Bereits im Jahr 2000 begannen auf der Basis der NATO-Studie »Maritime Operations 2015 Minewarfare Advanced Concept Study (MO 2015 MW ACS)« erstmals Aktivitäten zur Rolle von AUV in der Minenabwehr. Erste Einsatzvorstellungen gingen dahin, dass AUV als abgesetzte Sensorträger in einem MCM Verbund integriert werden können. Unabhängig von der Trägerplattform sollen AUV Objekte am Meeresboden detektieren und klassifizieren. Nach Auswertung der Mine-Like-Objects (MLO) an Bord der Trägerplattform kann von dort die Identifikation mit einem geeigneten Sensor des AUV oder die Neutralisation des Objektes mit einer Bekämpfungsdrohne (SEEFUCHS) eingeleitet werden.
Prinzip Minenjagd 2000 |
Der Einsatz von AUV ist aber auch in containerisierter Form als stand-alone Lösung auf anderen Plattformen, die über eine Aussetz- und Bergeeinrichtung verfügen, möglich. Der operative Gewinn für eine Einsatzgruppe besteht in der Ermittlung eines Unterwasserlagebildes durch den AUV-Einsatz.
AUV können aber auch von Land zur seeseitigen Absicherung von Hafenzufahrten und Reeden eingesetzt werden. Kontinuierliche Einsätze im Rahmen der Routenüberwachung ergänzen das lokale UW-Lagebild im Rahmen der Sicherheitsvorsorge.
Die besonderen Vorzüge von AUV Einsätzen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Ressourceneinsparung und Zeitgewinn, da MCM Einheit und AUV unabhängig voneinander operieren können, ggf. Einsatz mehrerer AUV,
- Erhöhung der Flächenleistung durch Einsatz von Side Scan Sonaren im optimalen Abstand zum Meeresboden,
- Risikominimierung, da Boot und Besatzung minengefährdetes Gebiet meiden können,
- Verdeckter Einsatz für Aufklärungs- und Überwachungsoperation möglich.
Zunächst wurde die Entwicklung eines AUV sowohl bei der Marine und im Rüstungsbereich, aber auch bei der Industrie mit wenig Elan vorangetrieben. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Kapazitäten auf die Entwicklung des Projektes »Minenjagdausrüstung 2000A« (MJ2000A) ausgerichtet. MJ2000A sah im Kern ferngesteuerte Überwasserdrohnen vor, die ein tiefenvariables Schleppsonar zum Einsatz bringen sollten. Trotz einiger technologisch anspruchsvoller Entwicklungen, wie die Nutzung von Small-Waterplane-Area Twin-Hull (SWATH)-Schiffen als Schleppdrohne oder die Entwicklung eines Sedimentsonars, wurde das Projekt im Herbst 2005 aufgegeben.
International arbeiten heute Firmen in USA, Norwegen, Frankreich, Schweden und Italien an der praktischen Umsetzung der AUV-Technologie. In Deutschland ging ATLAS Elektronik (AE) mit der dänischen Firma Maridan zusammen. Maridan hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein autonomes Unterwasserfahrzeug zur Exploration von Diamantenvorkommen für Südafrika entwickelt. Im Jahr 2005 wurde zwischen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) und ATLAS Elektronik (AE) ein Vertrag zum Bau eines Minenabwehr-AUV-Demonstrators geschlossen. Dieses Fahrzeug soll der Marine die gegenwärtigen Fähigkeiten und zukünftigen Kapazitäten von AUV aufzeigen. Grundgedanke war die Bereitstellung eines Fahrzeuges, das ausschließlich mit am Markt verfügbaren Komponenten hergestellt wurde.
Erste Seeversuche mit einem Maridan 600 zeigten schon frühzeitig, dass man den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Die Fahrzeugtechnik (Navigation, Missionssteuerung, Energiemanagement, etc.) befanden sich auf einem durchaus operationell nutzbaren Stand. Für einen Einsatz in der Minenabwehrrolle ist aber eine effiziente Sensorausstattung Grundvoraussetzung.
