Die maritime Weltordnung — Neue Ketten, neue Perlen

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Die Ent­deck­ung Amerikas 1492 markiert den Beginn west­lich­er Dom­i­nanz auf den Welt­meeren. Der Atlantik wurde zum europäis­chen Bin­nen­meer. Über Per­len­ket­ten von Stützpunk­ten kon­trol­lierten die Por­tugiesen, dann die Nieder­län­der und später die Briten den Indis­chen Ozean. Die Bren­npunk­te der mar­iti­men Welt hießen Sevil­la, Ams­ter­dam und Lon­don. Damit ist es vor­bei. Por­tu­gal und Spanien kämpfen heute ums finanzielle Über­leben. In den Nieder­lan­den zer­brach eine Regierungskoali­tion an ISAF. Vom britis­chen Empire mit Dom­i­nanz der Roy­al Navy sind nur noch die Falk­lands, eine Präsenz am Horn von Afri­ka und im Per­sis­chen Golf übrig. Die ehe­mals stolze Seemacht legte let­ztes Jahr alle Flugzeugträger samt Har­ri­er-Jets bis auf die HMS ILLUSTRIOUS still. Diese wurde zum Hub­schrauberträger degradiert, worüber man sich in Lon­don während des Libyenkriegs sehr ärgerte. 

Heute ver­fü­gen nur die USA über eine glob­ale Per­len­kette von Stützpunk­ten. Mit­tler­weile wird jedoch infla­tionär darüber disku­tiert, wann sich Chi­na im Paz­i­fik und Indis­chen Ozean eigene Per­len­ket­ten schafft. Inwieweit die USA man­gels Geld einzelne Perlen aus ihrer Kette nehmen, bleibt offen. Sich­er ist: Die neue mar­itime Wel­tord­nung wird nicht von der Per­len­kette eines einzel­nen Staates dominiert. Dazu sprach Min­is­ter de Maiz­ière von ein­er wichtigeren Rolle der Marine. Wie Deutsch­land die bezahlen will, ist eine andere Frage. Fakt ist: Die Beschaf­fen­heit der neuen mul­ti­po­laren Wel­tord­nung wird zu erhe­blichem Anteil auf den Ozea­nen entsch­ieden. Anson­sten würde die Fach­welt nicht ewig über einen chi­ne­sis­chen Träger disku­tieren, auf dem noch nie ein Flugzeug gelandet ist. 

 Der asiatische Seeraum
Der asi­atis­che Seer­aum
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Brasilien, Rus­s­land, Indi­en, Chi­na und Südafri­ka (BRICS) eint ein zweis­tel­liges prozen­tuales Wach­s­tum ihrer Rüs­tungsaus­gaben von 2000 bis 2009. Trotz dieser Gemein­samkeit wird BRICS nie ein mil­itärisch­er oder mar­itimer, son­dern nur ein poli­tis­ch­er Block. Indi­en und Chi­na sind auf den Meeren keine Part­ner, son­dern Kon­tra­hen­ten; bei­de jedoch mit guten mar­iti­men Beziehun­gen zu Rus­s­land. Chi­na über gemein­same Manöver, Indi­en über Rüs­tungs­geschäfte. Mar­itime Block­bil­dung find­et aktuell ohne Rus­s­land und Chi­na zwis­chen Indi­en, Brasilien und Südafri­ka (IBSA) statt. In 2008 übten die IBSA-Mari­nen zum ersten Mal gemein­sam vor Südafrikas Küste. Wieder­hol­ung zwei Jahre später. Die Ein­führung des Seri­en­na­mens IBSAMAR bedeutet, mit diesen Übun­gen ist in Zukun­ft regelmäßig zu rechnen. 

