Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Quo Vadis, Deutsche Marine? —
Zielvorstellung Marine 2025+
Von Jürgen E. Kratzmann
(Jürgen E. Kratzmann ist Chefredakteur des MarineForum)
Die Bundestagswahl hat zu einem Wechsel in der Regierungsverantwortung geführt, damit zwangsläufig auch zu einem Wechsel sicherheitspolitischer Entscheidungen, die auf die Bundeswehr und damit auch auf die Marine ausstrahlen. Dieser Wechsel wird sich nicht radikal auswirken, der politische Weg in die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland wird etwas klarer werden, das bedeutet jedoch nicht, vor Überraschungen geschützt zu sein.
Aber wie sieht die Zukunft der Streitkräfte dieser Republik aus, wie die der Deutschen Marine? Dazu ist zunächst eine Art Kurzbestandsaufnahme erforderlich, um festzustellen, mit welchen Aufgaben und Anforderungen die Marine konfrontiert ist, um daraus abzuleiten, welche Strukturen und Plattformen geeignet sind, dieses Aufgabenpaket schultern zu können. Nun ist es für einen Außenstehenden nicht immer leicht, in Erfahrung zu bringen, welche Informationen der Spitze der Marine zur Verfügung stehen, was sie im Detail konzeptionell denkt und wie sie daraus resultierend den Weg in die Zukunft beschreiten möchte. Aber glücklicherweise dienen öffentlich gehaltene Reden und veröffentlichte Beiträge zum Thema Zukunft der Marine – natürlich aus Sicht der Marine – nicht nur der Information des eigenen Bereichs, sondern vor allem auch der aktiven Öffentlichkeitsarbeit, um das Verständnis für die maritimen Belange der Bundesrepublik und damit auch für die Marine zu fördern. Dieser Beitrag macht den Versuch, das Gehörte und Gelesene zusammenzufassen, und um damit einen annähernd gleichen Wissensstand zu dieser Thematik herzustellen.
Anforderungen an die Marine
Der interessierten Öffentlichkeit ist gut zu vermitteln, dass die Marine dazu beizutragen soll, die deutschen Interessen an ungestörtem und sicherem Welthandel aufrecht zu erhalten. Seeverbindungswege müssen vor den Gefahren der Piraterie und des Terrorismus geschützt werden. Gleichzeitig – und das fällt schon weniger leicht zu vermitteln – muss die Deutsche Marine aber auch auf konventionelle, regionale, militärische Konflikte eingestellt und vorbereitet bleiben. Maritime Sicherheitsvorsorge geht aber noch deutlich weiter. Sie darf nicht auf reaktive maritime Sicherungsmaßnahmen reduziert werden.
Die nachfolgenden Stichworte geben einen Eindruck davon,wie vielfältig sich das Aufgabenspektrum der Marine darstellt:
Friedenserzwingende Maßnahmen
Friedensstabilisierende Maßnahmen
Maritime Sicherheit
Landes- und Bündnisverteidigung
Internationale Kooperation
Rettung und Evakuierung
Hilfeleistungen in Katastrophen- und Unglücksfällen
SAR über See/U‑Boot-Sicherheit
Erhalt der Kompetenz für maritime Sicherheitsfragen
Dauerhafte Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der maritimen Kräfte der Bundeswehr.
Wichtige Aufgaben sind aber auch die Krisenprävention und die Krisenbewältigung vor Ort, um den Export von Risiken und Gefahren nach Europa zu verhindern. Ziel muss es dabei sein, es gar nicht erst zu einer Gefährdung der Seeverbindungslinien kommen zu lassen. In diesem Zusammenhang bieten maritime Operationen vielfältige Möglichkeiten des abgestuften, politisch bestimmten und wohldosierten Handelns und Wirkens von See in besonders sensiblen oder gefährlichen Krisenregionen.
Fregatte RHEINLAND PFALZ eskortiert die DEUTSCHLAND durch Piraten-gefährdetes Gebiet Bildquelle: PIZ Marine |
Durch den einzigartigen Rechtsstatus der Hohen See, der relativen Autarkie von Seekriegsmitteln und deren breites Fähigkeitsspektrum eröffnen Seekriegsmittel besonders wertvolle Optionen, z.B. durch die frühzeitige Positionierung von Schiffen im Rahmen einer diplomatischen Mission vor einer Küste in internationalen Gewässern. Dadurch kann sehr gut der Wille zur Krisenbewältigung demonstriert werden, ohne jedoch sofort aktiv in die jeweilige Krise eingreifen zu müssen. So kann je nach Lage entweder durch offensives Kreuzen vor einer Küste oder durch demonstratives Verlassen eines Seegebietes eskalierend oder deeskalierend Einfluss auf eine Situation in einem Land genommen werden, ohne in der betroffenen Region direkt Truppen an Land stationiert zu haben. Diese Aufgabe ist aber weder durch die Marine allein zu bewältigen, noch darf sie auf die rein militärische Sicht reduziert werden. Die Zusammenarbeit der internationalen Partner, der Teilstreitkräfte der Bundeswehr sowie aller betroffenen zivilen Stellen, das synergetische Nutzen der einzelnen Fähigkeiten und Kompetenzen sowie der ressortübergreifende Dialog sind Grundvoraussetzung eines erfolgreichen Krisenmanagements.