Geschichte:
Bereits im 7. Jhdt. — in Folge einer dynastischen Heirat — gehört Tibet nach Meinung Chinas zum chinesischen Reich. Die zwischenzeitlich immer wieder errungene Unabhängigkeit wurde vom Drachenthron, also den chinesischen Kaisern, nie anerkannt.
Tibet war zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert selbst ein starkes Reich, das 763 vorübergehend die chinesische Hauptstadt Chang’an (heute: Xi’an) eroberte, weil der chin. Kaiser seiner Tributpflicht nicht weiter nachkommen wollte. Zur Zeit der Yarlung-Dynastie (7. bis 9. Jahrhundert) umfasste der Machtbereich der tibetischen Herrscher das gesamte, von ethnischen Tibetern bewohnte Gebiet. Dieser Machtbereich wurde später nie wieder erreicht.
Nach der Schwächung der Position der tibetischen Könige im 10. Jahrhundert bildete sich die prägende Form der tibetischen Gesellschaft aus. Danach wird Tibet von weltlichen Aristokraten und vor allem von Klöstern regiert, die vier verschiedenen buddhistischen Schulen, den “Gelbmützen”, den “Schwarzmützen” und zwei Schulen mit “roten Mützen” angehören.
1240 wurde Tibet durch den mongolischen Khan Güyük erobert und in das mongolische Reich der in Peking residierenden Yüan-Dynastie (Kublai Khan) eingebunden. Die Mongolen gewährten die weltliche Herrschaft über Tibet als Vizekönigtum (Lehensherrschaft) der Sa-skya Schule des tibetischen Buddhismus. Anfang des 16. Jahrhunderts etablierte sich die religiöse Linie der Dalai Lamas — Großabt der Gelugpa (»Tugendschule«; auch »Gelbmützen« genannt) — zur offiziellen Regierung. Mit Unterstützung mongolischer Truppen wurde 1642 die Herrschaft der “Gelbmützen” dauerhaft begründet. Die wenige Jahre später in China an die Macht gelangten Mandschu-Herrscher (der Quing-Dynastie) übten nominell die Oberherrschaft über Tibet aus, erlaubten den Tibetern aber eine weitestgehende Selbstverwaltung im Inneren. Eine Gefährdung dieser Mönchs-Herrschaft durch die mongolischen Dsungaren wurde 1720 mit chinesischer Hilfe abgewehrt — und damit die Anerkennung der chinesischen Oberhoheit gefestigt.
Im frühen 18. Jahrhundert etablierte China — unter der Dynastie der Mandschu — das Recht bevollmächtigte Regierungsvertreter, sogenannte Amban, in Lhasa zu stationieren. Als die Tibeter im Jahr 1750 gegen China rebellierten und den Regierungsvertreter töteten, erwiderte China dies durch den Einmarsch seiner Armee und der Einsetzung eines neuen Vertreters. Die tibetische Regierung führte jedoch wie zuvor ihre Arbeit fort. 1791 wurden die zwischen Lhasa und Indien gelegene Stadt Xigazê (tib.: gzhis ka rtse, tibetisch: གཞིས་ཀ་རྩེ་|; Shigatse), mit dem Kloster der Sitz des Penchen Lama, von den aus Nepal einfallenden Gurkhas attackiert und geplündert. Diese Invasion war Anlass für die Lhasa-Regierung, den mandschu-chinesischen Herrscher in Peking (Qianlong) um militärischen Beistand zu bitten. Mit der Unterstüzung chinesischer Truppen wurden die eingefallenen Gurkhas vertrieben.