Natür­lich betont IBSA, die Übun­gen seien rein defen­siv und dien­ten nicht der Schaf­fung eines mil­itärischen Pak­ts. Das kann man glauben, denn es gibt wed­er einen gemein­samen Geg­n­er noch beste­ht die Wahrschein­lichkeit ein­er gemein­samen IBSA-Mil­itärin­ter­ven­tion. Auf dem BRICS-Gipfel im April einigten sich Indi­en und Südafri­ka ohne Brasilien auf weit­ere Manöver. Hier geht es vor allem um Pres­tige. Indi­en demon­stri­ert seine Oper­a­tions­fähigkeit im Indis­chen Ozean, Brasilien macht außer­halb sein­er Hemis­phäre auf sich aufmerk­sam und Südafri­ka zeigt, es kann ein wenig mit den »großen Jungs« mit­spie­len. IBSA lässt den West­en wis­sen: Die Zeit­en sein­er Bin­nen­meere sind für immer vor­bei und die neuen Mächte kön­nen mar­itim agieren, wie sie wollen. 

Brasilien set­zt auf Pres­tige

Nun mag das zurzeit keinen vom Hock­er reißen, aber richtig inter­es­sant würde die mar­itime Per­len­kette IBSA dann, wenn die Strecke von Suez bis in den Indis­chen Ozean, sei es durch Verän­derun­gen in Ägypten, den Kol­laps des Jemen, Unruhen in Sau­di Ara­bi­en oder die Pira­terie in Soma­lia, irgend­wo block­iert wäre. Müsste der Schiffsverkehr um Afri­ka herum, stünde IBSA auf ein­mal an der Frontlin­ie glob­aler Ver­sorgungssicher­heit mit all ihren geopoli­tis­chen Implikationen. 

Brasilien macht darüber hin­aus mit dem Südat­lantik eine Region wieder inter­es­sant, die auf der mar­iti­men Pri­or­itäten­liste seit dem Falk­land­krieg auf dem let­zten Platz stand. Bekämp­fung des Dro­gen­han­dels auf See ist das eine, aber wesentlich wichtiger ist das Öl. Vor Brasiliens Küste liegen so große Öl-Vor­räte, dass das Land unter die Top 10 Öl pro­duzieren­der Staat­en auf­steigen wird. Eigentlich sollte ein mod­er­ater Aus­bau der aktuellen Flotte von fünf U‑Booten, zehn Fre­gat­ten, fünf Korvet­ten und einem Flugzeugträger aus­re­ichen, um die heimis­chen Küsten und Öl-Plat­tfor­men zu schützen. Jedoch bemüht sich Brasilien neben neuen Über­wasser­schif­f­en um amphibis­che Angriff­ss­chiffe, ein Atom- U‑Boot und vier kon­ven­tionelle U‑Boote.

IBSAMAR-Übung (Foto: südafr. Marine)
IBSAMAR-Übung (Foto: südafr. Marine)

Brasiliens Selb­st­be­wusst­sein ist mit­tler­weile groß genug, um neben den Übun­gen mit Indi­en dessen Rivalen Chi­na bei seinem Träger­pro­gramm zu helfen. So unglaublich es klingt, Peking ist auf Brasil­ia angewiesen. Vier Län­der betreiben heute Träger mit kon­ven­tionell lan­den­den Flugzeu­gen. Neben den USA, Frankre­ich und Rus­s­land ist eben Brasilien der Vierte im Bunde. Da die ersten Drei nicht wil­lens sind, den Chi­ne­sen zu helfen, bleibt als Train­ingspart­ner nur Brasilien. Diese dürften dafür min­destens poli­tis­che Gegen­leis­tun­gen ein­fordern, aber Chi­nas prall gefüllte Kassen dürften auch manche Rech­nung des Trägers bezahlen. 

Wen­ngle­ich Schutz der Seewege Brasiliens Pri­or­ität ist, scheint Pres­tige wichtig­stes Motiv zu sein. Atom-U-Boote, Flugzeugträger und amphibis­che Angriff­ss­chiffe sind für den Schutz der Öl-Vorkom­men vor der Küste nicht zwin­gend notwendig. Außer­dem ist Brasilien schlicht zu wenig block­adean­fäl­lig. Aber wer als auf­strebende Macht mit Indi­en, vielle­icht eines Tages auch Chi­na oder den USA gemein­same Manöver durch­führen will, braucht geeignetes Mate­r­i­al für Augen­höhe. Dazu kommt das Streben nach einem ständi­gen Sicher­heit­sratssitz, dem die Fähigkeit zu mil­itärisch­er Beteili­gung an UN-Krisen­be­wäl­ti­gung nicht abträglich ist. 

