Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Von Lutz Feldt
(Vizeadmiral a.D. Lutz Feldt ist ehemaliger Inspekteur der Marine und zurzeit Beauftragter der Europäischen Kommission zur Bestandsaufnahme Seesicherheit )
Während die Sicherheitsfragen an Land und auch in der Luft, zumindest von den notwendigen gesetzlichen Grundlagen und Verfahren her betrachtet, als geregelt erscheinen, ist dies auf der See vergleichbar umfassend und verbindlich nicht der Fall. Dies gilt für die nationale Situation, aber auch in Teilen für die internationale Lage. Auch die Gesetze zur Sicherheitsvorsorge an Land und in der Luft sind nicht durch die Weitsicht oder Einsicht der jeweils verantwortlichen Regierungen und Parlamente entstanden, sondern durch »Ereignisse « erzwungen und entwickelt worden.
Und so wird es auch bei der Seesicherheit noch einer Kombination aus realer Bedrohung und Geduld bedürfen, um hier weiter voran zu kommen. Es ist allerdings klug, Krisenvorsorge und grundlegende Regelungen für ein notwendiges Krisenmanagement ohne den Druck unmittelbarer Ereignisse zu entwickeln. Dies ist in der Zeit des Kalten Krieges recht gut gelungen. Die Erkenntnis, dass mit dem Wegfall der alten Instrumente zur Krisenbewältigung, neue, der Bedrohung angepasste Regeln und Verfahren zu entwickeln sind, hat sich aber bei uns bisher nicht durchgesetzt. Die gegenwärtige Finanzkrise ist nur das aktuellste Beispiel dafür, dass dies gerade auch im Bereich der Sicherheitsvorsorge dringend geboten ist.
Auch wenn eine Regierung in Sicherheitsfragen nicht strategisch handeln oder keine Verantwortung im strategischen Sinne übernehmen will, muss sie zumindest strategisch denken (lassen). Wenn Einvernehmen darüber besteht, dass es für Probleme keine einfachen, nur eine sehr begrenzte Anzahl von Faktoren berücksichtigenden Lösungen gibt, dann darf es nicht sein, dass aus begrenzter fachlicher Sicht solche einseitigen Lösungen vorangetrieben werden. Wenn es allgemeiner Konsens ist, dass die zu lösenden Aufgaben immer komplexer werden, dann muss es für deren Bewältigung auch gesamtstaatliches Handeln geben.
Für den gesamten Komplex der Sicherheit ist interministerielles Handeln besonders notwendig, da die Sicherheitsvorsorge für die Bürger und deren Eigentum eine der grundlegenden Aufgaben eines Staates ist.
Vor Somalia gekaperte SIRIUS STAR — mit Piratenbooten am Heck Bildquelle: US-Navy |
Mit großer Sorge ist zu beobachten, dass dort, wo Staaten dieser Aufgabe nicht nachkommen können oder wollen, ein rechtsfreier Raum entsteht, in den dann andere Akteure hineinhandeln. Hierbei reicht das Spektrum von privaten Sicherheitsfirmen bis hin zu kriminellen Akteuren, einschließlich der Piraten und Terroristen.
Es stimmt sehr nachdenklich, dass häufig Bedenken und Misstrauen gegenüber den staatlichen Sicherheitsorganen dazu führen, sie immer weitreichenderen Kontrollen und einschränkenden Regelungen auszusetzen. Dabei wird aber die damit einhergehende Einengung der operativen Handlungsmöglichkeiten übersehen oder zumindest wird sie billigend in Kauf genommen. Dies ist dann an Land, in der Luft und nun auch auf See die Stunde der „Privatisierung der Sicherheit“. Diese entzieht sich weitgehend staatlicher Kontrolle und handelt damit nicht nur in einer Grauzone des Rechts. Sie kann sich auch den Anschein geben, überhaupt handeln zu können, wo die durch den Staat eingesetzte und seiner Verantwortung unterliegende Gewalt einer strengen und an politischen Kriterien ausgerichteten Mandatierung unterliegt. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen der einerseits weiterhin nicht eindeutig geklärten Rechtslage der Soldaten im Einsatz und der Zunahme der Privatisierung von Gewalt.
Im Einsatz gegen die aktuelle Bedrohung durch Piraten oder wie es richtiger heißen müsste, die organisierte Kriminalität auf See, erleben wir das sehr deutlich.
In den zurückliegenden Jahren ist es trotz sehr engagierter Bemühungen nicht im ausreichenden Maße gelungen, den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und der Sicherheit auf See zu erklären. Was aber noch bedenklicher scheint, ist die Tatsache, dass die Ermordung, Entführung und die Geiselnahme der Besatzungen von Schiffen, die im internationalen Warenverkehr eingesetzt sind, nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Dies ist etwas, was an Land und vor allem in der Luft, unvorstellbar wäre. In den zurückliegenden Jahren sind Hunderte von Seeleuten umgekommen und auch jetzt befinden sich sehr viele Besatzungsmitglieder in der Gewalt der Piraten in Somalia. Es geht also bei den Einsätzen der internationalen und der nationalen Schiffsverbände nicht nur um den sicheren Transport von Waren oder Rohstoffen, sondern auch um die Sicherheit der Menschen auf den Schiffen und das Wohl ihrer Familien. Dass diese Familien zum großen Teil nicht in Deutschland oder Europa leben, macht da keinen Unterschied.