Die 4. Seewoche ist freeplay…
Anders die vierte und letzte Seewoche: Sie beginnt meist bereits am Wochenende zuvor. Das Schiff – versehen mit einer Krisenlage – sticht im Einsatz- bzw. Kriegsmarsch in See, ohne dass die nun folgenden Übungen im WPP ausgeworfen sind. Diese »Freeplay-Phase« stellt realitätsnah große Anforderungen an die bordinterne Organisation zur Sicherstellung einer hohen Reaktionsbereitschaft bei gleichzeitiger Durchhaltefähigkeit über einen langen Zeitraum. Im Rahmen dieser Phase trifft das Schiff auf einen Havaristen, dem es technische und sanitätsdienstliche Unterstützung zu leisten hat. Anderentags endet der Angriff eines paramilitärischen Motorbootes mit einer Katastrophe: Das Schiff erleidet durch eine Sprengstoffdetonation eine riesiges Leck und eine hohe Anzahl Verletzter (USS COLE-Szenario). Die Wiedererlangung der Einsatzfähigkeit ist hier kritisch, da zeitnah eine Evakuierungsoperation geplant und durchgeführt werden muss.
Alle Phasen des GOST folgen dabei einer ganzheitlichen Philosophie: Die Übungen sind in ein politisches Krisenszenario eingebettet, in welchem auch internationales Recht, Rules-of- Engagement sowie der Umgang mit VIPs und Pressearbeit eine wichtige Rolle spielen. Das Schiff und die Besatzungen werden an ihre technischen, physischen und psychischen Grenzen herangeführt. Sie leben sozusagen sechs Wochen lang in Krise und Krieg.
Einsatzbesichtigung
Das GOST endet mit der Final Inspektion, der Einsatzbesichtigung, die im Rahmen eines Weekly Wars stattfindet. Bei erfolgreicher Inspektion wird die Einheit mit dem »Final Signal « des FOST für ihre künftigen Aufgaben »operational capable« (einsatzfähig) zertifiziert. Damit endet auch die bis zu sechs Monate lange Einsatzausbildungsphase nach der letzten Instandsetzung. Das Schiff steht nun für die Vorhaben der Flotte oder Einsätze der Bundeswehr zur Verfügung.
FOST-Standard
Es wirft sich die Frage auf, wie realitätsnah die Ausbildung beim FOST ist. Nun, die Royal Navy ist eine Marine im permanenten (Kampf-) Einsatz. Zwar verblassen die Erfahrungen aus dem Falklandkrieg nach 26 Jahren zusehends, jedoch haben viele heutige Searider am ersten und zweiten Golfkrieg aktiv teilgenommen. Auch die bitteren Lehren aus der Havarie von HMS NOTTINGHAM, die 2002 auf ein Riff aufgelaufen und erheblich leck geschlagen war, flossen sofort in die Ausbildung beim FOST ein. Trotzdem habe ich persönlich zu Beginn meiner Dienstzeit als deutscher Verbindungsoffizier beim FOST einen durch Verschlankungswahn, Finanznot und Schlamperei verursachten steilen Niedergang der Standards innerhalb der Royal Navy – und damit beim FOST – erlebt.
Dieser Trend hielt bis zum April 2007 an, als 15 Boardingsoldaten von HMS CORNWALL im Persischen Golf durch iranische Kräfte gefangen gesetzt wurden. Dieser Vorfall zehrte arg am Selbstbewusstsein der britischen Nation und wurde im Nachhinein im Fulton-Report en détail aufgearbeitet, Defizite in allen Bereichen und Ebenen der Royal Navy identifiziert, die diese sehr medienwirksam zum Nachteil der britischen Seite ausgeschlachtete Geiselnahme möglich gemacht hatten. Ergebnis war eine rigorose Kehrtwendung innerhalb der Royal Navy. Materielle Unterstützung, Personalsteuerung und Ausbildung wurden einer Zäsur unterzogen.