Im Jahr 2012 jährt sich der Falklandkrieg zum 30. Mal und somit der bisherige Höhepunkt des fast 180 Jahre andauernden Souveränitätsdisputs über die Falklandinseln oder Islas Malvinas. Seitdem im Jahr 2008 größere Ölvorkommen von geschätzt 60 Milliarden Barrel um die Inseln bekannt geworden sind, und deren Förderung unter den unwirtlichen Bedingungen durch die hohen Ölpreise nun rentabel ist, stellt sich die Ressourcenfrage als Kristallisationspunkt argentinischer Kritik heraus.
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Argentinien hat seit der Besetzung der Inseln durch Großbritannien im Jahr 1833 stets die Position vertreten, die Inseln seien argentinisch. Dieser Anspruch wurde jedoch völkerrechtlich erst im Zusammenhang mit der fortschreitenden Dekolonialisierung in den 1960er Jahren offiziell durch die Vereinten Nationen (UN) festgestellt. Am 16. Dezember 1965 wurde die Resolution 2065 (XX) (Question of the Falkland Island [Malvinas]) verabschiedet, die feststellt, dass es einen Disput zwischen Argentinien und Großbritannien über die Frage der Souveränität gibt; beide Länder werden eingeladen, unter Beachtung der Charta der Vereinten Nationen sowie der Wahrung der Interessen der Bevölkerung der Falklandinseln, eine friedliche Lösung zu finden. Diese Resolution wurde zwischen 1973 und 1988 neunmal erneuert.
Da das Recht zum Ressourcenabbau völkerrechtlich mit der Souveränität des Küstenstaates verbunden ist, könnte angenommen werden, dass vor dem Hintergrund der Resolution von 1965 der Abbau der Ressourcen um die Falklandinseln somit auch nicht selbstverständlich ein ausschließlich britisches Recht ist. Auch wenn Großbritannien genau diese Position vertritt – von daher könnte sich hier ein Abholpunkt für neue Verhandlungen ergeben. Um diesen auszuloten, ist es jedoch erforderlich zu untersuchen, welche Entwicklungen seit 1982 stattgefunden haben.
Die Zeit nach 1982
Die militärische Niederlage von 1982 hat nichts daran geändert, dass die »Islas Malvinas« in den Köpfen und Herzen der argentinischen Bevölkerung argentinisch sind und bleiben. Aktuelle Umfragen sagen, dass bis zu 80 Prozent der Bevölkerung dieser Ansicht sind. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass eine große Mehrheit für eine gewaltsame Integration sei. Dieser Anteil ist eher gering.
In Bezug auf die Falklandfrage lässt sich die Zeit von 1982 bis heute in drei Phasen gliedern. In der ersten Phase zwischen 1982 und 1989 wurden außenpolitisch keinerlei Zugeständnisse an Großbritannien oder die Bewohner der Falklandinseln gemacht. Auf der anderen Seite unternahm Großbritannien einige Schritte, um die relative Unabhängigkeit der Falkländer zu stärken. So wurde im »British Nationality Act« von 1981, im Jahr 1983 Ausnahmen für die Falklandinseln und Gibraltar getroffen. Die Bewohner beider britischen Überseegebiete behielten, anders als in anderen Gebieten, die volle britische Staatsbürgerschaft. Damit sollte die Bindung an Großbritannien gestärkt und argentinische Avancen geschwächt werden. Weiterhin gaben sich die Insulaner bereits 1985 eine eigene Verfassung, die 1997 und 2008 im Sinne einer stärkeren Selbstbestimmung modernisiert wurde.
Die argentinische Position änderte sich dramatisch unter der Regierung von Präsident Carlos Menem von 1989 bis 1999. In dieser zweiten Phase vertrat Argentinien in Bezug auf die Falklandinseln wesentlich pragmatischere Positionen. Nach wenigen Monaten im Amt beschlossen Argentinien und Großbritannien eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Mit dieser Vereinbarung verbunden war die Bekräftigung, zukünftige Streitigkeiten ausschließlich friedlich und auf der Grundlage der Charta der UN zu lösen, die britische »Protection Zone« um die Inseln wurde reduziert, Fischereifragen wurden geklärt, Reisen von Argentiniern auf die Inseln wieder möglich und auf dem Friedhof von Darwin in den folgenden Jahren ein argentinischer Soldatenfriedhof eingerichtet.