Sea Otter Mk II Bildquelle: Atlas Elektronik |
AE entwickelte im Rahmen des F&T Projektes einen MCM-AUV-Demonstrator weiter und stellte mit dem SEAOTTER Mk II anlässlich der NATO Harbour Protection Trials 2008 in Eckernförde ein AUV vor, dass über ein Seitensichtsonar (Side Scan Sonar), ein Sub-Bottom-Profiler (SBP) und ein Fächerlot (Multibeam Echosounder) verfügte. Die Ergebnisse in dieser umfassenden Testphase waren Erfolg versprechend. In der Erweiterung der Sensorausstattung ist auch die Integration eines Sonargerätes mit synthetischer Apertur (SAS) und in einer zukünftigen Ausbaustufe der Einsatz eines Sedimentsonares möglich.
Allerdings gibt es bis jetzt auch noch Defizite beim Einsatz von AUV. Ein Punkt ist die bisher eingeschränkte Mobilität bei der automatischen Hindernisvermeidung. Ein weiterer die eingeschränkte Datenübermittlung im Einsatz. Die umfangreiche Rohdatenmenge der Sonare kann nicht direkt vom getauchten AUV in der notwendigen Bandbreite übermittelt werden. Damit ist eine Auswertung der Aufklärungsergebnisse über lokalisierte Objekte am Meeresboden nicht ohne Zeitverzug möglich. Die Messdaten werden bisher in periodischen Abständen nach Auftauchen zum Positionsabgleich an die Trägerplattform übermittelt und an Bord ausgewertet. Ein Umprogrammieren des AUV zur Relokalisierung und Klassifizierung eines MLO ggf. mit einem anderen Sensor ist möglich. Es besteht aber auch die Möglichkeit, eine zweite Drohne (z.B. SEEFUCHS) zur Identifikation einzusetzen. Hier bedarf es noch weiterer Erfahrungswerte, um ein taktisches Konzept für den Einsatz zu entwickeln.
Zurzeit befindet sich eine »Abschließende funktionale Forderung für Autonome Unterwasserfahrzeuge zur Kampfmittelabwehr im maritimen Umfeld« (AF AUV) in der ministeriellen Mitzeichnung. In der Analysephase zur Erstellung der AF AUV wurden die Forderungen an AUV konkretisiert. Das Spektrum dieser Forderungen geht von »Detektion, Klassifikation und Identifikation von Objekten in Wassertiefen von 3 bis 300 m über die Aufzeichnung von geophysikalischen Umweltparametern – Rapid Enviromental Assessment (REA) – bis hin zur Aufklärung von Objekten im Hafenbereich inklusive der Untersuchung von vertikalen Strukturen wie Dalben und Spundwänden.
In der Analyse zu dieser AF wurde klar, dass sich die Forderungen an ein AUV technisch-wirtschaftlich nicht in einem einzigen Typ verwirklichen lassen.
So ist die für ein MCM AUV zum Einsatz bis 300 m Wassertiefe geforderte hohe Seeausdauer mit hoher Flächenleistung nur von einem Fahrzeugtyp zu erbringen, der eine Masse von ca. 1 to benötigt und somit für Operationen in engen und begrenzten Gewässern eher nicht geeignet ist. Andererseits ist eine große Suchstreifenbreite für AUV, die für Operationen in engen Hafenbecken eingesetzt werden, nicht sinnvoll, da hier Sensoren geringerer Reichweite, aber sehr hoher Auflösung zur Identifikation von UW-Kontakten benötigt werden. Ein Fahrzeug für Hafenbecken ist wiederum zum Einsatz in sehr flachem Wasser und im Vorstrandbereich nicht geeignet, da es sich zur Einhaltung einer gewissen Suchstreifenbreite zu nahe an der Wasseroberfläche bewegen müsste und dadurch die zur Erzielung der Klassifizierung benötigte Laufstabilität nicht gewährleistet ist. Gleichwohl sind Synergien hinsichtlich einheitlicher Fahrzeugführungssoftware, Einsatzplanung und Einsatzauswertung, einheitlicher Energieversorgungskonzepte, Bedienung, Handling und Ausbildung für alle drei Fahrzeugtypen möglich.
