Kompetenzen sichern, Exporte fördern, Standorte stärken — Kommentar

Flagge Deutschland

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Die deutsche wehrtech­nis­che Indus­trie wird noch mehr als bish­er vom Export und der zivilen Ver­w­ert­barkeit der Pro­duk­te abhängig sein. Eine leis­tungs­fähige Rüs­tungsin­dus­trie basiert neben europäis­chen Lösun­gen im beson­deren Maße auf dem Erhalt wehrtech­nis­ch­er Kern­fähigkeit­en und Dien­stleis­tung in Deutsch­land«, so der kür­zlich vorgestellte Bericht der Struk­turkom­mis­sion der Bundeswehr. 

 -

Für den Mari­neschiff­bau in Deutsch­land lässt sich diese These sog­ar zus­pitzen: Der Erhalt wehrtech­nis­ch­er Kern­fähigkeit­en und Dien­stleis­tun­gen im Mari­neschiff­bau ist exis­ten­ziell gefährdet. Der fak­tis­che Aus­fall (und nicht der rel­a­tive Rück­gang) des deutschen Kun­den auf gegen­wär­tig erkennbare acht Jahre, der Verzicht der Bun­desre­pub­lik auf eine nach­haltige und sys­tem­a­tis­che Export­förderung für den Mari­neschiff­bau und eine weltweite Wirtschaft­skrise, die vor allem den Schiff­bau geißelte, führen diesen Indus­triezweig in eine exis­ten­zielle Bedrohung. 

Auswege scheint es min­destens zwei zu geben: Die viel gepriesene »europäis­che Lösung« ist vielfältig geprüft und ver­wor­fen wor­den: Eine Zusam­me­nar­beit, die sich nach den Vor­gaben eines Part­ners aus­richtet und auf dessen poli­tis­che Auswirkung begrün­det ist, ist keine Zusam­me­nar­beit. Wenn erkennbare Kapaz­itätssicherung und Entschei­dungssou­veränität nur für einen Part­ner gel­ten sollen, dann sind »europäis­che Lösun­gen« gle­ichbe­deu­tend mit der Selb­stauf­gabe indus­trieller Kapazität. 

Und was ist mit dem Import? Die Verzwei­flung muss groß sein, wenn als Ausweg aus der gegen­wär­ti­gen Krise der Kauf von Marinegütern im Aus­land emp­fohlen wird. Der Kuh­han­del um den Kauf von Zügen für den Euro­tun­nel gibt hier bere­detes Zeug­nis. Der Verzicht auf eine leis­tungs­fähige Mari­neschiff­bauin­dus­trie ist gle­ichbe­deu­tend mit dem Verzicht auf ein Stück Sou­veränität. Will das jemand? 

Indus­trielle Kapaz­ität in den Kern­fähigkeit­en des Mari­neschiff­baus ist kein­er­lei Priv­i­leg der großen Indus­trie. Es ist Alle­in­stel­lungsmerk­mal des Mit­tel­standes und der über­re­gion­al ver­streuten Zulief­er­er, die mit hoher Kom­pe­tenz und Leis­tungs­fähigkeit die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit des Mari­neschiff­baus prä­gen. Aber ohne Fähigkeit zur Inte­gra­tion der Sys­teme in ein funk­tion­ieren­des Gesamt­sys­tem auf der Grund­lage ein­er aus­gek­lügel­ten Plat­tform kann die Vielzahl der Teil­sys­teme nicht zusam­men­wirken. Dabei darf nicht überse­hen wer­den, dass der Mari­neschiff­bau seine Hausauf­gaben erledigt. Ger­ade ThyssenK­rupp Marine Sys­tems und Blohm + Voss Naval haben die Anpas­sung ihrer Kapaz­itäten an geschrumpfte Bedarfe längst allein erfol­gre­ich bewältigt. Die indus­trielle Trans­for­ma­tion des Stan­dortes Emden zu ein­er Wind­kraftkom­po­nen­ten­fer­ti­gung ist ein erfol­gre­ich­es Mod­ell, für das sich nicht zulet­zt auch die EU-Kom­mis­sion interessiert. 

Die »Neue Plat­tform Marine« ist ein weit­er­er Schritt: Flex­i­bel ein­satzfähig, Nutzung zivil­er Stan­dards, radikal mod­u­lar­isiert, so kön­nte ein kostengün­stiges Stan­dard­sys­tem mit ein­er Vielzahl von Aufwuchsvari­anten dargestellt wer­den. Für die Deutsche Marine ist dies Zukun­ftsmusik: Es ist richtig, dass auch in der Ver­gan­gen­heit immer die Mis­chung zwis­chen Export und nationalem Bedarf die Zukun­fts­fähigkeit des Mari­neschiff­baus begrün­det hat. 

Gegen­wär­tig beste­ht aber die Gefahr, dass sich der näch­ste Schritt gemein­samer Pro­duk­ten­twick­lung auf unab­se­hbare Zeit ver­schiebt – jeden­falls auf eine län­gere Zeitachse nach hin­ten geschoben wird, als dass die Über­lebens­fähigkeit des Mari­neschiff­baus gewährleis­tet würde. 

Ohne struk­turi­erte Arbeit­szusam­men­hänge mit der Marine, ohne gemein­same Pro­jek­te und Pro­duk­te fehlt die Ref­erenz und diese Ref­erenz ist ein wichtiger Eck­stein für den Exporter­folg der Indus­trie. Min­destens so entschei­dend ist die sys­tem­a­tis­che und nach­haltige Expor­tun­ter­stützung seit­ens der Regierung. Kein Zweifel: Punk­tuelle Unter­stützung im Einzelfall wird gewährt. Was fehlt, ist eine nach­haltige und struk­turi­erte Unter­stützung auf der Grund­lage eines Zukunftskonzeptes. 

»Die Entwick­lung eines rüs­tungsin­dus­triepoli­tis­chen Konzepts, das die deutschen bzw. europäis­chen Kern­tech­nolo­giefelder im wehrtech­nis­chen Bere­ich auf Basis der benötigten Ein­satzfähigkeit­en definiert und in eine langfristig belast­bare, real­is­tis­che Pla­nung umset­zt, die für bei­de Seit­en Sicher­heit schafft.« — Dieser Ein­schätzung der Weise-Kom­mis­sion ist nichts hinzuzufü­gen. Die Kern­fähigkeit­en des Mari­neschiff­baus sind exis­ten­ziell bedro­ht, die Argu­mente sind aus­ge­tauscht, Tat­en müssen folgen. 

Zum Autor
Rein­hard Kuhlmann ist Mit­glied des Vor­standes der ThyssenK­rupp Marine Sys­tems AG und Vor­sitzen­der der Geschäfts­führung TKMS/BVN (Marine Überwasserbereich 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →