Türkei — Die türkische Marine

Mod­erne Marine zwis­chen Bünd­nis und regionaler Führungsrolle
Mit dem NATO-Beitritt (1952) wird die Türkei im Bünd­nis für eine strate­gis­che Schlüs­sel­stelle im Ost-West-Kon­flikt zuständig. Sie kon­trol­liert alle Bewe­gun­gen sow­jetis­ch­er Kriegss­chiffe ins Mit­telmeer, die nach dem Ver­trag von Mon­treux jede einzelne Pas­sage vor­ab anmelden müssen. Der Zusam­men­bruch des Warschauer Pak­tes scheint die Rolle der Türkei im Bünd­nis zu schmälern. Ohne jeglichen Bezug zur NATO treten aber schnell andere regionale Krisen (Kauka­sus, Nahost, Irak) an die Stelle des Ost-West-Konfliktes. 

An der geografis­chen Schnittstelle zwis­chen regionalen Kon­flik­t­poten­zialen bemüht sich die Türkei um Aus­gle­ich und besin­nt sich dabei auch auf ihre mar­itime, his­torische Führungsrolle zurück. Dabei richtet sich der Blick sowohl ins Schwarzmeer als auch ins Mit­telmeer. Schon 1993 gibt es eine erste gemein­same Übung mit der bul­gar­ischen Marine. 1997 führt ein türkisch­er Flot­ten­ver­band einen ersten Besuch in Israel durch – und übt seit­dem fast jedes Jahr mit der israelis­chen Marine vor Haifa. 1998 vere­in­bart man mit der Marine Alban­iens eine enge Zusam­me­nar­beit, ver­spricht hier großzügige Infra­struk­turhil­fe. Und natür­lich ist auch die Türkische Marine mit dabei, als die Vere­in­ten Natio­nen nach dem Zweit­en Libanonkrieg eine mar­itime Frieden­struppe (UNIFIL-II) vor der libane­sis­chen Küste aufstellen. 

Marineforum - Die türkische Marine

Schon 1996 regt die Türkei die Auf­stel­lung eines multi­na­tionalen Ver­ban­des aller Schwarzmeer­mari­nen an. Fünf Jahre später wird in der »Vere­in­barung von Istan­bul« die Black­SeaForce aus der Taufe gehoben. Bul­gar­ien, Georgien, Rumänien, Rus­s­land, die Türkei und die Ukraine stellen seit­dem Ein­heit­en zum Ver­band ab, der in wech­sel­nder Zusam­menset­zung ein­mal jährlich für mehrwöchige Übun­gen aktiviert wird. Die Ter­ro­ran­schläge von New York erweit­ern das Auf­gaben­spek­trum der türkischen Marine. An ein­er Naht­stelle zwis­chen der moslemis­chen und der west­lichen Welt erhält Mar­itime Secu­ri­ty eine ganz beson­dere Bedeu­tung. Ter­ror­is­ten kön­nten die vital­en Seev­erkehr­swege durch die türkischen Meeren­gen tre­f­fen, durch die in den let­zten Jahren zunehmend auch die Ölver­sorgung aus dem Kauka­sus nach Europa fließt. Natür­lich beteiligt man sich auch an der von den USA ins Leben gerufe­nen Pro­lif­er­a­tion Secu­ri­ty Ini­tia­tive (PSI) zur Ver­hin­derung der Ver­bre­itung von Massenvernichtungswaffen. 

Ver­suchen der USA, die Antiter­ror-Oper­a­tion Active Endeav­our der NATO aus dem Mit­telmeer in das Schwarzmeer zu erweit­ern, stellt man eine eigene Ini­tia­tive ent­ge­gen, begrün­det 2004 die Oper­a­tion Black Sea Har­mo­ny. Die Antiter­ror-Oper­a­tion konzen­tri­ert sich zunächst auf die eige­nen Gewäss­er in und vor den türkischen Meeren­gen, wobei Lage­bilder und Schiffs­dat­en mit der NATO aus­ge­tauscht wer­den. Von Beginn an sind aber alle Schwarzmeer­mari­nen ein­ge­laden, sich Black Sea Har­mo­ny anzuschließen. Im Dezem­ber 2006 nimmt Rus­s­land diese Ein­ladung an, und wenige Wochen später schließt sich auch die Ukraine der Ini­tia­tive an. 

So find­en sich heute im Auf­gabenkat­a­log der türkischen Marine vier Kernelemente: 

  • Beitrag zur NATO mit Beteili­gung an den Ständi­gen Ein­satzver­bän­den im Mit­telmeer (SNMG2, SNMCMG2) und an der NATO Response Force (NRF). Marine­in­fan­terie kommt darüber hin­aus im Koso­vo und in Afghanistan zum Einsatz;

  • Multi­na­tionale Auf­gaben im Rah­men Black­SeaForce, Black Sea Har­mo­ny und PSI, die sowohl Hochsee- als auch küsten­na­he Inhalte haben und die Entwick­lung ein­er Inter­op­er­abil­ität mit Schwarzmeer­an­rain­ern erfordern;

  • Inter­na­tionale human­itäre Hil­f­sein­sätze und Ein­sätze unter einem Man­dat der Vere­in­ten Natio­nen wie z.B. UNIFIL-II vor dem Libanon;

  • Schutz der ter­ri­to­ri­alen Integrität der Türkei gegen Angriffe von See; Schutz von See­verbindun­gen und Häfen; Beitrag zur Ver­hin­derung von Dro­gen­schmuggel, Ter­ror­is­mus und Umweltver­schmutzung. Die Wahrnehmung dieser nationalen Auf­gaben erfol­gt in enger Zusam­me­nar­beit mit der Küstenwache.

Die Erfül­lung all dieser Auf­gaben soll eine aus­ge­wo­gene Flotte gewährleis­ten, die über Wass­er, unter Wass­er, in der Luft und an Land über alle Kom­po­nen­ten ein­er mod­er­nen Marine ver­fügt. Mit einem Per­son­albe­stand von etwa 55.000 Mann rang­iert sie an weltweit achter Stelle. Etwa 70 Prozent sind Wehrpflichtige. Frauen sind seit 1992 für die Offizier­aus­bil­dung zuge­lassen und dienen seit 1996 an Bord von Über­wassere­in­heit­en, fliegen auch Hub­schrauber. Struk­turell gliedert sich die türkische Marine in vier Höhere Kom­man­dos. Dem Fleet Com­mand, das nach einem schw­eren Erd­beben (1999) von Göl­cük nach Izmir ver­legt, sind Sur­face Action Group, Sub­ma­rine Group, Fast Patrol Boat Group, Mine War­fare Group und Naval Avi­a­tion Group unter­stellt. Das North­ern Sea Area Com­mand (Istan­bul) kon­trol­liert die türkischen Meeren­gen. Das in Izmir behei­matete South­ern Area Com­mand führt die Amphibi­ous Group und die Marine­in­fan­terie. Vierte höhere Kom­man­dobe­hörde ist das Naval Train­ing and Edu­ca­tion Com­mand in Istanbul. 

Team GlobDef

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