Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Zunächst einmal: Heißt es nun »Holland« oder »Niederlande«? In vielen Sprachen wird Holland oft als Synonym für die Niederlande benutzt. Dies findet seinen Ursprung im ausgehenden 16. Jahrhundert mit Entstehen der »Republik der Sieben Vereinigten Provinzen« (»Vereinigte Niederlande«), deren einflussreichste Provinz Holland war. Auch heute ist Holland (mit den Provinzen Südholland und Nordholland) nur Teil der Niederlande. So ist im Folgenden denn auch die Rede von der niederländischen Marine.
Kolonialmarine
Ihre Wurzeln reichen bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück, als Wirtschaftsinteressen einen Schutz der überseeischen Seehandelswege erfordern. Die Handelskompanien bewaffnen Schiffe, um sich gegen Piraten zu wehren, aber auch Konkurrenten zu bekämpfen. Diese »Marine« hat denn auch eher privaten Charakter – nur in Kriegszeiten erhalten die Schiffe durch formelle Ausstellung von Kaperbriefen einen quasi hoheitlichen Status.
1488 gründet dann der Habsburger Erzherzog Maximilian I zur Verteidigung der Seegrenzen eine erste Marine und setzt auch einen Admiral ein. Im 17. Jahrhundert lässt die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes der von Westindien bis nach Asien reichenden Handelswege sie zur stärksten Marine der Welt aufwachsen. Die Niederlande werden Seemacht, und Konflikte mit anderen großen europäischen Marinen können da nicht ausbleiben.
Seeschlacht vor Gibraltar 1607 (Wikipedia) |
Bis 1648 ist zunächst Spanien Hauptgegner. 1607 wird vor Gibraltar die spanische Flotte vernichtend geschlagen, aber mit England und Frankreich entstehen schnell neue Gegner zur See. In zwei ersten Kriegen gegen England ist man noch siegreich. Als sich dann aber England und Frankreich verbünden, werden die Niederländer in die Defensive gedrängt und müssen nach und nach das Feld räumen. Der vierte Englisch- Niederländische Krieg (1780–84) besiegelt endgültig das Schicksal der niederländischen Seemacht.
Ein Friedensvertrag gewährt den Niederländern allerdings freie Nutzung der Seewege zu den asiatischen Kolonien, und in Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, etabliert sich schnell eine Kolonialflotte, die gut 60 Prozent aller niederländischen Kriegsschiffe in sich vereint. In der Heimat spielt die restliche Flotte nur eine nachgeordnete Rolle.
1813 entsteht nach dreijähriger französischer Besetzung (Napoleon) das Königreich Niederlande, aber es soll noch bis 1905 dauern, bis auch dessen Marine offiziell in »Königlich Niederländische Marine« (Koninklijke Marine) umbenannt wird.
Am Ersten Weltkrieg sind die Niederlande nicht beteiligt. Zwar werden die Streitkräfte mobilisiert, aber das Königreich kann seine Neutralität wahren und sich erfolgreich aus dem Krieg heraushalten. 1917 wird eine Marinefliegerkomponente begründet. Nach dem Krieg fließt der Löwenanteil des Verteidigungsbudgets vorübergehend in die Flotte, die mehr denn je die südostasiatischen Kolonien schützen soll. Für größere Verstärkung reicht das Geld dann allerdings doch nicht; die Marine muss sich mit Modernisierung begnügen. Nach und nach werden die Mittel wieder gekürzt; am Ende steht schließlich deutliche Unterfinanzierung.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges setzen die Niederlande zunächst erneut auf Neutralität, haben im Spannungsfeld zwischen Frankreich, Großbritannien und dem Deutschen Reich diesmal allerdings keine Chance. Im Mai 1940 wird das kleine Land von der deutschen Wehrmacht besetzt. Die Regierung flieht nach London, und auch Marineführung und Flotte gehen ins Exil. Neben London entstehen weitere kleinere Marineführungskommandos auf Ceylon (Sri Lanka) und in Australien. Rund um die Welt beteiligt sich die aus der Heimat vertriebene niederländische Marine an alliierten Operationen; sie evakuiert britische Truppen aus Dünkirchen, transportiert Truppen für die Invasion in der Normandie, operiert mit U‑Booten im Mittelmeer.
Die Unterfinanzierung in den 1930er Jahren kann nicht ohne Folgen bleiben. Als 1942 Japan die niederländisch-indische Kolonie überfällt, hat die dort stationierte Asienflotte nicht lange Bestand. Materiell wie technologisch deutlich unterlegen, wird sie in der Javasee vernichtet; 20 Schiffe werden versenkt, und der niederländische Beitrag zum Pazifikkrieg beschränkt sich fortan darauf, mit Handelsschiffen alliierte Truppen- und Materialtransporte durchzuführen.
Kreuzer DE RUYTER (Foto: niederl. Marine) |
Ungeachtet der Vernichtung der Asienflotte überlebt eine durchaus passable Flotte den Krieg. Die Schiffsliste umfasst u.a. zwei leichte Kreuzer; sechs Zerstörer, 7 U‑Boote, einige Fregatten, Kanonenboote und Minenleger sowie gut 30 Minensucher diverser Klassen. Auch die sofort beginnende Flottenverstärkung kann sich sehen lassen. 1946 wird von der britischen Royal Navy ein nur drei Jahre alter, gebrauchter Flugzeugträger gekauft und nach Umbau 1948 als KAREL DOORMAN in Dienst gestellt. Auf der Wunschliste der Flottenplaner finden sich weitere Flugzeugträger, Kreuzer, Zerstörer, U‑Boote und Minensucher.
Dahinter steht natürlich das Ziel, unmittelbar an die Zeiten als Kolonialmacht anzuknüpfen, aber diese Hoffnungen erfüllen sich nicht. Nur zwei Tage nach der japanischen Kapitulation erklärt sich Niederländisch- Indien unabhängig. Für die Niederlande ist dies erst einmal inakzeptabel. Kolonialbesitz ist Basis für ihr noch immer gepflegtes Selbstverständnis als »mittlere Großmacht«. Ohne Kolonien – so die Befürchtung – werde das Land auf das »außenpolitische Niveau von Dänemark« fallen. Erst nach vierjährigem Kolonialkrieg, in dem sich die Marine vor allem mit Kanonenbooten und Landungsfahrzeugen (Marineinfanterie) beteiligt, sind die Niederlande 1949 zur Anerkennung der Republik Indonesien bereit. Die Marine gibt ihre dortigen Stützpunkte auf, bleibt aber zunächst in der Region präsent. Sie zieht sich nach Papua zurück – bis dieses 1962 ebenfalls an Indonesien fällt.