Nach chinesischer Ansicht hat der Dalai Lama im Jahr 1894, mit Hilfe der englischen Militärmacht, Tibet illegal von China abgespalten. In diesem Jahr wurde der Statthalter des chinesischen Kaisers aus Tibet vom Dalai Lama vertrieben. Die Kolonialmacht England war in China militärisch präsent und unterstützte die Abspaltung Tibets politisch, was die Chinesische Regierung zum Stillhalten zwang. Diese kurze Phase der “Selbstständigkeit” wurde bereits 1904 , zu Beginn des „Great Game“ zwischen Russland und Großbritannien, beendet, als ein britisches Expeditionskorps — nach kurzen Kämpfen mit der schlecht ausgestatteten tibetischen Armee — die Stadt Lhasa erreichte. Damit kamen die Briten dem befürchteten Einmarsch der zaristischen Truppen zuvor. Tibet wurde quasi kurzfristig ein britisches Protektorat.
Nach der Flucht des 13. Dalai Lama in die Mongolei erwirkten die Briten mit den verbleibenden tibetischen Vertretern ein Abkommen, in dem die Öffnung der Grenze und der Handel zu Britisch-Indien begünstigt wurden. Weiterhin wurde festgelegt, dass Tibet nicht ohne Einverständnis der Briten in Verhandlungen mit anderen Ländern treten durfte. Ein Abkommen mit China 1906 wiederholte diese Bedingungen, was Tibet de facto zu einem Protektorat der Briten machte. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten fand jedoch nicht statt.
Im Jahr 1907 stellte ein Abkommen zwischen England, China und Russland die Souveränität Chinas fest. 1910 schickten die Chinesen eine eigene militärische Expedition, um diesen Anspruch zu festigen. Der Dalai Lama floh erneut, diesmal nach Indien. Aufgrund der Revolution, dem Sturz der Quing-Dynastie und dem damit einhergehenden Ende des Kaisertums in China im Jahr 1911, verließen die chinesischen Truppen Tibet, während mit der Ausrufung der “chinesischen Republik” (Februar 1912) Tibet als Provinz Chinas erklärt wurde. Im März 1912 zwangen tibetische Verbände die letzten Truppen zum Rückzug. Der Dalai Lama kehrte 1912 zurück und zog 1913 in Lhasa ein. Nur 22 Tage später erklärte er in einer feierlichen Proklamation die förmliche Unabhängigkeit Tibets. Für Tibet brachte diese Erklärung aber keine Vorteile. Das Land versank in Intrigen und inneren Konflikten. Reformbewegungen des 13. Dalai Lama — Thubten Gyatso — (+ 1933) blieben im Ansatz der Klerokratie stecken.
Nach chinesischer Sichtweise wurde diese “illegale Abspaltung” nach der Vertreibung der englischen wie der japanischen Besatzer im Jahr 1949 wieder rückgängig gemacht. Im Oktober 1950 rückten drei Kolonnen chinesischen Militärs über Chamdo nach Tibet ein. Die tibetesche Regierung unterzeichnete 1951 ein »17-Punkte-Abkommen« mit der Volksrepublik China, in dem die Integration Tibets in das Territorium der Volksrepublik China festgelegt und Tibet zugleich Autonomie und freie Religionsausübung zugesichert wurde. Allerdings blieben Gespräche zwischen dem Dalai Lama und Mao Tse-tung, die eine friedliche Lösung des Tibet-Konflikts zum Ziel hatten, ergebnislos. Die chinesische Besetzung Tibets provoziert einen Volksaufstand, der blutig niedergeschlagen wurde. Im Zuge des “Großen Sprung nach vorn” — einer der von Mao vorangetriebenen Kampagnen, die nicht nur Chinas Kernland von Grunde auf erschütterten — wurde auch in Tibet der Druck auf die Klöster verstärkt. Dies führte im März 1959 zu massiven antichinesischen Demonsrationen, die von chinesischen Truppen massiv niedergeschlagen wurden. Wenig später — noch im Frühjahr 1959 — erfolgte die Flucht des XIV. Dalai Lama nach Indien, wo er in Dharamsala (Himajal Pradesh) eine Exilregierung bildet. Dem Dalai Lama folgen Zehntausende Tibeter ins Exil.
