Nach personellem Umfang und der Anzahl nutzbarer Seekriegsmittel muss die iranische Flotte im Vergleich zu anderen Staaten der Region sicherlich als eine der potentesten am Persischen Golf betrachtet werden. Angesichts ihrer Überalterung und der mangelhaften Ersatzteilversorgung im Bereich der größeren (konventionellen!) Kampfschiffe sowie aufgrund der ständigen maritimen Präsenz überlegener US-amerikanischer und anderer externer Mächte am Golf reichen die vorhandenen Kapazitäten allerdings bei Weitem nicht aus, um einen hegemonialen Anspruch zur See glaubhaft untermauern zu können.
Zwei wesentliche Stärken, die ihre besonderen Auswirkungen auf die strategische Lage am Persischen Golf haben, lassen sich gleichwohl erkennen:
Die iranischen Marinen (und insbesondere die Pasdaran See) weisen eine hohe Spezialisierung hinsichtlich einer verdeckten (U‑Boote, Minen, Kampfschwimmer) bzw. asymmetrischen Operationsführung (»Schwarmtaktiken « vieler kleiner, aber sehr beweglicher und leicht bewaffneter Einheiten) gegen konventionell ausgerüstete Gegner auf.
Die vorteilhafte strategische Lage an der Straße von Hormuz wird in besonderer Weise durch die Bereithaltung von modernen land‑, see- und luftgestützten Seezielflugkörpern ausgenutzt.
Diese gerade in jüngster Zeit in zunehmendem Ausmaß erkennbare Schwerpunktsetzung dokumentiert die Hinwendung zu maritimen »Guerillataktiken« gegenüber Gegnern, die im konventionellen Bereich als überlegen angesehen werden müssen. In der Erkenntnis, dass die iranischen Seestreitkräfte in einem mit symmetrischen Mitteln geführten Konflikt gegenüber ihrem ärgsten Widersacher, den Vereinigten Staaten von Amerika, mit Ausnahme einzelner »Nadelstiche« chancenlos wären, setzen diese nunmehr verstärkt auf den Ausbau ihrer asymmetrischen Fähigkeiten unter Ausnutzung der besonderen geografischen Bedingungen an der Straße von Hormuz.
FK-SBoot der HUDONG-Klasse Foto: FARS |
Der Iran betreibt damit den konsequenten Ausbau einer »Sea Denial«-Fähigkeit, also der Fähigkeit, gegnerischen bzw. fremden Mächten die uneingeschränkte Nutzung des Seeraums (militärisch wie kommerziell) rund um den Chokepoint der Straße von Hormuz zu verwehren. Auch wenn die begriffliche Verwandtschaft eine Nähe zur Strategie der »Deterrence by Denial« suggeriert, kann der Iran diese maritime Fähigkeit vor dem Hintergrund der besonderen Bedingungen am Persischen Golf vor allem im Zuge einer »Deterrence by Punishment«-Strategie als Mittel der Einschüchterung zur Wirkung bringen.
Aus amerikanischer Perspektive wird das – wohl zurecht – als ernsthafte Bedrohung für die eigenen Seestreitkräfte empfunden. Und auch für den zivilen Seeverkehr entwickeln die iranischen Seestreitkräfte damit eine erhebliche Gefährdung, die sich in einer Blockade aus Minensperren, Flugkörperbeschuss oder Schwarmattacken der Pasdaran manifestieren könnte.
Der Iran verfügt insgesamt also über die maritime Fähigkeit, von der sporadischen Bekämpfung einzelner Schiffe bis in zu einer Blockade der Straße von Hormuz ein breites Spektrum von Operationen vor der eigenen Küste durchführen zu können. Selbst bei einem erheblichen materiellen und personellen Aufwand wäre es einem potenziellen Gegner – wenn überhaupt – frühestens nach mehreren Wochen möglich, die entstandene Gefährdung durch Minen, Flugkörper und Bootsangriffe vollständig zu neutralisieren – die Auswirkungen einer solchen Eskalation auf den Welthandel wären damit jedoch nicht zu verhindern.