»Personalschiff« ist sehr topplastig geworden
An dieser Stelle möchte ich zur Positionierung im streitkräftegemeinsamen Bereich und zu unseren Werdegangsmodellen wechseln.
3.800 überwiegend hochwertige Dienstposten in der Streitkräftebasis stellen hohe Anforderungen insbesondere an die Stabsoffiziere der Marine. Da wir unsere Kräfte in starkem Maße aus den NATO-Forderungen begründen, ist die Repräsentanz im Bündnis von ebenso herausragender Bedeutung wie die Beteiligung an der nationalen streitkräftegemeinsamen Einsatzführung und Einsatzunterstützung. Deshalb gilt: Wenn die Positionierung in streitkräftegemeinsamen Bereichen und im BMVg nicht gelingt, verlieren wir auch im eigenen OrgBereich.
Strukturell sind ab A 15 genau so viele Aufgaben außerhalb der Marine wahrzunehmen wie innerhalb. In der SKB haben wir uns fast 50-mal auf der Ebene Kapitän zur See und mit 120 Stabsoffizieren A 15 qualifiziert zu positionieren. Das heißt, über die Hälfte dieser Offiziere leisten ihren Dienst außerhalb der Marine.
Betrug der Anteil der Marineangehörigen vor 15 Jahren im so genannten Zentralmilitärischen Bereich noch 4 Prozent, so ist er nach Schaffung der SKB auf 22 Prozent angewachsen. Das entspricht unserem Interesse, um in diesem wichtigen Bereich wirksam vertreten zu sein. Damit unsere Soldaten sich dort erfolgreich durchsetzen können, müssen sie aber hochwertige Vorverwendungen vorweisen, nicht nur in der Marine, sondern auch in der SKB.
Dieser Entwicklung stehen in der Vergangenheit immer weiter reduzierte Truppenumfänge und Plattformen gegenüber. Unser »Personalschiff« ist damit sehr topplastig geworden. Wir müssen deshalb darauf achten, unsere Truppenebene, also unsere Schiffs‑, Geschwader- und Bootsebene möglichst zu erhalten.
Aus struktureller Sicht sind die Grenzen der personellen Regenerationsfähigkeit für multinationale und streitkräftegemeinsame Aufgaben weitgehend erreicht. Weitere Verkleinerungen würden dazu führen, dass maritime Kompetenz nicht mehr in ausreichendem Maße professionell anwachsen und eingebracht werden könnte. Eine Fortsetzung linearer Kürzungen bei der personellen Ressourcenzuteilung würde für die Marine künftig noch problematischer.
Streitkräftegemeinsame Aufgabenwahrnehmungen, national wie international, erfordern eine hohe personelle Durchlässigkeit zwischen Marine und Streitkräftebasis. Das will in der Personalentwicklung, bei der Struktur und bei der Ausbildung berücksichtigt werden und muss aufeinander abgestimmt sein. Ich will deshalb auf einige weiterführende Überlegungen zur künftigen Gestaltung unserer Werdegangsmodelle eingehen.
Es wird vermehrt erforderlich, von der klassischen Form des Verwendungsaufbaus, der von »Verwendungsbreite« und dem Wechsel von Fach- und konsekutiv aufeinander aufbauenden Führungsverwendungen geprägt ist, abzugehen und stärker auf Kompetenzbereiche zu fokussieren.
Die Möglichkeit dazu entwickelt sich aus folgender Logik: Führungskompetenz als Schlüsselqualifikation im Grundbetrieb und Einsatz ist wichtiger denn je. Die Anzahl klassischer Führungsverwendungen hat aber erheblich abgenommen. Wenn die Stehzeit auf diesen Dienstposten erhöht wird, können diese Verwendungen erst recht nicht mehr von jedem Offizier durchlaufen werden, für den das nach bisherigem Verständnis erforderlich wäre. Andererseits eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, Perspektiven für »Spezialisten« auch ohne Führungsverwendungen (jedoch mit Führungskompetenz) zu entwickeln.
Wie ist unsere Position zu diesem Thema?
Werdegangsmodelle, Auswahl, Bedarfsforderungen und Auswahlverfahren sind zu harmonisieren
Die Marine praktiziert bei der Auswahl ihres Führungspersonals in der Flotte ein bewährtes Zertifizierungsverfahren: den Erwerb von Leistungsnachweisen. Daran werden wir festhalten. Die Notwendigkeit vergleichbarer Maßstäbe und Eckwerte wird aber anerkannt.
Vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen (Einsatzorientierung, Joint-Ansatz), damit einhergehender Fähigkeitsorientierung der Streitkräfte, der fortschreitenden Tendenz zur Spezialisierung und der Notwendigkeit, teilstreitkraftübergreifend vergleichbar und durchsetzungsfähig zu sein, müssen aber auch wir traditionelle Werdegänge und Verwendungsaufbaukonzepte überprüfen und – wo nötig – anpassen.
Es kann und es muss nicht mehr jeder Kommandant oder Kommandeur gewesen sein, um in einem bestimmten Kompetenzbereich reüssieren zu können.
Dabei muss erwähnt werden, dass diese Neuausrichtung streitkräftegemeinsam vorgenommen wird. Mehr Vergleichbarkeit – allerdings bei gleichzeitiger Wahrung der auch künftig geltenden TSK-Besonderheiten – ist erforderlich, um Chancengerechtigkeit, Berechenbarkeit und Transparenz zu verbessern. Die Streitkräftebasis täte sich sonst schwer, wenn in ihrem vergleichsweise großen Organisationsbereich nicht nur Heeres‑, Luftwaffen- und Marinesoldaten, sondern auch verschiedene Personalentwicklungssysteme aufeinander träfen.
Deshalb sind Werdegangsmodelle und Auswahlkonferenzen, Bedarfsträgerforderungen und Führerauswahlverfahren zu harmonisieren.