Völkerrechtlicher Status:
Der Status Tibets ist völkerrechtlich umstritten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellte 1987 fest:
“Die Staatengemeinschaft geht zwar davon aus, daß Tibet Teil des chinesischen Staatsverbandes ist, doch wurde der Status Tibets nicht geklärt. Zum Zeitpunkt der gewaltsamen Einverleibung in den chinesischen Staatsverband war es ein eigenständiger Staat. China hat keinen wirksamen Gebietstitel erworben, weil es dem Grundprinzip des aus dem Gewaltverbot hervorgehenden Annexionsverbot entgegensteht. Die Effektivität tatsächlicher Herrschaftsgewalt über ein Gebiet vermag keinen Gebietserwerb zu bewirken.”
(Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Fachbereich II, Nr. WF II – 163/87 vom 12. August 1987)
In einer Resolution vom 15. Dezember 1992 stellte das Europäische Parlament fest, dass das tibetische Volk ein Volk im Sinne des Völkerrechts ist und ihm das Recht auf Selbstbestimmung zustehe. Weiterhin verurteilte es die militärische Inbesitznahme Tibets durch chinesische Truppen.
Der US-Senat verabschiedete am 23. Mai 1991 eine Resolution, nach der Tibet, einschließlich derjenigen Regionen, die den chinesischen Provinzen einverleibt wurden, nach gängigen Richtlinien internationalen Rechtes ein besetztes Land bildet, dessen wahre Repräsentanten der Dalai Lama und die tibetische Exilregierung bilden. Diese Regierung residiert seit dem März 1959 — nachdem der Dalai Lama mit tausenden von Tibetern vor brutal niedergeschlagenen Demonstrationen für Freiheit und Unabhängigkeit aus Tibet floh — bei Dharamsala, in “Klein Lhasa” in Indien. Mehrere Tausend Tibeter leben hier auf einem steil aufragenden Bergrücken über der von Indern bewohnten Stadt in der Ebene.
1987 stellte der Dalai Lama als Vorsitzender der tibetischen Exilregierung ein Fünf-Punkte-Programm vor, wonach Tibet “in Assoziierung mit der Volksrepublik China eine sich selbst regierende demokratisch-politische Einheit” sein solle. Der Dalai Lama stellt also die Oberherrschaft Pekings über China nicht in Frage — über den Grad der Autonomie dieser (auch in China so bezeichneten) “Autonomen Region Tibet” und vor allem über den Umfang des tibetischen Gebietes — schließlich ist etwa die Häflte der von ethnischen Tibetern besiedelten Gebiete in anderen chinesischen Provinzen anzutreffen — bestehen aber erhebliche Differenzen. Von 2002 bis 2008 haben fünf Gesprächsrunden zur Lösung dieser Fragen zwischen Vertretern des Dalai Lama und Angehörigen der chinesischen Regierung stattgefunden — ohne greifbares Ergebnis. Die Anwendung von Gewalt zur Befreiung Tibets hat der Dalai Lama ausdrücklich untersagt. Insoweit dürften die Gewaltausbrüche, die Mitte März 2008 das Gebiet von Tibet und angrenzende Provinzen erschütterte, nicht im Sinne des Dalai Lama liegen.
Externe Links:
Tagesschau:
“Die Anfänge des China-Tibet-Konflikts” (Video) — (www.tagesschau.de)
“Tibet, der Dalai Lama und das Verhältnis zu China” — (www.tagesschau.de)
Akutelle Anmerkung:
Im März 2008 kam es nach Protesten tibetanischer Mönche mit der Forderung zur Unabhängigkeit des Landes — die zunächst zur Verhaftung der Beteiligten und danach zu Demonstrationen führten — zu gewalttätigen Exzessen, Brandschatzungen und Prügelszenen, die zum harten Einschreiten chinesischer Sicherheitrskräfte führten. Während diese Entwicklung durch unabhängige Beobachter relativ gut dokumentiert ist kann nach der Schließung der gesamten, von ethnischen Tibetern bewohnten Region für Ausländer über die akutelle Entwicklung von unabhängiger Seite nichts mehr festgestellt werden. Die Beobachter und Analysten sind auf die unterschiedlichen Informationen der Konfliktparteien angewiesen. Dabei sind — wie “der Standard” aus Östereich und zuvor schon die FAZ bestätigten — westlichen Medien offenbar deutliche Fehler in der Berichterstattung unterlaufen.
Eine unterschiedliche Sicht der Unruhen in 2008:
a) die Seite von Exiltibetern in der Schweiz: www.tibetswiss.com
b) die offiziöese Darstellung chinesischer Regierungsmedien: “Tatsachen … veröffentlicht” — (china.org.cn)
Wenn man die Angaben aus den verschiedenen Quellen zusammen führt — unabhängig von der Bewertung haben auch die beiden Seiten eine chronlogische Darstellung der Nachrichten, die teilweise durch westliche Beobachter wie Touristen bestätigt werden können — dann kann man eine grobe Chronik der Ereignisse zusammen fassen.
Danach kam es am 14. März zeitgleich in Tibet (Lhasa), Nepal und Indien zu Protesten anlässlich des 49. Jahrestages des chinesischen Einmarsches in Tibet.
In Lhasa verteilen Mönche aus den Klöstern Drepung und Sera bei Lhasa (die der Gelug-Schule angehören, zu der auch der Dalai Lama gehört) entsprechende Flugblätter und hissten die tibetische Flagge, um für die Unabhängigkeit Tibets zu demonstrieren. Die Teilnehme wurden (was zu erwarten war) verhaftet.
Danach kam es zu Massendemonstrationen in Lhasa um die Freilassung dieser Mönche zu erreichen. Diese Demonstrationen in Lhasa waren offenbar gesteuert, weil sich — nach Aussage westlicher Augenzeugen — zeitgleich mehrere Demonstrationszüge bildeten.
