Kalter Krieg 2.0 in Nahost?
Doch wer mit den russischen Absichten nun den Kalten Krieg 2.0 aufziehen sieht, der verkennt die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Zweifellos haben sich die Szenarien maritimer Bedrohung im Mittelmeer drastisch gewandelt: Nicht mehr Konvoischlachten oder U‑Boot-Jagden, sondern asymmetrische Konflikte bedrohen die Sicherheit. Terrorismus, Menschenhandel, Piraterie, Drogenschmuggel, die Verminung von Häfen, Waterborne Improvised Explosive Devices (WBIED) und die Proliferation von Waffen stellen die Staaten und damit auch die Marinen vor erhebliche Probleme.
Früher durchaus üblich: eine russische Fregatte versucht einen US-Kreuzer abzudrängen (Foto: US Navy) |
Nicht zuletzt deswegen beteiligt sich Moskau schon jetzt an der Operation Active Endeavour, immerhin eine Artikel-V-Operation der NATO, die der Seeraumüberwachung im Mittelmeer gilt und den zivilen Seeverkehr kontrolliert. Die gesammelten Daten dienen der Abwehr terroristischer Angriffe. Außerdem umfasst das Mandat der Operation den Geleitschutz durch die Meerenge von Gibraltar. Auch am Horn von Afrika leistet die russische Marine ihren Beitrag zum Schutz der Handelsschifffahrt vor Piraten. Ein leistungsfähiger Stützpunkt in Syrien würde die operative Einsatzmöglichkeit der russischen Marine erheblich erweitern: Von Tartus ließe sich innerhalb weniger Tage der Suezkanal und damit der Zugang zum Indischen Ozean erreichen.
Sollten die russischen Pläne Realität werden, so muss dieser maritimen Herausforderung konstruktiv begegnet werden. Russland muss umgehend in die bestehenden Foren kooperativer Sicherheitsvorsorge eingebunden werden – auch an eine Erweiterung des Mittelmeerdialoges ist diesbezüglich zu denken. Nur durch die gemeinsame Anstrengung der Beteiligten kann die Absicht Russlands, den europäisch-amerikanischen Einfluss im Nahen Osten ausbalancieren zu wollen, in konstruktive Bahnen gelenkt werden.
Ein englisches Sprichwort sagt: »Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.« Und auch die Russen haben dies verinnerlicht: »Die russische Flotte sollte nicht nur untätig vor Anker liegen oder Piraten jagen«, verkündete Anatoli Nogowizyn, Vizechef des russischen Generalstabs auf einer Pressekonferenz Anfang August. Es bleibt abzuwarten, wie sich Russlands Großmachtambitionen mit Obamas Friedensplänen in Nahost vereinbaren lassen. Sicher scheint, dass maritime Fragen im arabischen Raum zukünftig an Bedeutung gewinnen werden.