Einen Höhepunkt stellt in dieser Phase mit Sicherheit das Abkommen über die Kooperation in Ressourcenfragen um die Falklandinseln (Cooperation over Offshore Activities in the South West Atlantic) vom 27. September 1995 dar. Unter der Koordination einer zu etablierenden gemeinsamen Kommission sollte der Rohstoffabbau in den »strittigen Gebieten« gemeinsam erfolgen. Das Abkommen spricht im Allgemeinen von den »strittigen Gebieten« (ca. 430.000 km²), weist in der Anlage jedoch noch ein südwestlich der Inseln gelegenes Spezialgebiet (ca. 21.000 km²) aus, in dem die ersten koordinierten Aktivitäten stattfinden sollten. Die gemeinsame Kommission traf sich von 1995 bis 2000 insgesamt achtmal. 1998 führte Shell erste Probebohrungen im Norden der Inseln durch, brach diese jedoch aufgrund der bei einem Ölpreis von 10 USD fehlenden Rentabilität wieder ab. Auch wenn diese Bohrungen nicht im Südwesten, sondern im Norden stattfanden, protestierte die argentinische Regierung nicht.
Mit dem Regierungswechsel in Argentinien 1999 traten die Beziehungen in die dritte Phase ein und auch die Zusammensetzung der Kommission – und damit die argentinische Position – änderten sich. So fand man in der letzten Sitzung im Jahr 2000 keine gemeinsame Einstellung über die Interpretation der gemeinsam zu verwaltenden Gebiete und legte die Kommissionsarbeit bis zur Regelung der Streitigkeiten auf Eis. Anders als die Vorgängerregierung fand die neue Regierung das 1995 geschlossene Abkommen keineswegs vorteilhaft, sondern eher wider die originären argentinischen Interessen.
Im Rahmen der zunehmenden Eigenständigkeit der Falklandinseln vergab deren Regierung Lizenzen zur Exploration und Förderung. Großbritannien fördert den Aufbau einer regionalen Ölindustrie, die die Falklandinseln von Schafzucht und Fischerei unabhängiger machen soll. Noch werden über 60 Prozent des Bruttosozialprodukts durch die Fischerei erwirtschaftet, die seit 1986 durch Lizenzen der Falklandinseln geregelt wird. Seit 2007 soll die Vergabe von Bohrlizenzen zusätzliche Einnahmen sichern. Das argentinische Außenministerium widerspricht der einseitigen Lizenzvergabe im Norden der Inseln. Auch diese hätte durch die gemeinsame Kommission erfolgen müssen. Die britische Position hingegen würde die Koordinierungspflicht lediglich in dem wesentlich kleineren Spezialgebiet im Südwesten sehen. Aufgrund dieser divergierenden Standpunkte kündigte die argentinische Regierung am 27. März 2007 demonstrativ, und verbunden mit einer gemeinsamen Erklärung von 12 südamerikanischen Präsidenten zur Rechtmäßigkeit der argentinischen Ansprüche, das Abkommen von 1995. Ein wichtiges Dialogforum ging hierdurch für Argentinien verloren.
Im Zusammenhang mit der Ankunft der britischen Bohrinsel »Ocean Guardian« im Februar 2010, die für verschiedene Ölfirmen Bohrungen durchführen sollte, eskalierte die Situation weiter.
Ocean Guardian auf dem Weg zu den Falkland Inseln (Foto: offshore.no.international) |
Verschiedene wichtige regionale Organisationen, wie der gemeinsame Markt Mercosur, ein wichtiger Partner der EU, verabschiedeten Deklarationen und Vereinbarungen gegen die aus südamerikanischer Perspektive unrechtmäßigen Aktivitäten Großbritanniens. Argentinien verabschiedete neue Verordnungen und Gesetze, die den »Raubbau an maritimen Ressourcen« schärfer sanktionieren sollten. Auch auf dieser gesetzlichen Grundlage wurden vor allem spanische Fischer angehalten und untersucht, die aus Häfen Uruguays in Richtung Falklandinseln ausliefen, um dort mit einer Lizenz der Falklandinseln zu fischen.
