Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Hohe Belastung der Besatzung
Das SUW-Modul (ohne Raketenkomponente) ist auch bereits einsatzerprobt. Mit dieser Konfiguration lief USS FREEDOM am 16. Februar 2010 zur ersten Einsatzfahrt der LCS-Klasse aus. Das Schiff verbrachte sieben Wochen in lateinamerikanischen Gewässern und in der Karibik und fing in dieser Zeit vier Drogentransporte mit insgesamt fünf Tonnen Kokain ab. Anschließend nahm USS FREEDOM im Sommer 2010 an der multinationalen Großübung RIMPAC in den Gewässern um Hawaii teil.
Obwohl die neue Schiffsklasse zweimal so groß wie die Minenkampfschiffe und beinahe so groß wie Fregatten ist, kommen beide LCS-Varianten mit einer 82-köpfigen Besatzung aus (zum Vergleich: FFG haben 215 Besatzungsmitglieder, MCM haben 84). Die LCS-Besatzung ist unterteilt in:
- eine 40-köpfige Grundbesatzung für die eigentliche Schiffsführung;
- eine 23-köpfige Flugbetriebsmannschaft;
- sowie 19 Spezialisten für die Bedienung der jeweiligen Einsatzmodule (ursprünglich waren sogar nur 12 Einsatzspezialisten vorgesehen).
Durch Aufstellung zusätzlicher Wohnmodule im Frachtraum lassen sich im Einzelfall – einschließlich der Kernbesatzung – bis zu 100 Personen an Bord unterbringen. So könnten beispielsweise im Bedarfsfall zusätzliche Boardingmannschaften oder auch ein Zug Marineinfanterie mitgeführt werden.
Die sehr kleine Kernbesatzung der LCS-Klasse wird durch eine weitgehende Automatisierung des Schiffsbetriebs (inklusive Schadenseindämmung und Feuerbekämpfung) ermöglicht. Sämtliche Schiffssysteme sind an ein internes Datennetz angeschlossen. Die Führung des Schiffes erfolgt über Konsolen per Joystick und Maus, deren Bedienung an das Microsoft Windows System angelehnt ist.
Bei Routinebetrieb nur zwei Mann auf der Brücke Foto: US Navy |
Häufig wird aber der Autopilot eingesetzt. Selbst bei anspruchsvollen Aufgaben wie Treibstoffaufnahme auf See kann der Autopilot den eingegebenen Abstand zum Versorger autonom einhalten. Die Schiffsführung ist sogar per Laptop Computer möglich. Schnittpunkte zum Anschließen eines Computers sind über das ganze Schiff verteilt. Dies ermöglicht es beispielsweise, im Schadensfall die Triebwerke zu bedienen, selbst wenn der Zugang zum Maschinenraum durch Brand oder Flutwasser versperrt ist.
Trotz Automatisierung wird die Besatzung auf der LCS-Klasse extrem gefordert. Jedes Besatzungsmitglied muss auf mehr als einem Gebiet qualifiziert sein und mindestens drei verschiedene Aufgaben übernehmen. Folglich wird nur erfahrenes Personal eingesetzt. Der niedrigste Mannschaftsdienstgrad an Bord ist Petty Officer 2nd Class (Maat).
Obwohl die Dienstschicht grundsätzlich nach dem Muster »sechs Stunden Dienst, zwölf Stunden frei« organisiert ist, müssen sämtliche Besatzungsmitglieder in der Regel auch während ihrer Freischicht anpacken. Commander Kris Doyle, von März 2009 bis August 2010 Kommandant der USS FREEDOM, räumte ein, dass die Mannschaft in Wirklichkeit knappe sechs Stunden am Tag frei hat. Lt. Cmdr. Earl Timmons, Leitender Waffensystemoffizier auf LCS 1, erklärte sogar, dass er im Durchschnitt nur drei bis vier Stunden Schlaf täglich erhält. »Der Arbeitsrhythmus ist schon anstrengend, aber er lässt sich bewältigen«, sagte er.
Ohne Versorgung können Einheiten der LCS-Klasse bis zu 20 Tage auf See verbringen. Durch wiederholte Versorgung auf See lässt sich diese Ziffer um ein Mehrfaches verlängern. Wartungsspezialisten sollen alle drei Monate aus den USA eingeflogen werden, um im Ausland befindliche LCS-Schiffe instand zu halten. Diese Wartung kann auf See oder in einem fremden Hafen vorgenommen werden.
Die Schiffsbesatzung wird alle vier Monate ausgewechselt. Vorerst gibt es für jedes Schiff dieser Klasse zwei komplette Kernmannschaften, die abwechselnd Dienst auf dem Schiff und Aus- bzw. Fortbildung an Land durchführen.
