Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Den Anfang bildete eine Wette in der Offiziersmesse. Britische Flugschüler in Texas kritisierten das amerikanische Ausbildungsflugzeug AT‑6. Um zu beweisen, wie robust die AT‑6 sei, durchflog USArmy Flugausbilder Major Joe Duckworth am 27. Juli 1943 einen Orkan über der texanischen Küste. Anstatt der erwarteten Standpauke erntete Duckworth von seinem Kommandeur Lob für den Nachweis, dass Flugzeuge einen solchen Sturm überstehen können.
Anhand dieser Erkenntnis wurde 1944 die erste offizielle Wetteraufklärungsflugstaffel der US-Streitkräfte eingerichtet. Diese Einheit – heute als US-Air Force 53rd Weather Reconnaissance Squadron (53. WRS) bezeichnet – besteht noch immer. Primäraufgabe der »Hurricane Hunters« ist es, mit speziell ausgerüsteten C‑130 Hercules Flugzeugen in Orkane hinein zu fliegen, um meteorologische Messungen vorzunehmen. Nach Angaben der amerikanischen Luftwaffe ist die 53. Staffel die weltweit einzige militärische Einheit, die routinemäßig Wetteraufklärungsflüge durchführt.
Im Auge des Hurrikans Eloise (Foto: NOAA) |
Satellitenbilder vermitteln weder die Position des Druckzentrums eines Orkans noch Informationen über die Windstärke des Sturms. Der Einsatz der »Orkanjäger« ermöglicht es dem nationalen Wetteramt der USA, die Genauigkeit der Vorhersagen über Kurs und Stärke der tödlichen Wirbelstürme um dreißig Prozent zu steigern. Dies wiederum unterstützt die Arbeit der Behörden, die Evakuierungspläne erarbeiten, Rettungspersonal vorausstationieren und Warnungen an die Schiff- und Luftfahrt herausgeben müssen.
»Die Direktmessung der Zustände im Sturminneren vermittelt den Katastrophenämtern die bestmögliche Information«, erklärt Lieutenant Colonel Jonathan Talbot, Chef der meteorologischen Aufklärungsabteilung der 53. Staffel. »Mit dieser Information bewaffnet können sie errechnen, wo Evakuierungen stattfinden sollen und welche Auswirkungen des Sturms zu erwarten sind. Am wichtigsten ist, dass diese Information beiträgt, Leben zu retten, weil die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, was auf sie zukommt.«
In das Auge des Sturms
Das Personal der 53. Staffel besteht vollständig aus Reservisten. Rund 60 dieser Reservisten sind zivile Staatsbeamte, die bereits hauptberuflich als Kader in der Einheit arbeiten; vor dem Einsatzflug werden »Schlips und Kragen« gegen die Uniform ausgewechselt.
Flugmeteorologe der US Air Force an Bord einer WC-130J (Foto: USAF) |
Lademeisterin setzt eine Fallsonde aus. (Foto: USAF) |
Der Staffel sind zehn Flugzeuge der Variante WC-130J zugeteilt. Zu den meteorologischen Sensorensystemen gehören – neben der Standardradarausrüstung des Flugzeuges – ein unter der Tragfläche montierter Mikrowellenradiograph zur Messung der Windgeschwindigkeit an der Meeresoberfläche sowie zur Messung der Regenmenge. Fallsonden sammeln die Informationen über Lufttemperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit sowie Windrichtung- und Geschwindigkeit und übertragen die Werte an den meteorologischen Computer an Bord des Flugzeugs.
Für jede Maschine gibt es zwei komplette Flugbesatzungen. Einsätze werden rund um die Uhr geflogen, solange bedrohliche Stürme existieren. Es kommt vor, dass drei Stürme gleichzeitig überwacht werden müssen. Obwohl die Staffel ihren Sitz auf dem Air Force Stützpunkt Keesler im Staat Mississippi hat, f liegt sie Einsätze nicht nur im Golf von Mexiko oder entlang der amerikanischen Ostküste. Der Zuständigkeitsbereich reicht vom mittleren Atlantischen Ozean bis in den mittleren Pazifik, im Norden bis nach Neufundland und im Süden bis zur Küste Venezuelas. Trotz ihres Beinamens »Hurricane Hunters« fliegt die Staffel nicht nur Orkane an. Sie überwacht auch bereits tropische Tiefdruckgebiete und tropische Stürme, die sich zu den verheerenden Wirbelstürmen entwickeln können; im Winter werden schwere Küstenstürme und Wetterfronten über dem Meer erkundet. Um dieses große Gebiet abzudecken, werden Detachements der Staffel regelmäßig auf Flugplätze in Alaska, Hawaii, Florida oder auf die Jungferninseln verlegt.
Die Standardbesatzung pro Flug besteht aus fünf Personen: Pilot und Kopilot, Navigator, Flugmeteorologe und Lademeister. Der Navigator muss – neben seinen üblichen Aufgaben – auf die Entstehung von Tornados im Bereich des Orkans achten und gegebenenfalls einen Ausweichkurs berechnen. Der Lademeister ist unter anderem für das Aussetzen der mit Messsensoren bestückten Fallsonden verantwortlich. Der Flugmeteorologe fungiert als Einsatzleiter. Er überwacht die verschiedenen meteorologischen Sensoren. Die gewonnenen Daten werden durch den Computer des Flugmeteorologen per Satellit laufend an die in Miami ansässige nationale Zentralstelle für Orkanüberwachung übertragen, wo die Erkenntnisse ausgewertet und an die Katastrophenschutzämter und andere Behörden weitergeleitet werden.