Diese Massendemonstrationen gerieten ausser Kontrolle und arteten in die bekannten Gewaltexzesse aus. Erst danach (!) haben die chinesischen Sicherheitskräfte massiv und hart durchgegriffen. Inzwischen, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 25. März 2008 — Seite 3: “gleicht das gesamte tibetanische Hochland, nicht bloß die “Autonomie Provinz Tibet” einem Pulverfass.
…
Die chinesische Regierung musste zeitweilig befürhten, die Kontrolle nicht nur über Lhasa und Kerntibet, sondern auch über die tibetischen Gebiete in den umliegenden Provinzen zu verlieren. Deshalb der massive Truppenaufmarsch .…”
Diskutieren Sie mit:
www.defence-forum.net
Tibet — Was kann der Westen tun?
Externer Link:
Tibet — “offizöse” Seite Chinas in Deutsch — (www.german.china.org.cn)
Financial Times Deutschland (FTD) — Worum es im Tibet Konflikt geht — (www.ftd.de)
FAZ — Warum ausgerechneit Tibet? Der Trumpf im Weltpoker — (www.faz.de)
Linksammlung der Tagesschau: www.tagesschau.de
Tibetischer Buddhismus:
Seit Jahrhunderten ist Tibet — in der Frühzeit ein eigenes Königreich — ein von buddhistischen Mönchen geprägtes Land. Eine Vielzahl von Klöstern unterschiedlicher Schulen bildete die religiöse und politische Elite des Landes. Die bedeutendste Schule ist die der Gelug-Mönche, die auch als die “Schule der Tugendhaften” bezeichent werden. Diese Schule stellt mit dem Dalai Lama auch den weltlichen Herrscher (jetzt der Exilregierung) von Tibet.
Der tibetische Buddhismus wird auch Lamaismus genannt, da in dieser Variante des Buddhismus der Lama (Lehrer) von zentraler Bedeutung ist. Der Glaube der Tibeter geht von der “Wiedergeburt” dieser wichtigen Lehrer aus. Der heute der Exilregierung vorstehende XIV. Dalai Lama ist demnach die Wiedergeburt des XIII. Dalai Lama, dieser die Wiedergeburt des XII. Dalai Lama usw.; über diese Seelenwanderung wird damit eine seelische Identität des jeweiligen Lamas mit seinem (körperlich verstorbenen) Vorgängers angenommen. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der religiösen Führung, nach dem Ableben eines Lama unter den vielen danach geborenen Kindern die Wiedergeburt in der richtigen Person zu entdecken, die dann bereits im Kindesalter auf die Aufgabe des Lehrers vorbereitet wird.
Ursprung der auf den “Dalai Lama” bezogenen Entwicklung des tibetanischen Buddhismus (der als Lamaismus bezeichnet wird und ausser in Tibet auch in der Mongolei Anhänger hat) ist eine auf die Mongolendynastie zurück zu führende “Patronage”. Die Mongolen setzten den Dalai Lama ein und übten damit eine Patronage aus, die politisch als Oberherrschaft betrachtet wird. Diese Oberherrschaft wird von den Nachfolgern der mongolischen Dynastien auf dem chinesischen Thron — und heute noch von der Regierung der Volksrepublik — als ungeändertes geschichtliches Kontinuum verstanden, so dass damit auch die Oberherrschaft Pekings über Tibet aach im religiösen Sinn begründet wird. Dementsprechend gibt es in Tibet durchaus auch Mönche und Klöster, die mit der chinesischen Regierung zusammen arbeiten. Dies wurde zuletzt bei der Bestimmung der “Reinkarnation des Panschen Lama”, des zweithöchsten religiösen Würtenträgers in Tibet, deutlich. Nachdem eine Delegation des Dalai Lama sich für einen Jungen entschieden hatte fand eine andere Delegation tibetanischer Mönche einen anderen Jungen, der nach den Vorstellungen Pekings ausgewählt wurde und von einer Gruppe tibetanischer Mönche in der Nähe von Peking erzogen wird.
Nach der Tradtion, dass das Amt des “Dalai Lama” von der (mongolischen) Herrschaftsdynastie in Peking geschaffen wurde, hat Peking im September 2007 auch ein neues Gesetz zu Bestimmungen “über die Anerkennung von Lebenden Buddhas” erlassen. Danach müssen diese “lebenden Buddhas”, die im tiebtischen als “Tulkus” bezeichent werden und als Reinkarnationen bedeutender religiöser Persönlichkeiten gelten, von der chinesischen Religionsbehörde, im besonderen Fall sogar vom Staatsrat selbst anerkannt werden. Sowohl das Auswahlverfahren wie auch die Ausbildung dieser Persönlichkeiten bedürfen der Genehmigung der chinesischen Religionsbehörde. Damit tritt anstelle der Tradition und Gebräuche das Gesetz der Volksrepublik China, also des Staates, der sich — entgegengesetzt zur westlichen Tradition der Trennung von Kirche und Staat — zum Hüter der Religionsinhalte und zum Religionsaufseher macht.
China betreibt — das sei hier im Grundsatz festgestellt — in Tibet gegenüber dem Dalai Lama keine andere Politik als bei anderen Relgionsgemeinschaften auch: überall dort, wo die Loyalität gegenüber religiösen Führern vor der Loyalität gegenüber der kommunistischen Partei zu treten droht, wird die relgiöse Freiheit beschränkt. Da gilt gegenüber dem Dalai Lama genauso wie gegenüber der papsttreuen katholischen Kirche oder der “Falung-Gong-Bewegung”.
Externer Link:
Buddhismus in Tibet — (www.wikipedia.org)