Nach Aussage von Admiral Pandolfe sollen künftig je zwei LCS-Schiffe sowie drei Kernmannschaften zu einer Einheit zusammengeschlossen werden. Ständig soll eines der Schiffe im Übersee-Einsatz sein, während das zweite Schiff im Heimathafen bereitsteht. Die drei Kernbesatzungen werden im Viermonatsrhythmus Überseedienst leisten, allgemeine Fortbildung betreiben oder sich auf dem im Hafen befindlichen LCS-Schiff auf die nächste Überseeverwendung vorbereiten. »So werden wir pro LCS-Schiff zwei- bis dreimal so viel Überseepräsenz erzielen, als unsere übrigen großen Schiffsklassen leisten«, erklärte Pandolfe.
Allerdings räumte Commander Doyle ein, dass noch Änderungen bei der Crewgestaltung möglich wären. Die wesentliche Aufgabe der Einsatzfahrten der USS FREEDOM im letzten Jahr war die Erprobung der bis dahin theoretischen Einsatzkonzepte für die neue Schiffsklasse. »Meine Aufgabe ist es, alles bis zum Limit auszulasten«, erklärte sie während eines Interviews am Rande der RIMPAC Übung. »Das gilt für die Besatzung, für die Einsatzkräfte, für die Arbeitsmethoden. Wir müssen feststellen, was funktioniert und was nicht.« Noch sei es zu früh, um zu sagen, ob eine vierzigköpfige Crew wirklich die Arbeit von 200 leisten kann, stellte Cmdr. Doyle fest. »Wir arbeiten noch die optimale Balance zwischen Menschen und Automatisierung aus.«
Womit der Kreis zu der im Dezember beschlossenen Parallelbeschaffung beider Schiffsvarianten geschlossen wird. Einerseits erhält die Navy hierdurch die Chance, die Vor- und Nachteile beider Modelle fünf Jahre lang voll auszuloten, ohne sich übereilt festzulegen. Andererseits belastet die Parallelbeschaffung zusätzlich das Personalsystem. Die beiden Varianten sind in der Auslegung und der technischen Ausstattung so unterschiedlich, dass Matrosen nur für den Dienst auf dem einen oder dem anderen Modell ausgebildet werden können. Wer als Maat oder Bootsmann erst einmal zwei Jahre lang auf dem Halbgleiter bzw. dem Trimaran ausgebildet wurde, dürfte seine restliche Dienstzeit auf diesem Schiffstyp verbringen. Die Tatsache, dass nur Soldaten der mittleren bis gehobenen Mannschaftsdienstgrade herangezogen werden, verursacht bereits jetzt Sorgen vor Personalengpässen bei der Flotte.
Langfristige Planung
Wie es nach 2015 weitergeht, bleibt offen. Die Navy behält sich vor, mit der zweigleisigen Beschaffung fortzufahren oder sich für eine einzige Ausführung zu entscheiden. Im letzteren Falle dürfte die eigentliche Herstellung der Schiffe aber trotzdem auf zwei Firmen verteilt werden. Hierfür gäbe es verschiedene Gründe: Durch Konkurrenz soll der Anreiz geschaffen werden, Qualität, Lieferzeiten und Kosten im gewünschten Rahmen zu halten; durch Verteilung der Arbeit bleibt – mit Blick auf künftige Beschaffungspläne – die Schiffbauinfrastruktur erhalten; im Falle einer Umweltkatastrophe oder eines Sabotageakts in einer Region bleibt zumindest die Lieferfähigkeit der anderen Werft erhalten. Auch die wirtschaftlichen und politischen Realitäten müssen beachtet werden. Durch Verteilung der Produktion entstehen mehrere Tausend zusätzliche Arbeitsplätze. Hierdurch verdoppelt sich die Anzahl der Kongressabgeordneten, die ein konkretes Interesse daran haben, das Beschaffungsprogramm weiterhin zu unterstützen – in Zeiten schrumpfender Verteidigungsetats ein wertvoller Tatbestand.
Langfristig soll die LCS-Flottille mit 55 Einheiten rund achtzehn Prozent der gesamten US-Flotte (Zielgröße: 313 Einheiten) stellen. Diese LCS-Bestandsgröße soll mindestens bis zum Jahr 2040 erhalten bleiben. Da Schiffe der LCS-Klasse nach rund 25 Dienstjahren ausgemustert werden sollen, gehen die ersten Einheiten aber bereits Mitte der 2030er Jahre in den Ruhestand. Die Navy will daher langfristig zusätzliche Einheiten erwerben, um die ersten ausgemusterten Einheiten zu ersetzen. Gemäß des im Februar 2010 vorgestellten 30-jährigen Flottenbauplans sollen daher bis 2040 insgesamt 66 LCS gebaut werden. Ob diese Pläne verwirklicht werden, dürfte zu einem Großteil von den Erfahrungen der nächsten Jahre abhängen.