In einem letzten Schritt rief Argentinien den UN-Sicherheitsrat wegen der Gefahr einer Militarisierung des Südatlantiks sowie der Verbringung von Nuklearwaffen in die Region an. Eine starke Reaktion auf den Austausch einer Fregatte durch einen modernen Zerstörer, die Entsendung des Kronprinzen zu einem sechswöchigen Einsatz als SAR-Pilot und auf Gerüchte über das Patrouillengebiet eines strategischen U‑Bootes.
Eine Perspektive zur Beilegung der Streitigkeiten?
Derzeit nutzt die argentinische Regierung vor allem rhetorische und symbolische Maßnahmen, um ihrem Anspruch auf die Inseln Ausdruck zu verleihen. De facto verfügt Argentinien jedoch über keinerlei Machtmittel, um Großbritannien zu einem Einlenken zu bewegen, das aus verschiedenen Gründen ein starkes Interesse an der Beibehaltung des Status quo hat.
Der einzig gangbare Weg kann für Argentinien nur darin liegen, die (relative) Autonomie der Falklandregierung anzuerkennen und auf diese Weise in Verhandlungen über Ressourcenfragen zu treten. Rhetorische oder gar tatsächliche Versuche, die Falklandbewohner von der Verbindung mit dem Festland abzuschneiden, sind in diesem Zusammenhang gänzlich ungeeignet. Mit Sicherheit würde Großbritannien solche Blockademaßnahmen nicht hinnehmen.
Damit sich die Beziehungen normalisieren können und langfristig ein konstruktiver Dialog möglich ist, muss sich die derzeit erhitzte Stimmung zunächst wieder abkühlen. Auch wenn man aus argentinischer Perspektive den Dienst des britischen Thronfolgers auf den Falklandinseln zum jetzigen Zeitpunkt als Provokation deuten kann, muss die Initiative trotzdem von Argentinien ausgehen. Die Souveränitätsfrage sollte dabei zunächst, wie bereits bei den erfolgreichen Verhandlungen in den 90er Jahren, in den Hintergrund treten. Zwar ist die Souveränität Argentiniens über die Falklandinseln seit 1994 Teil der Verfassung, doch hat dieser Verfassungszusatz die erfolgreichen Verhandlungen im Jahr 1995 keinesfalls negativ beeinflusst. Trotzdem kann er die innenpolitische Konsolidierung behindern.
Großbritannien vertritt die Position der Falklandbewohner, die kein Interesse an einem Souveränitätswechsel auf der Insel haben, und unterstreicht deren Selbstbestimmungsrecht. Aus diesem Grund befindet sich die britische Regierung auch nicht in der Position, darüber unabhängig mit Argentinien zu verhandeln. Wenn der britischen Regierung die selbstbestimmte Position der Falkländer tatsächlich wichtig ist, so dürfte sie sich engeren Beziehungen zwischen den Falklandinseln und Argentinien nicht widersetzen. Und genau in dieser Logik liegt die einzige Chance Argentiniens, die die Falkländer vom Vorteil engerer Beziehungen überzeugen muss.
Unter Umständen ist das Ende Februar 2012 von einer Gruppe argentinischer Intellektueller, Publizisten und Verfassungsrechtler veröffentlichte Papier mit dem Titel »Malvinas, eine alternative Vision« ein erster Schritt dazu, eine konstruktive gesellschaftliche Debatte über das Thema zu begründen. In dem Papier wird vorgeschlagen, die Debatte zu entemotionalisieren und das Selbstbestimmungsrecht der Inselbewohner anzuerkennen. Man konstatiert, dass die jahrzehntelange harte Haltung der argentinischen Regierung keinen Erfolg brachte. Sodann könnten bilaterale Verhandlungen zwischen Argentinien und den Inselbewohnern erfolgen, in denen zunächst Fragen des gemeinsamen Ressourcenabbaus geklärt werden können, dem derzeit sensibelsten Thema.
Zum Autor
Fregattenkapitän Sascha Albrecht ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin