ende der Startplattform heraus – und verschwand in die Tiefe. Ely konnte die Maschine gerade über der Wasseroberfläche abfangen und hochziehen. Dabei berührte der Propeller das Wasser. Trotz des nun verbogenen Rotorblatts erreichte das Flugzeug den vier Kilometer entfernten Strand und setzte – in der Nähe des heutigen Marinestützpunkts Norfolk – sicher auf.
Dem Zivilisten Ely, der erst vor sieben Monaten das Fliegen erlernt hatte, war der weltweit erste Flugzeugstart von einem Schiff gelungen. Er wurde in der Presse als Held gefeiert. Traditionalisten in der Marineführung waren weniger begeistert. Also setzte Captain Chambers zum nächsten logischen Schritt an – der weltweit ersten Landung eines Flugzeugs auf einem Schiff.
Dieser Versuch erfolgte am 18. Januar 1911 in der Bucht von San Francisco. Auf dem Panzerkreuzer USS PENNSYLVANIA wurde eine 37 Meter lange und zehn Meter breite hölzerne Rollbahn errichtet. Als provisorisches Arretiersystem wurden 22 durch Sandsäcke beschwerte Fangseile über die Rollbahn gespannt; Haken wurden am Fahrgestell des Flugzeugs angebracht. Seitlich und am Ende der Rollbahn wurden vorsorglich noch Planen gespannt, um das Flugzeug notfalls aufzufangen.
Auch diesmal hieß der Pilot Eugene Ely. Er startete – im gleichen Flugzeug wie im November – von der städtischen Rennbahn von San Francisco, f log in 400 Meter Höhe über die Bucht und steuerte (dank Rückenwind) mit 100 km/h die USS PENSYLVANIA an. Er setzte auf, wurde durch eine Windböe wieder in die Luft gehoben und verpasste die ersten elf Hanfseile, kam aber endlich zu einem sicheren Stopp.
Mehr als 75.000 jubelnde Menschen hatten von Land aus Elys Flug mit verfolgt. Die Presse überschlug sich in Lob sowie in Spekulationen über den künftigen Einsatz von Bomberflugzeugen. Weitblickende Schlagzeilen verkündeten, dass die Regeln des Krieges neu definiert werden müssten. Auch der US-Kongress war überzeugt. Eine Sonderbewilligung in Höhe von 25.000 Dollar wurde für den Aufbau der Marinefliegerei verabschiedet. Unter Chambers Ägide begann die Navy systematisch, aerodynamische und hydrodynamische Studien durchzuführen. Auch ein Windtunnel wurde eingerichtet. Einerseits sollten so Designverbesserungen erarbeitet werden, um künftige Flugzeuge für den maritimen Einsatz zu optimieren; andererseits sollten die Leistungsgrenzen erforscht und die Einsatztaktik erarbeitet werden.