Die russische Flagge auf syrischem Boden demonstriert in erster Linie den Machtanspruch Moskaus. In Russland unvergessen ist der »Triumphalismus« (Henry Kissinger), mit dem die Westmächte Moskau nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums begegneten. Die erlittene Demütigung ist Anreiz genug, Autorität und Stärke zu beweisen. Hinter dieser Symbolpolitik stecken allerdings kühl kalkulierte Machtinteressen. Bedingt durch das Meerengenabkommen von Montreux (1936), das der Türkei die Hoheitsrechte für den Bosporus zusprach und internationale Transitrechte regelte, ist die russische Randmeerflotte im Schwarzmeer im Konfliktfall zur Untätigkeit verdammt. Eine permanente Stationierung seiner Flotte im Mittelmeerraum würde Russlands Einfluss auf den Nahen Osten deutlich erhöhen.
Den Syrern kommt ein verstärktes russisches Engagement in der Region freilich gelegen. Syrien, das nach einer Studie des Bonn International Center for Conversion (BICC) den zweithöchsten gesellschaftlichen Militarisierungsgrad weltweit aufweist, sucht die Nähe zu Moskau, um sich dem westlichen Werben um die konstruktive Rolle im Nahostfriedensprozess nicht alternativlos hingeben zu müssen. Damaskus bietet sich zudem die Möglichkeit einer Modernisierung der eigenen Streitkräfte.