Inhalt/Gliederung:
1.) Die Unabhängigkeit des Kosovos im Kontext des Zerfalls Ex-Jugoslawiens
– Aufbrausender Nationalismus als politische Waffe und Instrument
2.) Die Schwierigkeit, „richtige“ Politikentscheidungen zu treffen
3.) Die Kosovointervention – Humanitäre Intervention oder machtpolitische Intervention?
Die Grundlagen im modernen Völkerrecht
4.) Westliche Balkanpolitik in den 90er Jahren – Zuschauen und Abwarten in Bosnien- Herzegowina
5.) Die Genese des Kosovokonfliktes als machtpolitische und humanitäre Intervention zugunsten der Kosovoalbaner
6.) Die Intervention, die fehlende konzeptionelle Nachsorge und die daraus resultierenden Folgen
7.) Die Unabhängigkeit des Kosovos als Folge planloser westlicher Politik
5.) Die Genese des Kosovokonfliktes als machtpolitische und humanitäre Intervention zugunsten der Kosovoalbaner
Die Unruhen im Kosovo, die 1998 gewaltsam ausbrachen, waren daher eine gute Gelegenheit, Milosevic politisch eine ernste Lektion zu erteilen und so sicherheitspolitisch den Balkan zu „pazifisieren“ und zu sichern. Ab 1997/1998 begannen bewaffnete Kosovoalbaner der UCK mit Attacken und Anschlägen gegen die serbischen Einrichtungen im Kosovo, wogegen die serbischen Sicherheitskräfte (darunter später auch Paramilitärs und Armee) mit zunehmender Härte, auch und vor allem gegen Zivilisten, reagierten. Die USA rüsteten die damaligen Untergrundkämpfer der albanischen UCK auf und nutzten sie später als Bodentruppen für die NATO-Luftstreitkräfte. Man instrumentalisierte die UCK gegen die serbischen Sicherheitsbehörden und unterhielt Kontakt zu ihren politischen Führern, nachdem die serbischen Sicherheitskräfte immer brutaler gegen die albanische Zivilbevölkerung vorgegangen waren. Dadurch soll natürlich nicht negiert oder relativiert werden, dass die albanische Minderheit tatsächlich unterdrückt wurde. Dies war und ist scharf zu verurteilen. Allerdings gab es im Kosovo immer wieder Unruhen (1970, 1980, 1990) und ein aggressiver werdender albanischer Nationalismus traf letztlich auf einen mindestens genauso aggressiven serbischen Nationalismus. Die Albaner blickten dabei gerne auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück, in dem ein Großalbanien auch das Kosovo umfasst hatte. Die nach dem Krieg eingerichtete Autonomie des Kosovos, die Tito dem schon länger albanisch dominierten Kosovo gab, wurde nach gewalttätigen Unruhen 1980 aufgehoben. Nach 1989, im Strudel der nationalistischen Gefühle, wurde die Repression gegen die Albaner noch weiter verstärkt seitens der Serben. Die Albaner reagierten zunächst sogar friedlich auf die verstärkte serbische Unterdrückung. Aber die westliche Staatengemeinschaft nahm kaum Notiz von diesen Problemen, obwohl von Anfang an Warnungen bestanden. So kochte der Konflikt weiter vor sich hin, bis dann der Ausbruch erfolgte. Die lange Zeit friedlichen Widerstandes der Albaner wurde 1998 durch die UCK mit gewalttätigen Anschlägen beendet und erhielt als serbische Antwort umgehend weitere brutale Repressionsmaßnahmen. Dadurch kam die Eskalationsspirale der Gewalt unweigerlich richtig in Schwung. Zeitweilige friedliche Vermittlungsversuche und ‑missionen durch die OSZE wurden aber weder von den albanischen Untergrundkämpfern, noch von den serbischen Sicherheitskräften anerkannt und befolgt. Tatsächliche und vermeintliche serbische Massaker im Kosovo befeuerten die öffentlichen Debatten im Westen und verstärkten in den gesellschaftlichen und politischen Diskursen die Unterstützung für eine Humanitäre Intervention.
