In seinem Impulsreferat im Workshop VII – erstmalig ein Workshop unter der fachlichen Leitung des Verteidigungsministeriums – ging Vizeadmiral Wolfgang E. Nolting, Inspekteur der Marine, näher darauf ein, über welche Fähigkeiten die Marine künftig im Gesamtspektrum der Bundeswehr verfügen solle.
Die Marine habe nicht nur – wie bereits von Staatssekretär Kossendey erwähnt, das Konzept Basis See entwickelt, sondern Zielvorstellungen für einen langfristigen Zeithorizont bis zum Jahr 2025 – und darüber hinaus – entwickelt. Zu diesen Zielvorstellungen machte Nolting einige Anmerkungen:
Innerhalb des Aufgabenspektrums der Bundeswehr werden Konfliktverhütung und Krisenbewältigung weiterhin als die wahrscheinlichsten und damit als die strukturbestimmenden Aufgaben bewertet. Künftig wird es für die deutsche Marine darum gehen, im Zusammenwirken aller Kräfte die See als Basis zu nutzen, um in einem Einsatzland eine gewünschte Wirkung zu erzielen. Entscheidend hierfür sind rasche Verfügbarkeit sowie Durchhalte- und Durchsetzungsfähigkeit in potenziellen Krisenregionen weltweit und damit nicht mehr regional eingegrenzt. Die NATO hat hierfür den Begriff der Fähigkeit zu »Expeditionary Operations« geprägt.
Darüber hinaus hat der Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung weiterhin einen hohen Stellenwert. In diesem Zusammenhang gewinnt der Beitrag der Marine zu maritimer Sicherheit zukünftig ein höheres Gewicht.
Die weitere Entwicklung der Marine zu lang andauernden Einsätzen (auch) in großer Entfernung und unter Bedrohung vor fremden Küsten einerseits, und der Fähigkeit zum Schutz der Küstengewässer und Seeverbindungslinien Deutschland und seiner Verbündeten andererseits wurden daher als gleichwertige Prinzipien der konzeptionellen Ausrichtung für die Deutsche Marine niedergelegt.
In Abgrenzung zu den von anderen Marinen verfolgten Schwerpunktsetzungen, insbesondere im Bereich von Flugzeugträgern und amphibischen Fähigkeiten, strebt die Deutsche Marine eine dazu teilweise komplementäre Entwicklung an. Sie berücksichtigt vor allem die Stärken der Deutschen Marine bei Operationen in Küstenregionen und bei der Durchhaltefähigkeit bei konventionellen Seekriegsmitteln wie Fregatten und U‑Booten.
Der mit der Zielvorstellung Marine 2025+ vorgegebene Anspruch ist nach den Worten Noltings ehrgeizig. Unter den anhaltenden Ressourcenzwängen werden weiterhin Priorisierungen und Kompromisse notwendig bleiben. Damit stellte sich die Frage nach den Anforderungen an den Marineschiffbau und welche Konsequenzen sich für die Marine, die Hauptabteilung Rüstung und die Marineschiffbauindustrie und ihrer Zulieferer ergäben.
Einen Teil der Antworten gab Nolting den Zuhörern am Beispiel der Fregatte Klasse 125 gleich mit auf den Weg: »Die heutigen Fregatten der Marine wurden konzipiert, um im Wirkverbund mit anderen Seekriegsmitteln in Auseinandersetzungen mit anderen Streitkräften eingesetzt zu werden. Sie sind in der Regel für einen Teilbereich der Seekriegsführung, z.B. Flugabwehr oder U‑Jagd, optimiert und leisten Beiträge zu anderen Teilbereichen. Sie können zwar für breitbandige, langanhaltende Stabilisierungsoperationen eingesetzt werden, unsere Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass dies wenig effizient ist: Die Schiffe weisen einerseits Fähigkeitsdefizite auf, andererseits besitzen sie Überbefähigungen in ihrer Spezialisierung. Daraus folgt für zukünftige Schiffe, dass sie ihr Fähigkeitsspektrum in gewissem Maße verändern bzw. in der Lage sein müssen, dem konkreten Einsatz anzupassen. Dies kann beispielsweise durch standardisierte Module oder Subsysteme geschehen. Mit der Fregatte F125 tragen wir diesem Umstand teilweise Rechnung. In ihrer technischen Auslegung und ihrem Fähigkeitsprofil ist sie für zukünftige Stabilisierungsoperationen konzipiert. Die so genannte »Intensivnutzung« ist ein wichtiges Designkriterium dieser Schiffsklasse. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind sowohl für die Deutsche Marine als auch für die deutschen Werften und Systemlieferanten eine neue Herausforderung.«
Nolting legte besonderen Wert auf die Botschaft an die Teilnehmer des Workshops, dass Marineschiffbau für den öffentlichen Auftraggeber betreibbar und bezahlbar sein müsse. Dabei kündigte er an, dass die Marine sich in Bezug auf operative Forderungen disziplinieren werde, weil diese einen maßgeblichen Kostenfaktor darstellten, er aber auch im Gegenzug von der Hauptabteilung Rüstung und der Marineschiffbauindustrie die Bereitschaft zur Suche nach innovativen, kostengünstigen Lösungen erwarte.