Rus­s­land macht ver­glichen dage­gen den Ein­druck von »will, aber kann nicht«. Selb­st staatliche rus­sis­che Medi­en bericht­en, Moskau könne weit­ere Aus­lands­basen nicht bezahlen. Anstatt ein­mal angedachte neue Flugzeugträger zu bauen, brauchte Moskau ewig für den Mis­tral Deal. Zwei der neuen Helikopterträger wer- den zur Paz­i­fik­flotte stoßen, was die Ver­schiebung geopoli­tis­ch­er Pri­or­itäten unter­stre­icht. Allerd­ings wer­den Rus­s­lands Helikopterträger dort neben chi­ne­sis­chen und amerikanis­chen Flugzeugträgern sowie kore­anis­chen, japanis­chen und aus­tralis­chen Helikopterträgern blass ausse­hen. Auch wenn es wieder am Horn von Afri­ka und bei NATO-Manövern präsent ist, wird Rus­s­land nicht zu den Perlen der neuen mar­iti­men Wel­tord­nung gehören. Stattdessen muss Moskau zuguck­en, wie sich Peking langsam seinen Wun­sch nach Augen­höhe mit den USA erfüllt. Was den Russen dann bleibt, um sich inter­es­sant zu machen, ist der Stre­it um die Raketenabwehr. 

Indi­en muss nicht mehr auf sich aufmerk­sam machen

 brasilianischer Flugzeugträger SAO PAULO übt mit US-Flugzeugträger (Foto: US Navy)
brasil­ian­is­ch­er Flugzeugträger SAO PAULO übt mit US-Flugzeugträger (Foto: US Navy) 

Indi­en muss nicht mehr auf sich aufmerk­sam machen. Oba­ma, Sarkozy und Med­wedew sprachen sich für einen ständi­gen Sicher­heit­sratssitz Neu Dehlis aus. Um die Auss­chrei­bung für Indi­ens neue Kampf­jets bemüht­en sich ein halbes Dutzend Anbi­eter. Da der wichtig­ste Ozean dieses Jahrhun­derts seinen Namen trägt, braucht Indi­en keine Per­len­kette. Wagt sich die indis­che Marine regelmäßiger ins Süd­chi­ne­sis­che Meer vor, müssten Län­der wie Viet­nam, die Philip­pinen oder Japan ihre Häfen öff­nen. Aus­geschlossen ist das angesichts Chi­nas Gebarens nicht. Jene Staat­en kön­nten einem starken Alli­ierten wie Indi­en gegenüber nicht abgeneigt sein. Dieser poten­zielle Part­ner tut einiges für seine Stärke im Bewusst­sein, eines Tages der PLAN vor sein­er Küste zu begeg­nen. Ein chi­ne­sis­ch­er Träger wird nach 2015 im Indis­chen Ozean auf min­destens zwei indis­che Gegen­stücke tre­f­fen. Die INS VIRAAT wird den gekauften rus­sis­chen Träger GORSHKOV erset­zen oder bis zur Indi­en­st­stel­lung der selb­st gebaut­en VIKRANT Klasse ergänzen. Von diesen Trägern sollen min­destens zwei, langfristig wohl mehr gebaut werden. 

Span­nend ist, während sich die Welt über Chi­nas Träger den Kopf zer­bricht, über Indi­ens Ambi­tio­nen kaum gere­det wird. Dabei darf man schon fra­gen, was Chi­nas Träger­pro­gramm in den Kinder­schuhen wert ist, wenn die PLAN im Indis­chen Ozean und Süd­chi­ne­sis­chen Meer nicht nur amerikanis­chen, son­dern auch indis­chen Trägerkampf­grup­pen begeg­net. Voraus­ge­set­zt Indi­en gelingt die Umset­zung seines Vorhabens, immer zwei Grup­pen ein­satzbere­it zu hal­ten, was wahrschein­lich ist. Bezieht man Indi­ens Baupro­jekt eigen­er Atom- U‑Boote mit ein, rel­a­tivieren sich Chi­nas »Blue Water« Ambitionen. 

Team GlobDef

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