Die AF AUV stellt die Weichen für die mittelfristige Rüstungsplanung. So ist auf der Basis des F&T Demonstrators SEAOTTER Mk II eine Projektierung für ein MCM AUV zum Einsatz bis 300 m ab 2010 vorgesehen. Für die Beschaffung eines ersten Loses von 5 MCM AUV zur Integration auf MiJ-Booten Kl 332 sind Haushaltsmittel ab 2012 eingeplant.
REMUS Bildquelle: US Navy |
Zum Einsatz in sehr flachem Wasser – Very Shallow Water (VSW) – und im Vorstrandbereich wurde bei der WTD 71 das AUV REMUS 100 der Fa. Hydroid (USA) erprobt. Seit 2007 kommt dieses AUV bei den Ausbildungsvorhaben der Minentaucherkompanie regelmäßig zum Einsatz. Es entspricht in allen Funktionen den Forderungen an ein AUV für die Absuche großer Flächen in flachem Wasser. Dieses AUV ist auf dem Weltmarkt verfügbar. Die Rüstungsplanung sieht die Beschaffung von 6 Systemen in den Jahren 2011 bis 2013 im Wege einer Kauflösung vor.
Für den Bereich »Detektion, Klassifikation und Identifikation von Objekten im Hafenbereich « werden in F&T Studien die Verwendbarkeiten von zwei UW-Drohnen untersucht.
Ein mögliches Fahrzeug für den Hafeneinsatz ist der als Demonstrator gebaute, torpedoförmige DAVID der Fa. Diehl BGT Defence. Dieses AUV soll sich in der Endausbaustufe vor allem durch eine hohe Manövrierfähigkeit auszeichnen. Insbesondere soll Vertikalfahrt (Hovern) auch bei größerer Strömung möglich sein. Dieses Fahrzeug wird zurzeit mit geeigneter Sensorik ausgestattet. Eine Prüfung unter Einsatzbedingungen steht noch aus.
DAVID | Seewolf |
Das AUV SEEWOLF von AE ist die Weiterentwicklung der Minenvernichtungsdrohne aus dem abgebrochenen Projekt MJ2000A und wird ebenfalls als autonomes UW-Fahrzeug zur Absuche von Hafenbecken, Liegeplätzen und Hafenzufahrten untersucht. Während der NATO Harbour Protection Trials 2008 in Eckernförde zeigte der SEEWOLF annähernd die Leistung, die den Anforderungen der AF AUV entsprechen. Gleichzeitig wird eine kompatible Auslegung der Einsatzplanungs‑, Einsatzführungs- und Auswertesoftware für SEAOTTER und SEEWOLF angestrebt werden.
Entwicklungsbedarf bei AUV für den Hafeneinsatz besteht unabhängig von dem verwendeten Fahrzeug für die Sensorik. Zur sicheren Klassifizierung und Identifizierung von Kampfmitteln, die im Hafenbereich auch ausgesprochen klein sein können (z.B. Haftladungen) wird über die handelsüblichen Sonare und Videokameras hinaus ein entsprechend hochauflösendes 3D-Sonar (akustische Kamera) benötigt. Das technische Risiko für eine solche Entwicklung wird als gering bis mittel eingestuft, da das notwendige Know-how aus der Medizin- und Werkstofftechnik in Verbindung mit der klassischen Sonartechnologie vorhanden ist.
Wenn sich die positiven Ergebnisse der F&T Studien in der Projektierungsphase bestätigen, wird mit der Einführung eines MCM-AUV ab 2012 die Minenjagd einen großen Schritt vorangebracht. Gleichzeitig wird die Wirksamkeit des Minentauchereinsatzes im flachen Wasser und bei der Großflächensuche mit der geplanten Beschaffung des REMUS 100 ab 2011 erheblich gesteigert.