Ein durchschnittlicher Orkanaufklärungsflug dauert elf Stunden; dabei werden circa 3.500 Meilen zurückgelegt. Das Flugzeug dringt in circa 3.000 Meter Höhe in den Sturm ein. Es durchfliegt dabei gezielt die schwersten Gewitterzonen und Windregionen, um in das so genannte Auge des Sturms zu gelangen. »Der Auftrag erfordert, dass wir wirklich sehr viel Zeit unter sehr schlechten Witterungsbedingungen verbringen – etwas, dass die meisten Piloten möglichst vermeiden«, sagt Lt. Colonel Roger Gardner, seit 26 Jahren Pilot bei der 53. WRS. »Man muss sehr auf Fluggeschwindigkeit und Windgeschwindigkeit achten. Im Simulator kann man sich nur begrenzt vorbereiten. Letztendlich kann man das Fliegen im Orkan nur dadurch lernen, dass man es einfach tut.«
Eine Methode, die Piloten der Staffel durch Erfahrung entwickelten, ist der so genannte »Krebsflug«, bei dem das Flugzeug fast seitwärts durch den Augenwall des Sturms gleitet. Aber auch dies hilft wenig gegen die schlechten Sichtbedingungen. Münzgroße Tropfen gefrorenen Regens schlagen gegen die Kanzelscheibe und reflektieren die ständigen elektrischen Entladungen des Gewitters. »Es sieht aus wie die vielen Blitzlichter während eines Rockkonzerts«, vergleicht Captain Dave Tennesen.
Das typische Flugmuster durchkreuzt viermal das Auge des Orkans aus jeweils verschiedenen Richtungen, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Ständige Messungen werden in einem Umkreis von 100 Meilen um das Auge herum vorgenommen. Je nach Sturmlage wechselt der Pilot gegebenenfalls mehrmals die Flughöhe, um Messungen in verschiedenen Bereichen vornehmen zu können. Dabei werden Höhen zwischen 4.500 und nur 500 Meter über der Meeresoberfläche erreicht. Im Vorfeld der Bildung eines Orkans werden »verdächtige« Meeresgebiete sogar in nur 150 Meter Höhe überflogen. So kann festgestellt werden, ob die Winde direkt über der Meeresoberfläche bereits eine geschlossene Rotation entgegen dem Uhrzeigersinn aufweisen, also bereits den Ansatz zur Bildung eines tropischen Tiefdruckgebiets erreicht haben, aus dem sich ein Orkan bilden kann.
Forschungsbeitrag
Neunzig Prozent der Einsätze durch die 53. WRS dienen der praktischen, zeitkritischen Sturmvorhersage und der Bedrohungsanalyse. Die Einheit wird zuweilen aber auch für langfristige meteorologische Forschungsaufgaben herangezogen. So wurden letztes Jahr zwei Maschinen und zwei Besatzungen zeitlich befristet nach Guam verlegt, um im Auftrag des Forschungsamtes der amerikanischen Marine (Office of Naval Research) die Auswirkungen der Taifunstürme auf den Pazifischen Ozean zu erkunden.
Es gibt neben der 53. Wetteraufklärungsstaffel der Air Force allerdings noch eine zivile Fluggruppe, die ebenfalls die Bezeichnung »Hurricane Hunters« führt. Diese Flugzeuge und Flugmannschaften gehören zum Nationalen Ozeanografischen und Atmosphärischen Amt (National Oceanographic and Atmospheric Administration) NOAA. Diese auf Meereskunde und Umweltforschung spezialisierte Behörde untersteht dem amerikanischen Handelsministerium und wurde 1970 gegründet.
Die zivilen Orkanjäger verfügen über zwei Flugzeuge vom Typ WP-3D Orion (eine für Wettererkundung optimierte Variante des P‑3 Seefernaufklärers) sowie über ein Strahlflugzeug vom Typ Gulfstream IV. Ihr Aufgabenspektrum ist das genaue Spiegelbild der Air Force Staffel; rund 90 Prozent der Arbeit der NOAA-Orkanjäger dient der wissenschaftlichen Grundlagenforschung. Dabei werden auch internationale Forschungsprojekte unterstützt, etwa die Erkundung der Auswirkungen des El Nino Effekts auf die Bildung von atlantischen Orkanen, die sowohl die Ostküste der USA wie auch Europa bedrohen.
Bei besonders hoher Sturmgefahr ergänzen die Hurrican Hunters von NOAA aber die Aufklärungseinsätze der Air Force durch eigene Erkundungsflüge, um Daten für die sofortige Vorhersageverwendung einzuholen. Dabei fliegen die WP-3D Orion ähnliche Einsätze wie die WC-130J direkt in das Zentrum des Wirbelsturms. Die weniger robuste Gulfstream IV umfliegt den Orkan in bis zu 14.000 Metern Höhe, um die Wetterentwicklung im Vorfeld und in der Umgebung des Sturms zu vermessen. Der besondere Beitrag dieser Maschine ist es, die in höheren Lagen vorherrschenden Windströmungen zu vermessen, die den Kurs des Orkans beeinflussen können.
Zwischen den militärischen und den zivilen Orkanjägern – die in den gleichen geografischen Regionen tätig sind – herrscht allerdings zu jeder Zeit enge Zusammenarbeit. Einmal jährlich findet eine Konferenz statt, um Einsatzkonzepte, Auswertungsverfahren und Ausrüstung zu diskutieren. Einsätze werden zwischen beiden Staffeln koordiniert, um Überschneidungen zu vermeiden oder um gegenseitige Unterstützung zu vereinbaren. NOAAs Flugzentrale und Hangar befinden sich sogar auf einem Air Force Stützpunkt, MacDill Air Force Base in Florida.