1965 wurde Tibet unter Abspaltung der Hälfte des ursprünglichen Staatsgebietes (Amdo und Kham) das chinesischen Provinzen angegliedert wurde, offiziell als “Autonome Region” in das chinesische Staatsgebiet (wieder) eingegliedert. Zu dieser Zeit waren von den um 1950 bestehenden 2700 Klöstern nur noch rund 70 Klöster in Betrieb. Kurz danach begann in China die Kulturrevolution, die sich — wie im gesamten China auch — von 1966 bis 1976 als eine schreckliche, zehnjährige Leidenszeit für die Bevölkerung darstellte, und die erst unter der neuen chinesischen Führung (Deng) beendet wurde.
In gesamten chinesischen Staatsgebiet waren die Klöster und Tempel zerstört worden, die buddhistischen Mönche und Nonnen wurden zur Umerziehung in Arbeitslager gezwungen. Religion galt unter der von Mao angefachten Selbstzerstörung als feudalistischer, auszurottender Aberglaube. Die Roten Garden Chinas zerstörten auch in Tibet mehrere tausend Klöster und andere Kulturdenkmäler. Diese Verfolgung hat nicht nur — das sei hier ausdrücklich nochmals betont — die zutiefst gläubigen Tibeter, sondern ganz China betroffen. Während im Westen die Schätzung von mehr als einer Million tibetischer (Todes-)Opfer ausgeht, gehen andere Schätzungen, die vor allem die demographische Entwicklung berücksichtigen, von ca. 100.000 bis höchstens 200.000 Todesopfern aus. Angeblich blieben in Tibet lediglich sieben von ursprünglich tausenden Klöstern bestehen.
Inzwischen ist ein großer Teil der damals zerstörten Klöster wieder aufgebaut, auch der Potala-Palast, der Sitz des Dalai Lama in Lhase. Viele junge Tibeter sind in diese Klöster eingetreten, die von den Überlebenden der Kulturrevolution geleitet werden. In den Klöstern und Tempeln haben Mobiltelefone, DVD-Filme und Internet-PCs Eingang gefunden. Die Klöster entwickeln sich zu Bildungsstätten, in denen nicht nur religiöse Werte sondern auch Chinesisch und Englisch unterrichtet werden. Die kommunistische Regierung hat die Religionspolitik — wie in anderen Teilen Chinas auch — geändert: von der Unterdrückung zur Kontrolle der Aktivitäten der religiösen Gemeinschaften. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, ist aber zugleich auch Oberhaupt der tibetischen Exilregierung. Chinas Regierung verlangt von ihm, die Forderung nach Unabhängigkeit aufzugeben und die “Ein-China-Politik” und die Alleinvertretung Pekings für das gesamte Staatsgebiet — auch für Taiwan — anzuerkennen.
Die tibetische Exilregierung vertritt die Auffassung, dass Tibet zum Zeitpunkt der Invasion durch die Volksbefreiungsarmee ein unabhängiger Staat gewesen sei und die militärische Invasion sowie die andauernde Besetzung ein Verstoß gegen internationales Recht und das Recht auf Selbstbestimmung darstellen würden. Selbst wenn dies so gewesen sein sollte — was mangels internationaler Anerkennung dieses Staates durchaus bestreitbar ist — so muss doch das Abkommen vom 23. Mai 1951, in dem die Integration Tibets in das Territorium der Volksrepublik China festgelegt wurde, als verbindliche Statusklärung zwischen Tibet und China gewertet werden.
Tatsächlich ist die tibetische Regierung zu immer neuen Zugeständnissen an China bereit. Der Dalai Lama fordert schon seit Jahren nicht mehr die Unabhängigkeit seines Landes sondern nur einen (möglichst hohen) Grad von kultureller Autonomie (Quelle: spiegel.de), allerdings für alle von Tibetern bewohnten Teile Chinas — also auch die Gebiete, die anderen chinesischen Provinzen zugeschlagen wurden. Viele Tibeter ersehnen noch immer die Rückkehr des geistlichen Führers.
Externer Link: Eurasisches Magazin — Geschichte Tibets www.eurasisches-magazin.de