Inhalt/Gliederung:
1.) Die Unabhängigkeit des Kosovos im Kontext des Zerfalls Ex-Jugoslawiens
– Aufbrausender Nationalismus als politische Waffe und Instrument
2.) Die Schwierigkeit, „richtige“ Politikentscheidungen zu treffen
3.) Die Kosovointervention – Humanitäre Intervention oder machtpolitische Intervention?
Die Grundlagen im modernen Völkerrecht
4.) Westliche Balkanpolitik in den 90er Jahren – Zuschauen und Abwarten in Bosnien- Herzegowina
5.) Die Genese des Kosovokonfliktes als machtpolitische und humanitäre Intervention zugunsten der Kosovoalbaner
6.) Die Intervention, die fehlende konzeptionelle Nachsorge und die daraus resultierenden Folgen
7.) Die Unabhängigkeit des Kosovos als Folge planloser westlicher Politik
2.) Die Schwierigkeit, „richtige“ Politikentscheidungen zu treffen
Bevor ich anfangen werde, die Probleme und Problemlagen rund um die Unabhängigkeit des Kosovos aufzuzeigen, möchte ich eine kleine Anekdote erzählen, die die Schwierigkeit bei der Bewertung exemplarisch verdeutlicht. Sie stammt natürlich nicht von mir, sondern stammt aus einem kürzlich angelaufenen Hollywood-Film (Charly Wilsons War), ist aber in meinen Augen nur zu passend hier, um die Probleme richtiger Politikwahl sinnbildlich zu demonstrieren:
„In einer Stadt lebt ein alter Sen-Meister. Er wird immer wieder von den Leuten um Rat gefragt. Es geschah in dieser Stadt, dass ein Junge von 14 Jahren ein prachtvolles Pferd als Geschenk bekam. Alle sagten: Welch prachtvolles Geschenk! Doch der Sen-Meister sagte nur: Man wird sehen. Dann geschah es, dass der Junge mit 16 schwer stürzte und sich die Beine und Arme brach und schließlich deswegen nicht mehr richtig laufen konnte. Alle sagten: Oh, wie schrecklich für den Jungen. Der Meister sagte aber wieder nur: Man wird sehen. Dann geschah es aber, dass ein Krieg ausbrach und alle jungen Männer eingezogen wurden, bis auf den betreffenden jungen Mann. Und alle eingezogenen Männer aus der Stadt kamen in diesem Krieg um, doch jener war ausgemustert worden und überlebte. Und der Meister sagte darauf auch wieder nur: Man wird sehen….“
Was soll diese Anekdote wohl konkret verdeutlichen?
Es geht darum, dass im Leben, wie in der Politik, die meisten Entscheidungen nicht einfach richtig oder falsch sind, sondern meistens irgendwie beides zugleich. Es kommt immer darauf an, wann und wo von wem die Auswirkungen einer Entscheidung zu beurteilen sind und wer sie zu spüren bekommt! Daher sollte man bei der Beurteilung von Ereignissen stets differenzieren, wer wie betroffen ist und welche Folgen zu erwarten sind. Zudem können mit Fortschreiten der Zeit Dinge, die einst gut erschien, plötzlich als sehr problematisch erscheinen, wenn man an ihnen undifferenziert festhält. Aber auch Folgeerscheinungen von eigentlich als „gut“ eingeschätzten Entscheidungen können einem schlagartig bewusst, dass die eigentlich „gute“ Entscheidung auch so ihre Tücken hat und hatte. Besonders in der modernen Zeit haben solche Ambivalenzen und Paradoxien zugenommen, in der Politik, wie im normalen, alltäglichen Leben. Politikentscheidungen werden dadurch nicht grade leichter, aber ihre Beurteilung muss auch differenzierter, mit mehr Vorsicht durchgeführt werden. Diese Grundskepsis will ich auch bei der Beurteilung westlicher Politik im und um das Kosovo mit beachten.