Sorgen über Chinas maritime Ambitionen sind Trend. Stützpunktbau, Trägerprogramm, jährlich wachsende Militärausgaben und neue Rüstungsprojekte führen zu einer Artikelflut über die globale Seemacht China. Selbst eine simple Evakuierung chinesischer Staatsbürger aus Libyen trägt zu diesen Diskussionen bei, aber niemand wird durch Abtransport seiner Staatsbürger zur globalen Seemacht.
zur VIKRAMADITYA umgebaute GORSHKOV (Grafik: Sevmash) |
Der neue Träger ist nicht mehr als ein Schulungs- und Studienobjekt für die brasilianischen Lektionen. Diese Lernphase dauert Jahre und dazu muss China eine gesamte Versorgungsinfrastruktur samt Begleitschiffen erschaffen. Kommt es dazu, dass China beginnt, eigene Trägerkampfgruppen auf die Ozeane zu schicken, sind da bereits bestens eingespielte amerikanische und indische Gruppen. Chinas mittlerweile konstante Präsenz am Horn von Afrika zur Pirateriebekämpfung ist zwar ein kleiner Vorgeschmack, darf aber trotz der aggressiveren Rhetorik chinesischer Admiräle als lokal begrenztes Phänomen nicht überbewertet werden. Vom Malakka-Dilemma mal abgesehen, sind Chinas andere angedachte Versorgungskorridore alles andere als sicher. Kollabierten Pakistan und/oder Burma, was ja nicht auszuschließen ist, fielen zwei entscheidende Versorgungsperlen für China von der Kette. Bevor also über die globale Seemacht China weiter diskutiert wird, ist Zeit zum Durchatmen.
Regional ist es anders. Staaten wie Australien, ASEAN, Japan, und Südkorea rüsten als Reaktion auf China munter mit. Trotz Abkommen und Deklarationen schaffen es EAS, ASEAN+3/6 und bilaterale Dialoge nicht, diese Entwicklung einzudämmen. Stattdessen wird China regional immer aggressiver, wie jüngste Konfrontationen mit den Philippinen und Vietnam sowie neue Manöver im West-Pazifik belegen. Natürlich wird China hinter den USA in der neuen maritimen Weltordnung quantitativ dauerhaft Platz zwei besetzen. Mit Blick auf andere Nationen (Indien, französisch-britisches Tandem) darf man aber zumindest an der globalen Qualität der PLAN zweifeln. So schnell wird die Welt chinesische Interventionen a lá Libyen, Sierra Leone oder Salomonen nicht erleben.
Südafrika besitzt weiterhin Afrikas modernste Marine. Als mit Abstand kleinste BRICS-Marine definiert sich Südafrikas Stellung vor allem über seine geografische Lage. Außer dem schon älteren Beschaffungsvorhaben von amphibischen Angriffsschiffen (LHD) sind keine Blue Water Ambitionen erkennbar. Sollten die LHDs tatsächlich einmal kommen, beschränkt sich deren Einsatzgebiet wohl auf die afrikanischen Küsten südlich der Sahara (Katastrophenhilfe, UN-Krisenbewältigung). Vielleicht spielt wie bei Brasilien auch der Prestigegedanke eine Rolle.
Chinesischer Flottenverband (Foto: PLAN) Click to enlarge |
Die Dominanz der US-Navy bleibt weiter ungebrochen. Trotz der Haushaltslage werden U‑Boot‑, Trägerflotte und die amphibischen Angriffsschiffe modernisiert. In der Zukunft dürfte sich die Flottenzahl der USA rund um 300 Schiffe bewegen.
Doch das große Fragezeichen Geld bleibt. Ob die AMERICA-Klasse die nötigen F‑35B Senkrechtstarter erhält, ist angesichts der explodierenden Kosten des Programms offen. Bei der galoppierenden Verschuldung sind drastische Kürzungen im Verteidigungsetat unvermeidlich. Mit 689,1 Mrd. Dollar ist allein der Verteidigungsetat für 20 Prozent der Ausgaben verantwortlich. Sicherheitspolitisch relevante Posten anderer Etats nicht mitgerechnet. Auch wenn es einige in Washington (noch) nicht wollen, die USA müssen kürzen. Dann entstehen zwangsläufig Risse in der US-Perlenkette.
