Messe gut, alles gut? — Kommentar

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Die Messe »Schiff, Mas­chine, Meer­estech­nik SMM 2010« ist vor­bei. Es war eine beein­druck­ende Schau, auf der Hun­derte Aussteller aus aller Welt eine bis ins let­zte Detail gehende Tech­nik zeigten und über weit­ere Entwick­lun­gen informierten. Es war eine sehr gute Messe. Die Branche zeigte sich in Best­form. Sie war sich ihrer Bedeu­tung für den inter­na­tionalen Ware­naus­tausch bewusst und überzeugte nicht zulet­zt mit ihren Bemühun­gen, Lösun­gen für einen noch besseren Umweltschutz zu finden. 

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Hans Jür­gen Witthöft 

So weit, so glänzend. Den­noch stellt sich die Frage, ob dies für alle Beteiligten länger­fristig auch so bleibt. Darüber müssen sich angesichts der erkennbaren asi­atis­chen Dom­i­nanz vor allem die europäis­chen und damit die deutschen Schiff­bauer Gedanken machen. Und das tun sie auch. Schon der Zus­tands­bericht zwingt dazu. Danach holten die Werften in der Welt 2010 ins­ge­samt 795 Neubauaufträge mit 16,3 Mio. CGT here­in, allen voran Chi­na mit 376 Neubaut­en und 6,8 Mio. CGT, gefol­gt von Süd­ko­rea (268 Schiffe/6,6 Mio. CGT) und Japan (41 Schiffe/0,6 Mio. CGT). Ein ähn­lich­es Bild gab mit Datum zum 1. August der Auf­trags­be­stand. Bei den chi­ne­sis­chen Werften standen 3.083 Aufträge mit 52 Mio. CGT in den Büch­ern, was einem Mark­tan­teil von 39,9 Prozent entsprach, bei den Kore­an­ern waren es 1.672 mit 47,4 Mio. CGT, bei den Japan­ern 1.230 mit 24,2 Mio. CGT und bei den indis­chen Werften immer­hin 199 mit 2 Mio. CGT. Auch bei den Abliefer­un­gen bis Anfang August lag die VR Chi­na mit 590 Schif­f­en und 9,8 Mio. CGT, Korea mit 293 Schif­f­en und 9,2 Mio. CGT und Japan mit 276 Schif­f­en und 5,6 Mio. CGT vorn. 

Die deutschen Werften, lange Zeit die Num­mer drei in der Wel­tran­gliste, find­en kaum noch Beach­tung. Ihr Ver­band meldet, um hier nur ein Ver­hält­nis zu schaf­fen, im ersten Hal­b­jahr einen Auf­trag­sein­gang von elf Schif­f­en mit 134.000 CGT, die Abliefer­ung von 23 Schif­f­en mit 511.000 CGT und einen Auf­trags­be­stand von nur noch 89 Schif­f­en mit 1.463 CGT. Prak­tisch also nur noch eine Mar­gin­alie, die wahrschein­lich auch so bleiben wird, betra­chtet man die mas­siv­en staatlichen Stützun­gen ander­er Län­der auf diesem Gebiet. 

Es wird also eng für die deutschen Schiff­bauer und es ist an der Zeit, ehrlich über die Zukun­ft nachzu­denken. Das gilt vor allem für die Regierung, die ja nicht müde wird, ver­bal zumin­d­est, die strate­gis­che Bedeu­tung der mar­iti­men Branche für die deutsche Gesamtwirtschaft zu beto­nen. Das ist vom Ansatz her völ­lig richtig, schließlich haben wir als viert­größte Export­na­tion mit einem eben­so hohen Bedarf an Rohstof­fzu­fuhren und als Dispo­nent der drittgrößten Han­dels­flotte der Welt einiges an Gewicht aufzuweisen. Getan hat sich bish­er aber lei­der kaum etwas. Das zu Beginn der Krise voll­mundig angekündigte Vorziehen von Aufträ­gen für Forschungs- und Mari­neschiffe ist ver­sick­ert. Heute wird nur noch davon gesprochen, dass man dies prüfen wolle. Eine Floskel, denn schon ein Blick in die Kassen zeigt, dass es dafür keinen Spiel­raum mehr gibt. Man muss es dann allerd­ings auch zugeben. 

Selb­st der Ver­weis darauf, sich auf den Spezialschiff­bau zu konzen­tri­eren, da dies bis­lang eine Domäne der deutschen und europäis­chen Werften gewe­sen sei, zieht nicht mehr. Nach­dem der Bau von Tankern, Con­tain­er- und Mas­sen­gutschif­f­en in großem Umfang nach Chi­na abge­wan­dert ist, bemühen sich auch Korea und Japan ver­stärkt um dieses Seg­ment. Erfolge wer­den nicht aus­bleiben und den hiesi­gen Anteil weit­er schmälern. 

Bleibt noch die Beschwörungs­formel, dass alles unter­nom­men wer­den müsse, um die zweifel­los in vie­len Bere­ichen noch vorhan­dene Tech­nolo­gieführerschaft zu erhal­ten. Ganz recht, und hier gibt es dur­chaus Unter­stützung von­seit­en der Regierung. Aber ist es genug? Wird dadurch nicht noch ein­mal der Blick auf die realen Ver­hält­nisse verk­lärt? Nehmen wir als Beispiel den Mari­neschiff­bau, der auf der SMM Eröff­nungs-Pressekon­ferenz nur auf Nach­frage von Staatssekretär Otto mit der bere­its weit­er oben genan­nten Floskel abge­tan wurde. Die Sorge um den Erhalt wehrtech­nis­ch­er Kernkom­pe­ten­zen auf diesem Gebi­et – kein Wort! Dabei wird es ger­ade beim Mari­neschiff­bau deut­lich, wie Tech­nolo­gieführerschaften ver­schwinden kön­nen, auf die man früher so stolz war. 

Dazu nur wenige Anmerkun­gen: Die Deutsche Marine wird trotz zunehmender inter­na­tionaler Ein­sätze auf einen im inter­na­tionalen Ver­gle­ich beschä­menden Umfang reduziert – von Größe darf man gar nicht mehr sprechen. Sie fällt also als Auf­trag- und Impuls­ge­ber für die Indus­trie aus, zumal auch von poli­tis­ch­er Seite kein Bemühen zu erken­nen ist, den Export zu unter­stützen. Bei den Über­wasser­schif­f­en ist das Desaster K130 zu verkraften. Es wäre vielle­icht zu kom­pen­sieren mit ein­er K131. Null! Und auch im viel gerühmten Bau von kon­ven­tionellen U‑Booten geht es mit der Tech­nolo­gieführerschaft dahin. Kommt keine näch­ste Klasse nach 212/214, und hier ist nichts in Sicht, dann ist auch in diesem ure­igen­sten deutschen Seg­ment die Tech­nolo­gieführerschaft Vergangenheit. 

Zu vieles bleibt offen, bzw. har­rt ein­er Lösung. Kern dabei ist, wie und ob die Regierung ihrem Beken­nt­nis zur strate­gis­chen Bedeu­tung der mar­iti­men Wirtschaft auch Tat­en fol­gen lässt. Es wäre höch­ste Zeit, nicht nur irgendwelche Worthülsen in die Welt zu set­zen, son­dern Fak­ten zu schaf­fen. Jetzt! 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

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