Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Nordische Verteidigungsallianz für Island
Nach amerikanischem Rückzug engagieren sich Norwegen und Dänemark
Die geänderten Prioritäten der amerikanischen Sicherheitspolitik führten 2006 zu einem kompletten Rückzug der amerikanischen Streitkräfte aus Island. Der Abzug der amerikanischen Flugzeuge und Hubschrauber und insbesondere die Weigerung, auch nur eine symbolische Präsenz aufrechtzuerhalten, hinterließ nicht nur Frustrationen in der isländischen Regierung und das Gefühl, ohne militärischem Schutz dazustehen. Der Rückzug riss nicht nur ein Loch in die militärische Überwachung des Nordatlantiks, sondern auch beim zivilen SAR-Bedarf, den die isländische Küstenwache nicht decken kann.
Das Verteidigungsabkommen von 1951 zwischen Island und den USA ist jedoch weiterhin in Kraft. Als ein Land ohne eigene Streitkräfte, aber in wichtiger strategischer Lage als Sprungbrett über den Atlantik und Stützpunkt für Land- und Luftstreitkräfte, ist Island seit dem Zweiten Weltkrieg abhängig gewesen von Sicherheitsgarantien der USA bzw. der NATO. 1940 landeten britische Truppen auf Island, um die Souveränität des Landes zu sichern, die 1941 von amerikanischen abgelöst wurden. Der Keflavik-Stützpunkt war bisher der wichtigste NATO-Beitrag Islands, von dem aus die weitflächige Überwachung des Nordatlantiks geführt wurde.
Bei einer Bevölkerung von rund 200.000 Personen würden selbst größere isländische Anstrengungen, moderne Streitkräfte aufzubauen, nur zu symbolischen, militärisch unwesentlichen Ergebnissen führen. Den isländischen Willen zu eigenen Beiträgen unterstrich Außenministerin Ingibjörk Sólrun Gísladóttir kurz nach ihrem Amtsantritt im Juni 2007 mit den Worten »… dass es schwer vorstellbar ist, dass die Kosten der Verteidigung eines Landes wie Island für immer von anderen Ländern getragen werden.« Sie kündigte die Gründung eines Sicherheitskomitees an, das alle diesbezüglichen Fragen beraten und koordinieren soll.
Im April 2007 wurde eine Vereinbarung zwischen den Küstenwachen Islands und den USA getroffen, die die gegenseitige Unterstützung bei SAR-Aktionen sowie den Informationsaustausch regelt. Darüber besteht Konsens bei den bürgerlichen Parteien des Landes sowie der Sozialdemokratischen Partei, während von der linken Opposition das Engagement als unnütz und kostspielig kritisiert wird.
Dänisch-Norwegisches Engagement
Für die isländische Regierung war es nahe liegend, sich an die NATO-Partner Dänemark und Norwegen zu wenden, um das Sicherheitsloch zu stopfen. Kulturell und historisch sind die drei Länder ohnehin eng miteinander verbunden. Am 27. April 2007 unterzeichnete Island mit ihnen zwei Memorandum of Understanding (MoU), die die erweiterte Verteidigungszusammenarbeit vereinbarten. Vonseiten Dänemarks und Norwegens wird unterstrichen, dass es sich um eine erweiterte Zusammenarbeit in Friedenszeiten zur Wahrnehmung der isländischen Hoheit in seiner Fischereizone und Territorialgewässern handelt, nicht jedoch um eine Sicherheitsgarantie für Kriegszeiten. Die Sicherheitsgarantie nach Artikel V. des NATO-Bündnisses wird durch die Vereinbarungen nicht berührt. Möglicherweise werden ähnliche Vereinbarungen auch mit Kanada und Großbritannien abgeschlossen.
Neben der Abhaltung von Kursen für isländisches Personal wurden auch gemeinsame Übungen auf Island vereinbart. Der wichtigste Punkt berührt jedoch die Aufnahme der Seeüberwachung durch Norwegen und Dänemark. Norwegen setzt von Keflavik aus Seefernaufklärer P‑3C Orion ein, während Dänemark seine Canadair CL-600 Challenger einsetzen wird. Durch die Zugehörigkeit der Färöer und Grönlands zu Dänemark sind die Marine und Luftwaffe Dänemarks ohnehin routinemäßig im Nordatlantik präsent und dehnen ihre Aktivitäten der Seeüberwachung, SAR und Fischereiinspektion geografisch weiter aus. Während Island die Kosten für das dänische Engagement übernimmt, wurde zwischen Norwegen und Island die Kostenteilung vereinbart. Diese Aktivitäten werden jedoch weiterhin relativ sporadisch sein und keine ständigen Stationierungen dänischer oder norwegischer Einheiten auf Island bedeuten.
Der Nordatlantikrat der NATO (NAC) entschied im Juni, dass die Luftstreitkräfte der Nachbarn Islands, d. h. neben Dänemark und Norwegen auch Kanada, die USA und Großbritannien, den isländischen Luftraum überwachen und mit maximal viermonatlichen Abständen Luftübungen im isländischen Luftraum abhalten sollen. Die Initiative geht auf einen Vorschlag des isländischen Premierministers Geir H. Haarde zurück.
Die erste abgehaltene Übung war »Northern Viking 2007« vom 13. bis 16. August 2007, bei der u. a. die Einbeziehung der isländischen Küstenwache und des Keflavik-Radars in NATO-Übungen geprobt wurde. General T. Hobbins von der US-Air Force unterstrich in einem Interview für Islands größte Zeitung »Morgunbladid« die Wichtigkeit des Radars für die NATO. Ein anderes bedeutendes Element von »Northern Viking 2007« waren gemeinsame Übungen der SWAT-Einheit von 15 Mann der isländischen Polizei mit 50 Antiterrorspezialisten aus Dänemark, Norwegen und Lettland. Über den weiteren Ausbau der »Northern Viking-Übungen« soll im Herbst 2007 entschieden werden.
Als eigenen Beitrag zur See- und Luftüberwachung hat Island die Weiterführung der Radaranlagen von Keflavik und von vier angeschlossenen Radarstationen im Lande ab 15. August 2007 übernommen. Dafür werden jährlich 9,5 Millionen Euro bereitgestellt. Am Tag der Übernahme wurde das gesamte Personal von 47 Mann einschließlich des Direktors entlassen, von denen die Mehrzahl nach einer Übergangsperiode wieder eingestellt werden wird. Die Entlassungen dienen dazu, »reinen Tisch« bei den Beschäftigungsbedingungen zu schaffen.