Sind das heutige Basensystem, 11 Trägerkampf- gruppen, neue Zerstörer und U‑Boote noch bezahlbar? Dass die USA ihre Kosten senken wollen, konnte man an der Zurückhaltung in Libyen schon sehen. Präsident Obama will statt dessen »nation building at home«. Um im asiatisch-pazifischen Raum wenig Abstriche machen zu müssen, werden die USA vor allem ihre euro-atlantische Perlenkette ausdünnen.
Europa spielt keine besondere Rolle
Europa spielt in der neuen maritimen Weltordnung keine besondere Rolle. Allenfalls fällt diese, wie in Libyen, dem britisch- französischen Tandem zu. Nur diese Zwei verfügen sowohl über Fähigkeit und Willen zum nennenswerten globalen maritimen Engagement; Großbritannien allerdings erst wieder mit Indienststellung der QUEEN ELIZABETH 2015. Das Tandem versteht sich durch die Vereinbarung über die Wartungsintervalle der Träger und deren Interoperabilität sowie den Libyenkrieg offensichtlich hervorragend. London und Paris fahren gemeinsam zur See. Wo bleibt der Rest Europas? Der steht vor seinen leeren Schatztruhen. Zu den notwendigen Schritten von Pooling, Spezialisierung und gemeinsamen Einheiten zulasten nationaler Souveränität werden sich die Europäer mal wieder nicht durchringen können.
Flugbetrieb auf US-Fkugzeugträger (Foto: US Navy) Click to enlarge |
Eine der neuen maritimen Perlen wird Australien. Mit direktem Zugang zu Indischem Ozean und Pazifik sowie in naher Distanz zum Südchinesischen Meer befindet sich Australien in geopolitischer Toplage. Seit der Verabschiedung des Defence White Paper 2009 arbeitet Canberra mit Hochdruck am Flottenausbau etwa durch zwei neue LHDs, Fregatten und U‑Boote. Die seit Langem bestehende äußerst enge Allianz und die geografische Lage machen Australien als Partner zu einer wahren Perle für die USA. Anders als die zögerlichen Europäer investieren die Australier nicht nur in ihr Militär, sondern sind auch gewillt, es einzusetzen.
Nur Rüstungsbegrenzung scheint auf See keinen zu kümmern. Während überall die Rede davon ist, dass auf den Meeren die Konflikte der Zukunft heraufziehen, macht niemand Anstalten, etwas für Konfliktprävention oder gegen die ausufernde Rüstung zu tun. Stattdessen rüsten alle Staaten, wie sie wollen und daran wird sich nichts ändern. Die USA werden trotz Pleite um ihre Vormachtstellung kämpfen, China rüstet munter weiter, und um die Plätze dahinter rangeln sich Russland, Frankreich/Großbritannien, Indien, Brasilien und Australien.
Abschließend ist bemerkenswert, der Traum von Global Zero endet offensichtlich an den Stränden der Konferenzorte. In den USA diskutiert man aktuell darüber, ob man bei der neuen Generation strategischer Raketen-U-Boote (SSBN X) nicht kürzen sollte. Bei der ganzen Diskussion über ein neues Kernwaffenträgersystem wird kein einziges Wort über Global Zero verloren. Die Regierung Obama stellt SSBN X nirgendwo in einen Abrüstungskontext, sondern nur unter Finanzierungsvorbehalt. So viel zum Thema Reden und Handeln. In Peking, Moskau, London, Paris und Neu Delhi sieht man das ähnlich und arbeitet weiter an seinen SSBN. Israel kann dank deutscher Hilfe auf SSBN verzichten, denn es hat ja die Dolphin U‑Boote als mutmaßliche Kernwaffenträger. Egal welche Entwicklung die neue maritime Weltordnung am Ende nimmt, zumindest die nuklearen Perlen fallen nicht von der Kette.
Zum Autor
Felix F. Seidler, M.A. ist Redakteur bei der Atlantischen Initiative in Berlin und schreibt auf seinem Blog »Seidlers Sicherheitspolitik« zu maritimen und anderen aktuellen, sicherheitspolitischen Themen