Wir brauchen Professionalität zur Bewältigung der Aufgaben
Ebenso wie den Befehlshaber bewegt mich ein weiterer Aspekt:
Der Beauftragte für Havarieuntersuchungen der Marine stellt in seinen Jahresbericht 2006 fest, dass, ich zitiere: »…sich der bereits im letzten Jahr abzeichnende Trend, Fahrten nicht mit der gebührenden Sorgfalt vorzubereiten, sowie die, während der Seefahrtsphasen zu beobachtende Sorglosigkeit sowie fehlende Aufmerksamkeit bei Kommandanten und Wachoffizieren bestätigt«.
Dieser Umstand führte in Folge zu kostenträchtigen Schäden und damit der Ausgabe von Geldern, die wir an anderer Stelle schmerzlich einsparen mussten. Aber auch die für uns negativen Schlagzeilen der Havarien des zurückliegenden Jahres möchte ich nicht unerwähnt lassen. Werbung, die wir auf dem Wege der Weiterentwicklung und hinsichtlich dessen, was wir noch vorhaben, überhaupt nicht gebrauchen können. Es gibt keinen Grund, die vom Havariebeauftragten aufgezeigten eklatanten Mängel, die von unzureichender Dokumentation bei Havarieakten bis hin zu nachweislicher Disziplin- und Sorglosigkeit reichen, in Frage zu stellen.
Ich denke, wir sind uns hier im Saal alle einig, dass einer derartigen tendenziellen Entwicklung mit allen Mitteln entgegengewirkt werden muss. Den Ansatz des Befehlshabers, sich über ein Bridge-Ressourcemanagement Gedanken zu machen, unterstütze ich ausdrücklich. Darüber hinaus mahne ich trotzdem zur kritischen Selbstbetrachtung. Verwechseln Sie Gelassenheit nicht mit Lässigkeit und lassen Sie sich Ihre Professionalität nicht durch Routine zerstören.
Denn wir brauchen Ihre Professionalität zur Bewältigung der Aufgaben, die vor uns liegen. Wir haben in der Weiterentwicklung der Marine viel vor in den kommenden Jahren. Die Neuausrichtung zur Erhöhung der Einsatzfähigkeit in einem streitkräftegemeinsamen und fähigkeitsorientierten Ansatz zur Sicherheit und zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland und seiner Verbündeten geht konsequent weiter.
Das Zeitalter der Globalisierung ist ein maritimes Zeitalter. Der Bedarf an maritimen Fähigkeiten steigt dadurch ständig. Das Thema Maritime Sicherheit habe ich daher in den Fokus unserer diesjährigen konzeptionellen Überlegungen gestellt. Unsere Einsätze bewegen sich zunehmend in den Grauzonen, in denen Konflikte niedriger Intensität von einfacher Kriminalität nicht mehr zu trennen sind. Die Fragen der Energie- und Rohstoffsicherheit werden für unsere Gesellschaft das Thema der maritimen Sicherheit zwangsläufig in den Fokus rücken.
Leider ist diese Bewusstseinsbildung ein langsamer und mühsamer Prozess, solange für viele der Sprit aus dem Zapfhahn und die Elektrogeräte aus dem Supermarkt kommen. Fachliches Können unserer Besatzungen der Schiffe, Boote, Flugzeuge und Landeinheiten, sowie der gezielte Einsatz maritimer Fähigkeiten in weltweiten Einsätzen, aber auch die Leistungen unserer Höheren Kommandobehörden, Stäbe und Ausbildungseinrichtungen haben in 2007 dazu geführt, dass das Ansehen der Marine in der Öffentlichkeit spürbar gestiegen ist. Gleichwohl beweist die jüngste SoWi-Studie, dass gerade die Einsätze, bei denen maritime Kräfte den Hauptanteil tragen, wie OEF, OAE und UNIFIL, nur wenig bei der Bevölkerung bekannt sind. In Folge müssen unsere Soldatinnen und Soldaten damit leben, auch nur eine relativ geringe öffentliche Rückendeckung zu erfahren.
Dem müssen wir alle mit Entschlossenheit und Überzeugungskraft gegenhalten. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in ihren Verantwortungsbereichen mit dafür Sorge tragen, dass nicht nur ein generelles maritimes Bewusstsein im Land wächst, sondern dass insbesondere die mit Einsätzen verbundenen guten Leistungen unserer Männer und Frauen mehr Anerkennung finden. Die alte Weisheit: »Tue Gutes und rede darüber« ist ernst gemeint. Nutzen Sie jede Gelegenheit, maritime Themen außerhalb der Marine zu kommunizieren.
Wie bereits auf der Kommandeurtagung erwähne ich auch in diesem Kreise den beispielgebenden US-amerikanischen Ansatz zur Entwicklung einer maritimen Strategie im Dialog mit der Gesellschaft. Konkret verbunden damit ist zum Beispiel auch der bundesweite Einsatz von so genannten Briefingteams. Tiefer möchte ich an dieser Stelle in die Thematik nicht einsteigen, es soll lediglich als Anregung für weitere Überlegungen dienen. Hier sind gute und innovative Ideen gefragt, wie wir mit diesem Komplex zukünftig umgehen werden. Ich fordere Sie auf, sich dazu Gedanken zu machen und zur Weiterentwicklung dieses Themas beizutragen.
Gehen Sie hinaus und führen Sie den Dialog über die See und was deren Nutzung für uns alle bedeutet. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass wir dafür Sorge tragen, dass unsere Marine auch zukünftig der Politik die maritimen Fähigkeiten zur Verfügung stellen kann, die erforderlich sind, um Bedrohungen auf und von See zu begegnen und die See zum Vorteil Deutschlands und seiner Bürger zu nutzen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihr persönliches Engagement und Ihren Einsatz im vergangenen Jahr. Vieles wäre ohne Ihr persönliches Sich-Einbringen, ohne Ihren Ideenreichtum, Ihr Improvisationstalent, Ihre Professionalität und Ihr organisatorisches Geschick nicht zu realisieren gewesen. Die Deutsche Marine steht im eigenen Land und weltweit gut dar. Jeder Einzelne von Ihnen hat daran seinen Anteil. Transformation bedeutet ständige Anpassung an neue Herausforderungen. Ich versichere Ihnen, es bleibt auch zukünftig fordernd und spannend. Vor diesem Hintergrund hoffe ich auch bei dem vor uns Liegenden auf Ihre Unterstützung und Hilfe. Es wird uns darauf ankommen müssen, Antworten auf den demografischen Wandel, neue technische Möglichkeiten, zukunftsfähige Personalkonzepte und geänderte konzeptionelle Anforderungen zu finden. Ein großes Paket, das es zu schultern gilt. Nur gemeinsam werden wir das verwirklichen können, was wir uns vorgenommen haben.
Lassen sie mich kurz zusammenfassen: 2007 war ein gutes Jahr, denn wir haben viel geleistet. 2008 wird ein gutes Jahr, denn wir werden viel leisten. Seien Sie unbesorgt, die Widerstände werden nicht weniger. Aber es lohnt sich: dies ist ein schönes Land, die Männer und Frauen, die Sie führen dürfen, sind ausgezeichnet. Die See bleibt das Medium der Globalisierung und gemeinsam stellen wir die Nutzung der See für uns alle sicher. Seien wir also fröhlich und stolz auf das, was wir täglich leisten.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen zum Jahresbeginn alles Gute für ein erfolgreiches Jahr 2008 und mit den Worten des französischen Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal zu sprechen: »Denken Sie daran, es gibt bereits alle guten Vorsätze, wir brauchen sie nur noch anzuwenden.«