Letztlich versuchte der Westen in den Rambouillet Gesprächen beide Seiten letztmalig zu einer friedlichen Einigung zu bewegen 1999. Es wurde dabei zunächst versucht, durch Druck auf beide Seiten einen ausgewogenen Friedensplan durchzusetzen. Allerdings zeigten beide Seiten erhebliche Schwierigkeiten, sich von ihren Maximalforderungen zu verabschieden. Die Albaner insistierten auf ihrer Forderung nach Unabhängigkeit und die Serben wollten weiterhin ihre volle territoriale Souveränität und Herrschaft über das Kosovo bewahren. Ein Kompromiss, bei dem beide verzichten sollten, lag weder dem serbischen autoritären Regime, noch der Widerstandsorganisation UCK, obschon es wirklich Versuche gab von Seiten westlicher Akteure hier eine friedliche Einigung zu erzielen. Aber der Autonomieplan implizierte auch eine internationale Truppenpräsenz, die Milosevic als autoritärer Diktator in Serbien wohl einfach nicht zulassen konnte und wollte. Man hätte sich auch der symbolischen Konsequenz solch eines Vertrages gerade für Milosevic bewusst sein müssen: Der Politiker, der seine Karriere 1986 medial damit begann, die Serben und ihre Ansprüche im Kosovo gegen die geburtenstarken Albaner zu verteidigen, konnte wohl kaum eben jene Provinz, die er verteidigen wollte, an eine internationale Truppenpräsenz der NATO und an die Albaner abgeben – dies wäre eine auch erhebliche persönliche Niederlage gewesen, gegen die er sich stemmte. Neben diesen ehrlichen Versuchen westlicher Akteure etwas zu bewegen, die an den zu oft ausgeblendeten komplexen Umständen scheiterten, muss man aber auch die machtpolitischen Hintergedanken betonen: Interessant dabei sind immer wieder kolportierte und hoch kochende Meldungen, dass man seitens der USA (in persona von Außenminister Albright) in der Endphase der Verhandlungen die Albaner ultimativ zu einer Zustimmung zu den Friedensplänen drängte, egal, ob sie mit jenen einverstanden wären oder nicht. Man konnte aus guten Gründen auf die Ablehnung seitens Milosevics hoffen. Man wollte vermutlich als Ergebnis die serbische Seite als Bremser und Konflikttreiber damit weiter öffentlich bloßstellen können und ihnen den „Schwarzen Peter“ zuschieben. Und dies gelang auch, da die serbische Haltung in diesem Konflikt unmissverständlich war und keine Einmischung zulassen wollte. Zudem muss man im Nachhinein auch kritisch hinterfragen, ob jede medial verbreitete Grausamkeit bzw. Planung dazu seitens der Serben im Kosovokonflikt auch tatsächlich so passiert war oder nur gezielt gestreut wurde als Desinformation in den nationalen Öffentlichkeiten der NATO-Länder. Dabei ging es natürlich nicht darum, irgendetwas grundsätzlich zu erfinden: Ohne Zweifel, die serbischen Sicherheitsbehörden gingen mit vehementer Brutalität gegen Zivilisten vor. Das muss man auch verurteilen. Allerdings kann einem doch der Eindruck kommen, dass über gezielte Behauptungen und gewisse Übertreibungen in den Medien das ohnehin brutale Vorgehen der Serben noch weiter dramatisiert wurde (Beispiel: das Massaker von Racak) um so öffentlich mehr Unterstützung für eine Humanitäre Intervention zu generieren. Hier sei insbesondere an den ominösen Hufeisenplan erinnert, den der damalige Verteidigungsminister Rudolph Scharping der Presse vorstellte. Interessant wäre ein Vergleich zu ähnlichen Konfliktfällen, wo solche Dramatisierungen teilweise fehlen oder politisch ohne Wirkung bleiben, wie beispielsweise mit Bezug auf die kurdische Zivilbevölkerung während des türkisch-kurdischen Konfliktes und auf die palästinensische Zivilbevölkerung im israelisch-palästinensischen Konflikt.