3.) Transformation – Wofür?
Effektive Bekämpfung neuer asymmetrischer Bedrohungslagen und Halten des technologischen Vorsprunges
Streitkräfte sind stets spezialisiert und vorbereitet auf besondere Szenarien und Risiken zu reagieren. Diese spezifizierte Ausrichtung entspringt einerseits aus den militärischen Möglichkeiten und Handlungsspielräumen, die infolge technologischer Fähigkeiten gegeben sind, und andererseits aus den Bedrohungen und den politischen Vorgaben. Doch wie sehen diese konkret aus, wie sieht das konkrete „Wofür“ der Streitkräftetransformation aus?
Die Beendigung des Kalten Krieges war sicherheitspolitisch eine enorme Zäsur, die jede gültige sicherheitspolitische Annahme zur Disposition stellte.8 Es dauerte allerdings bis die neuen Probleme einer neuen Weltordnung mehr und mehr akut wurden: Neue Kriege (9), failed und failing states (10), Stellen von Friedenstruppen sowohl für friedensschaffende und friedenserzwingende Maßnahmen, als auch als für friedenssichernde Maßnahmen (11) und der Kampf gegen den Terror (12) sind heute viel benutzte Schlagworte. Jene charakterisieren kurz und bündig die sicherheitspolitische Neuorientierung im Lager des Westens. Letztlich ist die relativ einfache Einteilung und Wahrnehmung von Konflikten entsprechend den Frontlinien des Kalten Krieges einer sehr viel unübersichtlicheren und diffusen asymmetrischen Bedrohungslage gewichen (13). Man fürchtet nicht mehr das Aufeinanderprallen hochgerüsteter Militärblöcke vor der eigenen Haustür. Nun geht es viel mehr um die Wahrnehmung und den Umgang mit globaler Verantwortlichkeit und deren Rückwirkung auf uns. Diese Verantwortlichkeit spiegelt sich in Out-of-Area Einsätzen der Bundeswehr wie in Afghanistan wieder. Man mag dabei zwar geteilter Meinung, ob die Bundesrepublik tatsächlich am Hindukusch verteidigt wird.(14) Der globale Terrorismus kann uns aber jederzeit treffen. Das haben die jüngsten Ereignisse in Madrid und London uns gezeigt. Die asymmetrische Kampfweise der Terroristen stellt den Westen insgesamt vor große Herausforderungen.(15) Ähnlich sieht es da bei den failing states, bei failed states und allgemein bei Bürgerkriegen aus: Die betroffenen Staaten entwickeln sich entweder zu Zufluchtsstätten und oder auch Brutstätten von Terrorismus, der uns auch treffen kann und wird. Instabile Weltregionen müssen daher zur Not stabilisiert werden. Diese Aufgabe wurde anerkannt und erfordert aber Konsequenzen hinsichtlich unserer militärischen Fähigkeiten. Man bekämpft nicht schwere sowjetische Panzereinheiten in Mitteleuropa mit denselben Einheiten, Organisationsstrukturen und Konzepten wie Rebellen oder Terroristen in einem Bürgerkriegsland. (16) Man muss sich um diese Problemfälle mit all den implizierten Folgen zunehmend kümmern. Die globale Interdependenz nimmt – wenn auch ungleichmäßig – ständig zu und dies macht globales Agieren und auch globales Problemlösen zunehmend eine funktionale Erfordernis. Ohne sie würden letztlich auch wir leiden. Neben diesen rein sicherheitspolitischen Überlegungen muss man aber auch einen weiteren Faktor zur Kenntnis nehmen: Der Westen verdankt seine Stellung und Machtstellung gerade dem Militär – historisch wie aktuell. Und diese Frontstellung in Sachen Technologievorsprung und damit Stärkevorsprung muss als funktionales Erfordernis erhalten bleiben. Will man nicht durch das Nachziehen anderer neutralisiert werden, so muss man selbst weiter rüsten, entwickeln und erproben. Die Transformation ist auch deshalb nützlich: Technische Entwicklungen können in die Praxis umgesetzt werden und Sicherheit kann langfristig über technologischen Vorsprung und Effizienz mitgesichert werden. Militärtechnologischer Vorsprung bedeutet nämlich automatisch auch größere militärische Potenzen und Fähigkeiten.(17) Veränderungen müssen dafür aber auch und gerade in Deutschland und in Europa her, da sie weltweit bei allen wichtigen globalen Akteuren zu beobachten sind: Selbstverständlich bei den USA, aber auch in China oder in Russland.
Technologischer Vorsprung heißt – richtig umgesetzt – einen ungeheuren Vorteil bei jedweder militärischer Auseinandersetzung. Um diesen Vorsprung zu behalten bzw. überhaupt erstmal zu haben, muss die Revolution in Military Affairs (RMA) als ständige Zielvorgabe die Restrukturierung von Streitkräften leiten.(18) Nur so bleibt man effizient und auch uneingeschränkt lethal in der Wirkung. Nur so ergibt das Wofür einer Transformation von Streitkräften einen Sinn mit Blick auf die Zukunft.
Transformation moderner Streitkräfte — Warum, wofür, wohin, wie?
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